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Andrea Lindholz
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Frage von Johannes H. •

Frage an Andrea Lindholz von Johannes H. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Lindholz,

Zahlreiche Berichte über die mangelnde Verfolgung von "Tätern in Uniform" (so der Titel einer kürzlich veröffentlichten Reportage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks), die extrem geringe Zahl der verurteilten Straftäter bei der Polizei und viele weitere Indizien für einen massiven Missstand untergraben das Vertrauen und damit auch die Handlungsfähigkeit der Polizei, auch der Bundespolizei. So hat eine Forsa-Umfrage Anfang des Jahres ergeben, dass mehr als jeder fünfte Befragte der Polizei nicht vertraut.

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) bezeichnet rechtswidrige Gewaltanwendung bei der Polizei als "alltägliches Phänomen" und identifiziert sie als "strukturelles Problem". Ein bekanntes Mitglied der Union mahnt an, dass viele Sicherheitsbeamte in das rechte Milieu abrutschen würden. Das schwächt das Vertrauen in die Polizei weiter.

Das Menschenrechtskomitee der UN mahnt seit vielen Jahren an, dass es in Deutschland keine unabhängigen Beschwerdestellen für Fehlverhalten bei Polizei und Sicherheitsbehörden gäbe. Einige Bundesländer haben inzwischen Ombudsleute eingesetzt, die in eine solche Funktion innehaben. Institutionen dieser Art werden als internationaler Standard zur Sicherung der Menschenrechte angesehen.

Da in Deutschland selbst ein Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei von einer "reflexhaften Inschutznahme" durch die Polizeiführung sprach (SZ online, "Führungsfehler und falscher Korpsgeist", 2013), erscheint es zwingend notwendig unabhängige Instanzen zu schaffen, die der rechtsstaatlichen Aufklärung von Polizeigewalt dienen.

Solche Maßnahmen würden auch der Vielzahl an rechtschaffenen Beamtinnen und Beamten eine Möglichkeit bieten Fehlverhalten anzuzeigen, ohne interne Repression, Mobbing oder Schlimmeres befürchten zu müssen.

Warum verweigern die Unionsparteien sich seit viele Jahren solchen Initiativen, zuletzt bei der im Bundestag debattierten Drucksache 19/7928?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr H.,

Ihre pauschalen, undifferenzierten und im Übrigen ohne überprüfbare Quellenverweise versehenen Anwürfe gegen die Polizei in Deutschland halte ich nicht nur für befremdlich, sondern möchte dem dadurch erweckten Eindruck auch mit allem Nachdruck widersprechen. Die deutsche Polizei leistet insgesamt großartige Arbeit. Deutschland gehört zu den sichersten Ländern der Welt. Die Kriminalitätsrate lag laut PKS 2018 auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Gleichzeitig genießt unsere Polizei entgegen Ihren Behauptungen in der Bevölkerung großes Ansehen. Laut dem Standard Eurobarometer der Europäischen Kommission hatten im Herbst 2018 rund 87 Prozent der Deutschen Vertrauen in die Polizei. Das sind beeindruckende Werte, die für sich sprechen und im Übrigen Ergebnis eines positiven Trends sind, denn dieses Vertrauen in unsere Polizeibehörden steigt seit Jahren signifikant an. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/377233/umfrage/umfrage-in-deutschland-zum-vertrauen-in-die-polizei/

Die Verfolgung von Straftaten obliegt im deutschen Rechtsstaat der Staatsanwaltschaft und unabhängigen Gerichten. Zusätzliche Parallelstrukturen, wie die Grünen in dem von Ihnen genannten Gesetzentwurf alle Jahre wieder fordern, sind nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht völlig abwegig. Die Grünen wollen eine Art Superbeamten schaffen, der sich ohne richterlichen Beschluss über grundlegende Bürgerrechte von Polizeibeamten hinwegsetzen können soll. Selbst wenn man die vielen verfassungsrechtlichen Schwächen beseitigen würde, bietet eine solche neue Institution keinen realen Mehrwert. Allein in der Bundespolizei gibt es bereits 18 unterschiedliche Stellen, die Beschwerden bearbeiten. Schon vor Jahren wurde eine besondere Beschwerdestelle direkt beim Bundespolizeipräsidenten Dr. Romann eingerichtet. Dorthin können sich Bundespolizeibeamte vertrauensvoll wenden, um internes Fehlverhalten vertraulich anzuzeigen und die von Ihnen erwähnten Repressionen innerhalb der eigenen Dienststelle zu umgehen. Auch auf Landesebene ist man in diesem Punkt stark sensibilisiert. Das zeigte sich zum Beispiel Anfang dieses Jahres bei der konsequenten Verfolgung der unsäglichen Verfehlungen einiger Angehöriger eines USK in Bayern, die infolge einer externen Anzeige aufgedeckt wurden. Hier haben einige wenige Beamte den Ruf von rund 40.000 Beschäftigten bei der Bayerischen Polizei geschädigt. So schwer diese Verfehlungen im Einzelnen auch wiegen, sie rechtfertigen sicherlich keine pauschale Diskreditierung der Polizei in Bayern geschweige denn in Deutschland.

Natürlich gibt es auch innerhalb der deutschen Polizei ernsthafte Verfehlungen bis hin zu handfesten Straftaten. Diese müssen selbstverständlich von der Staatsanwaltschaft sauber aufgeklärt und von unabhängigen Gerichten geahndet werden. Rechtsgrundlage dafür sind unser Strafrecht und unser Disziplinarrecht. Allerdings stelle ich mich dem von Ihnen erweckten Eindruck entgegen, dass die rund 250.000 Polizeibeamten von Bund und Ländern latent gewalttätig wären und etwaige Straftaten systematisch vertuscht würden. Ein solches Misstrauen ist nicht gerechtfertigt und wird im Übrigen von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung völlig anders beurteilt.

In diesem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass auch Parteien wie Grüne oder Linke, die regelmäßig versuchen, die Polizeiarbeit in Deutschland zu diskreditieren oder zu erschweren, auch einmal konstruktive Vorschläge unterbreiten würden, was man denn gegen die wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei und Rettungskräften, selbst ehrenamtlichen Ersthelfern tun kann. Über das Ausmaß dieser Gewalt können Sie sich im Bundeslagebild des BKA informieren. https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/GewaltGegenPVB/GewaltGegenPVBBundeslagebild2018.html;jsessionid=7F0615E63219856A68B835926D0692DB.live2301?nn=60092

Angesichts der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Teilen der Bevölkerung haben die Polizeibeamten Unterstützung von Politik und Gesellschaft verdient anstatt sie unter Generalverdacht zu stellen und unser Justizsystem pauschal abzuwerten.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz MdB
Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat

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