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Frage von Manuela S. •

Frage an Adrian Gabriel von Manuela S. bezüglich Frauen

Lieber Adrian,

wie du weißt engagiere ich mich seit einigen Jahren stark zum Thema Prostitution.

Meine Frage an dich, die ich auch allen KandidatInnen stellen werde, und die für mich in der Tat stark wahlentscheidend sein wird:
Das Europaparlament hat 2014 eine Resolution verabschiedet (Honeyball-Bericht), die allen Mitgliedsstaaten die Übernahme des sogenannten Nordischen Modells empfiehlt (Kriminalisierung der Freier und Profiteure, Entkriminalisierung der prostituierten Personen, individuelle Ausstiegshilfen, antisexistische Erziehung, Öffentlichkeitskampagnen, ...) Die Parlamentsgruppe der Linken hat mit überwältigender Mehrheit der Abgeordneten zugestimmt, die deutschen Abgeordneten waren gespalten. Im deutschen Gesetzgebungsprozess wurde dieser Politikansatz nicht berücksichtigt, ExpertInnen nicht angehört. Das neue Gesetz sieht eine Evaluation nach drei Jahren vor.
Können die VertreterInnen des Nordischen Modells in Deutschland, solltest du MdB, mit deiner Unterstützung rechnen? Dies meint konkret: Anhörung von Prostitutionsüberlebenden, NGOs die sich für das Nordische Modell einsetzen, ExpertInnen aus den Ländern, die hier führend sind, wie sich das in einem demokratischen Meinungsfindungsprozess gehört.

Unabhängig davon würde mich deine persönliche Positionierung zur Thematik interessieren.

Im Voraus vielen Dank und liebe Grüße

Manuela

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Manuela,

ich würde mich für eine weitergehnde Anhörung von Expert*innen und Verbänden zum Thema "Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung und Nordisches Model" im Deutschen Bundestag einsetzen. Erstens gibt es in der Tat extreme Menschenrechtsverletzungen durch massenhaften Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, nicht nur von Frauen. Zweitens gibt es im politischen Raum zum Thema Prostitution komplett gegensätzliche Forderungen ("Verbot" versus "Anerkennung"), wozu ich und meine Partei keine abgeschlosse Meinung haben. Auch dem Bundestag fällt eine Meinungsbildung bis heute schwer, weshalb eine Anhörung von Expert*innen und Verbänden insgesamt großen Sinn macht.

Beim Thema Menschenhandel und "Zangsprostitution" besteht zwischen den Parteien zwar weitgehnde Einigkeit in der verbalen Ablehnung, aber nicht in dringend notwendigen Maßnahmen dagegen. Der Menschenhandel hat (seit 2008) exorbitant zugenommen, wobei neben sexueller Ausbeutung (von ca. 55-60 Prozent Frauen) auch Kinderarbeit und Pädokriminalität einen hohen Anteil im weltweiten Milliardengeschäft ausmachen. Die Anzahl der alleine in Europa sexuell ausgebeuteten Frauen wird auf über 500.000 geschätzt (siehe z.B. FWF - Foundation of Women’s Forum), der Anteil "nicht freiwillig in der Prostition arbeitenden" auf bis zu 95 Prozent (siehe z.B. LKA Hamburg). Sowohl die sozialen Ursachen, als auch die kriminellen Netzwerke des Menschenhandels müssen weitaus schärfer bekämpft werden. Es ist auch kaum zu begreifen, warum die Dimension und Dramatik von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung öffentlich und politisch so wenig thematisiert werden. (interessant hierzu: https://www.welt.de/politik/deutschland/article155810700/Prostitution-als-exorbitantes-Geschaeftsmodel.html )

Die Positionen der Vertreter*innen eines Verbots ("Schwedisches Modell") und einer Entkriminalisierung/Anerkennung ("Kampf um Respekt") zum Thema Prostitution stehen einander diametral gegenüber. Die Kritik am "Schwedischen Modell" besteht u.a. darin, den Blick auf Frauenausbeutung zu reduzieren, Formen und Verbände der "freiwilligen Sexarbeit" zu negieren und Prostituierte pauschal zu kriminalisieren, statt zu unterstützen. Umgekehrt argumentieren Vertreter*innen der Verbotsposition, dass jede Form von Prostitution nicht freiwillig, sondern durch (gesellschaftliche) Gewalt(verhältnisse) zustande kommt. Beide Positionen sind nicht miteinander vereinbar und werden durch organiserte Gruppen vehement vertreten. Einen aus meiner Sicht guten Überblick, auch der geltenden Rechtslage, findet man z.B. unter https://menschenhandelheute.net/was-ist-menschenhandel/menschenhandel-prostitution-sexarbeit/

Zusammengefasst sehe ich beim Thema Menschhandel und Ausbeutung ganz dringenden Handlungsbedarf, beim Thema Prostitution Hilfs-, Regelungs- und Diskussionbedarf, weshalb aus einer Anhörung auch dringend notwendige Konsequenzen zu ziehen wären.

Mit solidarischen Grüßen

Adrian Gabriel - Landesvorstand DIE LINKE Hessen