Ralf Kapschack
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Frage von Otto M. •

Frage an Ralf Kapschack von Otto M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Kapschack,

waren Sie bei der Abstimmung zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz anwesend, und wie haben Sie abgestimmt?

Ralf Kapschack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 12. September 2017 zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

Zunächst einmal: Ich war bei der Abstimmung anwesend und habe auch mit ja gestimmt. Gerne möchte ich Ihnen im Folgenden kurz erläutern, warum ich entsprechend abgestimmt habe.

Das Recht auf Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und schützt den offenen Diskurs in einer lebendigen Demokratie. Allerdings endet für mich im Zweifel die Meinungsfreiheit da, wo die Würde des Menschen beginnt. Für strafbare Hetze, Verunglimpfung oder Verleumdung darf in den sozialen Netzwerken genauso wenig Platz sein, wie auf der Straße. Das Anliegen des Gesetzes, die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern, unterstütze ich daher.
Bei der Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird oft übersehen, dass dieses keine neuen Straftatbestände und auch keine neue Löschverpflichtung für soziale Netzwerke schafft, sondern lediglich die bereits bestehenden Pflichten konkretisiert hat. So haben Betreiber von sozialen Netzwerken bereits vorher gehaftet, wenn sie nicht tätig geworden sind, sobald sie von Rechtsverletzungen ihrer Nutzer Kenntnis bekommen haben. Allerdings hat sich gezeigt, dass bisherige Instrumentarien und Selbstverpflichtungen nicht ausreichend greifen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz setzt verbindliche Standards für ein wirksames und transparentes Beschwerdemanagement. Betreiber sozialer Netzwerke werden verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte spätestens 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren, in komplizierten Fällen soll binnen 7 Tagen entschieden werden. Hierzu müssen sie ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte anbieten und die Beschwerden unverzüglich zur Kenntnis nehmen sowie auf strafrechtliche Relevanz prüfen. Zum Umgang mit Beschwerden über strafbare Inhalte auf ihren Plattformen müssen soziale Netzwerke künftig öffentlich Bericht erstatten. Mit dem Gesetz schaffen wir zudem die Verpflichtung für Unternehmen, in Deutschland eine Zustellperson für Klagen und Strafverfahren zu benennen. Das ist ein Meilenstein im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet. Zuwiderhandlungen gegen diese Verpflichtungen werden darüber hinaus mit empfindlichen Bußgeldern geahndet.

Natürlich habe ich mich im Vorfeld meiner Entscheidung mit der geäußerten Kritik auseinandergesetzt. Ich weiß, dass es zahlreiche Bedenken gegen den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung gab und auch seitens der SPD-Bundestagsfraktion wurde im parlamentarischen Verfahren insbesondere thematisiert, wie das befürchtete ‚Overblocking‘ und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ausgeschlossen werden können. Wir haben daher zahlreiche Vorschläge der Anhörung aufgegriffen und das Gesetz an entscheidenden Stellen verändert.

Eine der wichtigsten Änderungen ist die Öffnung des Gesetzes hinsichtlich der Etablierung einer regulierten Selbstregulierung. So soll über ein unabhängiges Gremium eine staatsferne Entscheidungspraxis hinsichtlich der möglichen Rechtswidrigkeit von Inhalten geschaffen werden. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass die Anbieter zum Richter über die Meinungsfreiheit werden. Hierbei muss es sich um eine anerkannte Eirichtung der regulierten Selbstregulierung handeln. Voraussetzung für eine Anerkennung sind vor allem Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüfer sowie eine sachgerechte Ausstattung, die eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des gemeldeten und übertragenen Inhalts nach sieben Tagen ermöglicht. Es müssen Vorgaben für das Prüfverfahren, eine Verfahrensordnung sowie eine Beschwerdestelle bestehen. Die Entscheidungsgremien sollen plural besetzt werden unter Einbeziehung der nach § 59 Absatz 2 des Rundfunkstaatsvertrags der Länder zuständigen Aufsichtsbehörden (Landesmedienanstalten). Die Entscheidung über die Anerkennung einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung trifft das Bundesamt für Justiz. Diese staatsferne und unabhängige Stelle wird verbindlich für die Unternehmen entscheiden, die sich der regulierten Selbstregulierung anschließen.

In der Begründung des Änderungsantrages haben wir dies nochmals klarer gefasst und deutlich gemacht, dass Inhalte nur dann offensichtlich rechtswidrig sind, „wenn die Rechtswidrigkeit ohne vertiefte Prüfung, d. h. von geschultem Personal in der Regel sofort, mit zumutbarem Aufwand aber in jedem Fall binnen 24 Stunden erkannt werden kann.“ Verbleiben danach Zweifel in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, liegt keine offensichtliche Rechtsverletzung vor. Bei Fällen, in denen beispielsweise Rechtsfertigungsgründe geprüft und Stellungnahmen eingeholt werden müssen, weil die Offensichtlichkeit nicht ohne vertiefte Prüfung festgestellt werden kann, soll diese Prüfung „in der Regel“ innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Genau diese schwierigen Fälle können seitens der Netzwerke auch in das zu etablierende System der regulierten Selbstregulierung zur Prüfung übergeben werden.

Bußgelder werden zudem nur verhängt, wenn soziale Netzwerke kein taugliches Verfahren zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten vorhalten, nicht aber bei der Nichtlöschung einzelner strafbarer Inhalte. Überprüft werden müssen neben dem objektiven Straftatbestand auch mögliche Rechtfertigungsgründe, so dass – gerade wenn es um Meinungsäußerungen geht – auch der Kontext in die Überprüfung einbezogen werden muss. Dies sind wichtige Maßnahmen zum Schutz der Meinungsfreiheit. Ich bin mir sicher, dass mit diesen Änderungen die Vorwürfe, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu einer Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen, weitestgehend ausgeräumt sind und dass das Gesetz gesellschaftliche Akzeptanz finden wird. Gesetzliche Regelungen allein aber reichen nicht aus, notwendig ist über dieses Gesetz hinaus auch ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement, um gegen Rechtsverletzungen wie Hassrede, Verunglimpfung o.ä. vorzugehen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen die Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten ersichtlich machen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Kapschack