Ralf Kapschack
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Frage von Frederik S. •

Frage an Ralf Kapschack von Frederik S. bezüglich Innere Sicherheit

1. Wie sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach in sachen Türkei/Erdogan verhalten?
2. Sollte Deutschland seinen Partnern im Kampf gegen Nordkorea beistehen?
3. Was halten Sie vom 2% ziel?

Ralf Kapschack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die ich Ihnen hiermit gerne beantworte.

1. Wie sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach in Sachen Türkei/Erdogan verhalten?
In den vergangen Jahrzehnten haben Deutschland und die Türkei, vor allem die Menschen der beiden Länder ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Viele Türken kamen nach Deutschland als sogenannte „Gastarbeiter“, mittlerweile sind viele von ihnen Deutsche und fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Gleichzeitig reisen viele Deutsche in die Türkei – sei es im Urlaub oder im Rahmen von Austauschprogrammen. Lange Zeit war die Türkei auf dem Weg, sich zu demokratisieren. Ich finde, es war richtig und wichtig mit der Türkei über einen Beitritt in die Europäische Union zu sprechen. Viele Menschen in der Türkei warten schon viele Jahre sehnsüchtig auf den Beitritt in die EU, die Gemeinschaft, die seit Jahrzehnten ein Garant für Frieden und Stabilität ist. Die Türkei ist zudem ein wichtiger Partner – politisch und wirtschaftlich.
Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren und Monaten radikal geändert. Unter Präsident Erdogan hat eine (knappe) Mehrheit für die Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten gestimmt und damit wahrscheinlich den Weg geebnet ist eine Autokratie. Justizbeschäftigte werden massenhaft entlassen, kritische Intellektuelle, Journalisten und (vermeintliche) Anhänger der sogenannten „Gülen-Bewegung“ werden inhaftiert. Seit einiger Zeit fällt auf: Auch deutsche Staatsbürger können in der Türkei nicht mehr sicher sein. Der Fall des deutschen Journalisten Deniz Yücel steht als prominentestes Beispiel symbolhaft für das willkürliche Verhalten der türkischen Justiz, die aus meiner Sicht nicht mehr unabhängig ist. Fundamentale Grundrechte werden missachtet.
Die Frage ist: Was können wir tun? Und: Wie können wir gleichzeitig verhindern, dass in Deutschland die Spaltung zwischen Deutschen, türkischen Erdogan-Gegnern sowie Erdogan-Anhängern weiter zunimmt oder womöglich gar eskaliert? Eine solche Spaltung bzw. Eskalation dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen im Gegenteil für eine sukzessive Befriedung sorgen.
Das heißt aus meiner Sicht, dass wir – erstens – im Gespräch bleiben müssen. Ich als Bundestagsabgeordneter bin in meinem Wahlkreis regelmäßig im Gespräch mit Menschen zu diesem Thema. Nur wer miteinander redet, kann auf Dauer Verständnis füreinander entwickeln.
Zweitens: Mit den türkischen Moscheegemeinden müssen wir ebenfalls im Gespräch bleiben, etwa wenn es um Präventionsarbeit (gegen z.B. radikalen Salafismus) geht. Türkische Moscheegemeinden in Deutschland dürfen aber nicht der verlängerte Arm der türkischen Politik sein. Hier müssen unsere Behörden entschieden handeln. Wir müssen uns für mehr Unabhängigkeit der Gemeinden einsetzen. Politik und Religion sind in Deutschland getrennt, und das ist auch gut so.
Drittens: Wir müssen klare Kante zeigen. Präsident Erdogan muss den Widerstand der deutschen Politik spüren. Zur Not müssen wir über wirtschaftliche Sanktionen nachdenken. Das ist auch eine Frage der Überzeugung. Ich finde: Wir können nicht einfach tatenlos zusehen, wie die Türkei – ein NATO-Partner – sukzessive die Demokratie zerstört.
Viertens: Wir dürfen türkische Spionage gegen die hier lebenden Menschen und Unternehmen nicht zulassen. Der deutsche Staat muss die hier lebenden, unbescholtenen Menschen schützen.
Fünftens: Ich finde, mittlerweile ist der Punkt erreicht, wo wir für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen eintreten sollten, ohne aber die politischen Gespräche mit der türkischen Regierung einzustellen. Es macht unter diesen Entwicklungen keinen Sinn, ernsthaft über eine Mitgliedschaft der Türkei zu verhandeln. Das wäre unehrlich, vor allem gegenüber den türkischen Bürgern in der Türkei, aber auch in Deutschland.
Aber, und das ist mir wichtig, wir sollten den Türken die Tür nicht endgültig zuschlagen. Wenn sich die Situation in der Türkei wieder bessert und sie wieder demokratische Grundwerte achtet und verteidigt, muss eine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen möglich sein. Das sind wir den Hunderttausenden Türken schuldig, die bei dem Referendum gegen Erdogan gestimmt haben und die immer noch sehnsüchtig auf einen Anschluss an die EU warten. Diese Menschen sowie die oppositionellen Kräfte sollten wir nach besten Kräften unterstützen und ihnen Mut machen. Sie können am ehesten eine demokratische Wende in der Türkei einleiten.

