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Volkan Baran
SPD
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/ 2 Fragen beantwortet
Frage von Anja R. •

Wie gewichten Sie die Punkte Agrarwende, Energiewende, Verkehrswende, Erhalt der Artenvielfalt & Flutschutz aber auch soz. Ausgleich durch Umverteilung bei gleichzeitiger Bekämpfung v. Lobbyismus?

Sehr geehrter Herr Baran,
sehr wichtig ist mir bei Ihrer Klimapolitik, wie Sie verhindern wollen, dass dabei Profit-Lobbyismus über wissenschaftliche Expertise, Fairness und soziale Gerechtigkeit siegt,
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit erwartungsvollen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau R.

vielen Dank für Ihre Anfrage per Abgeordnetenwatch.

Ich muss mich in aller Form entschuldigen, dass die Antwort so spät kommt, ich habe das schlicht übersehen und nun bei der Beantwortung einer aktuelleren Frage entdeckt. Wenn Sie weitere Fragen haben, dann schicken Sie mir auch gerne zusätzlich eine E-Mail, dann kann ich Rückfragen stellen und ich sehe das schneller. Trotzdem möchte ich die Antwort auf Ihre Frage nachliefern.

Als SPD-Fraktion sind uns alle von Ihnen genannten Wenden (Agrarwirtschaft, Energie, Verkehr, Schutz von Biodiversität sowie sozialer Ausgleich durch Umverteilung wichtig. Wir haben sie für unsere Arbeit unter dem Begriff der „Transformation“ zusammengefasst. Gerade wir in Nordrhein-Westfalen mit unserer Bergbauvergangenheit wissen, dass nur durch umfangreiche strukturelle Veränderungen Fortschritt passieren kann. 

Deshalb sind wir als SPD dazu bereit und haben Pläne um genau diese Veränderungen vorzunehmen. Wir wollen die Klimaschutzziele erreichen und – noch wichtiger - der menschlichen Verantwortung für den Planeten, die Umwelt und die künftigen Generationen gerecht werden. Exemplarisch wäre da das Ziel der Klimaneutralität 2045 zu nennen, für das wir am besten heute noch die Weichen stellen müssen.

In unserer Fraktion haben wir, weil wir diese Veränderungen themenübergreifend für entscheidend halten, eine Arbeitsgruppe aus Politiker:innen  aus Agrar-, Verkehrs-, Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik gebildet, die sich u.a. mit den wichtigen Schnittstellen und nötigen Veränderung beschäftigen. Die Mitglieder versuchen diese in ihren jeweiligen Ausschüssen voranzubringen. Da wir gegenwärtig in der Opposition sind, geht das nicht so glatt, wie wir uns das wünschen würden.

Für uns gibt es innerhalb der Themen keine Hierarchie oder Reihenfolge, weil sich vieles gegenseitig bedingt und miteinander Wechselwirkungen erzeugt.

Die Dringlichkeit der Wende sorgt auch dafür, dass wir als demokratisch gewählte Politiker:innen an einige Stellen abwägen oder Ausgleiche im Sinne der Menschen in NRW finden müssen. Der Ausbau Erneuerbarer Energien ist entscheidend für unser Land, weshalb wir uns für den Ausbau von Windkraft im Wald aussprechen – um ein Beispiel zu nennen.  Trotzdem bleibt der Artenschutz in Anbetracht des Artensterbens wichtig. Wir wollen Ausgleichsmöglichkeiten finden und vermeintliche Widersprüche miteinander in Einklang bringen. Unsere Möglichkeiten und unser Wissen entwickelt sich weiter, deshalb müssen wir regelmäßig überdenken, ob unsere Lösungen (mit dem Wissensstand) von gestern, noch für die Probleme von heute geeignet sind.

Für uns als SPD ist bei der Gestaltung der Transformation entscheidend, dass alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden:

Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Nur eines, der Ziele zu erreichen, ist nicht genug.