2. Sollte Deutschland seinen Partnern im Kampf gegen Nordkorea beistehen?
Nordkorea hat unter anderem mit mehreren Raketentests die Auseinandersetzung mit der Weltgemeinschaft, Südkorea und den USA im Besonderen, immer weiter angeheizt. Auch US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Äußerungen nicht für eine Entspannung der Lage gesorgt, im Gegenteil. Aus deutscher Sicht halte ich es in einer solch brisanten Situation für zwingend erforderlich, kühlen Kopf zu bewahren. Etwaige Kriegsoptionen, die die US-Regierung ins Spiel bringt, halte ich für falsch. Wir sollten weiter auf Diplomatie setzen. Mit einem Krieg helfen wir niemandem: nicht dem verarmten nordkoreanischen Volk, nicht den Nachbarn aus Südkorea. Die weiteren Entwicklungen wären nicht kalkulierbar. Der Weltfrieden stünde auf dem Spiel. Wir sollten – einerseits – die vorhandenen Gesprächskanäle zu der nordkoreanischen Regierung weiter nutzen. Andererseits müssen wir über weitere Sanktionen gegen Nordkorea nachdenken, etwa die Aussetzung der Öllieferungen, um so Kim Jon Un weiter unter Druck zu setzen.

3. Was halten Sie vom 2-Prozent-Ziel?
Gar nichts. Wir sollten die Aufrüstungsspirale nicht weiterdrehen. Ich halte es für unverantwortlich, immer mehr Geld in die Rüstung zu stecken. Es wäre ein falsches Signal deutscher und europäischer Politik, auch gegenüber Russland. Diplomatie muss immer vor Aufrüstung und Krieg stehen. Das ist Leitgedanke sozialdemokratischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das heißt nicht, dass man nicht mehr Geld in die Bundeswehr investieren sollte: Personell und materiell müssen die Soldaten besser ausgestattet werden. Wer für uns im Ausland sein Leben riskiert, hat einen Anspruch auf eine moderne Ausstattung. Ein Nein zum „Zwei-Prozent-Ziel“ heißt auch nicht, dass wir unsere Partner und Krisenländer nicht weiter intensiv, möglicherweise auch noch stärker als bisher, unterstützen sollten. Allerdings sollte stets an erster Stelle eine friedliche Konfliktlösung sowie – verstärkt – Entwicklungshilfe angestrebt werden. Für jeden Euro, der in die Rüstung investiert wird, sollten 1,50 Euro in die Entwicklungshilfe gehen, hatte Bundesaußenminister Gabriel vorgeschlagen. Das finde ich gut.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Sicht der Dinge deutlich machen konnte.

Viele Grüße,

Ralf Kapschack