Klimaschutz wird von FDP und CDU - die AfD möchte ich hier bewusst aussparen, weil sie schon den Minimalkonsens, dass es notwendig ist das Klima zu schützen, verweigert-oft als Wachstumsbremse geframt.  Das ist aber falsch, denn er kann durchaus auch ökonomisch wertvoll sein, wenn wir das entschieden tun, mit dem Anspruch Vorreiter zu werden. Wenn wir zeigen, dass wir einen klimaneutralen Industriestandort in NRW 2045 erreichen wollen, dass wir Produktionsprozesse viel konsequenter in Kreisläufe überführen und neu zusammensetzen wollen.

Für die SPD ist wichtig, dass die soziale Dimension nicht aus den Augen verloren wird, diese Einschätzung teilen nicht alle demokratische Parteien. Wir kümmern uns um eine sozial gerechte Energiewende, damit die Mieter:innen in NRW nicht überfordert werden, wenn die Heizung getauscht werden muss oder das Gebäude saniert wird.

Nicht nur E-Autos und Solaranlagen für Hausbesitzer:innen dürfen gefördert werden, sondern wir müssen sicherstellen, dass die Förderungen alle erreichen, z.B. durch die Möglichkeiten für Balkonsolaranlagen, finanzielle Beteiligung am Windradausbau für Anwohner:innen durch ermäßigte Strompreise, nicht nur als Investitionsmöglichkeit.

Klimaerwärmung trifft vor allem Menschen, die weniger wohlhabend sind und weniger Unterstützung haben- sowohl global gesehen, als auch bei uns nebenan. Und es spiegelt sich in allen anderen Transformationen wieder, wie der Verkehrs- oder Agrarwende. Die Verteilung und Art der Ernährung verläuft auch sozial ungerecht und damit verbunden sind ungleiche Verteilungen von Gesundheit, Lebensqualität und am Ende auch Lebenserwartung.  Über eine sozial gerechtere Ernährung kommen wir weiter zu einem Wandel in der Landnutzung und der Landwirtschaft; kurz: zu der von uns anvisierten umwelt-, tier- und klimafreundlichen Agrarwende.

Zu dem in Ihrer Frage thematisierten Lobbyismus komme ich nun. In unserer Gesellschaft gibt es Interessensvielfalt. Wir als Politiker:innen sind darauf angewiesen, dass uns Menschen ihre Positionen vorstellen und verständlich machen, damit wir daraus unsere Position bilden können. Interessen werden dabei zweifelsohne unterschiedlich laut artikuliert, was auch mit den finanziellen Mitteln zusammenhängt, die hinter den Interessen stehen.  Unsere Aufgabe ist es eingedenk dieser Tatsache mit der Meinungsvielfalt umzugehen, aber eine Position weder zu verwerfen, noch unkritisch zu übernehmen, nur weil sie finanzstark unterstützt wird.

Beim Klimawandel und in der Klimapolitik agieren wir auf dem Boden  naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und sind deshalb stets im Austausch mit Wissenschaftler*innen – ob zur Nutzung der Erdwärme, zum Wasserstoffhochlauf, zum Auslaufen der Kernenergie, zur Wirkung der CO2-Bepreisung oder zum Naturschutz. Der aktuelle, wissenschaftliche Forschungsstand ist also die Basis politischer Entscheidungen. Für uns ist die wissenschaftliche Expertise also nicht eine gleichzusetzende Meinung unter anderen, und deshalb auch nicht durch „Wirtschaftslobbyismus“ zu widerlegen oder außer Kraft zu setzen.

Ich sehe es aber auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse als unsere Pflicht an existierende gesellschaftliche Interessen einbinden, um Akzeptanz (z. B. für den Klimaschutz, aber auch für das politische System insgesamt) zu schaffen, die politische Durchsetzbarkeit und damit die Umsetzbarkeit eines praktischen Weges sicherzustellen. Denn die wissenschaftliche Erkenntnis an sich, ist noch nicht die Transformation, sondern nur der erste Schritt.

Die Energiewende führt von der Erkenntnis, was es klimapolitisch alles für Zielwerte einzuhalten gilt, dahin, wie man diese Werte auf einem sozial gerecht Wege erreicht, der die Leute mitnimmt und technisch möglich ist.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage damit – wenn auch spät – so beantworten konnte, dass Sie alle Informationen bekommen haben. Sollten noch Fragen offen sein, schreiben Sie mir gerne, ich behalte die Seite im Auge.

Mit freundlichem Gruß

Volkan Baran

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