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Sevim Dağdelen
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Frage von Dietrich K. •

Frage an Sevim Dağdelen von Dietrich K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Dagdelen

Stimmt es, dass türkische Spitzel bzw. „Geheimagenten“ in der BRD agieren können? Gibt es rechtlich gesehen keine strikte Regeln die diplomatische Vertretungen einhalten müssen? Wieso darf man türkische Vertretungen nicht schliessen wenn diese Ihre Autorität für Nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung nutzen? Gibt es da nicht was die Opposition dagegen tun kann?

Vielen dank für Ihre Bemühungen.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr K.,

der türkische Geheimdienst MIT entfaltet seine stärksten Auslandsaktivitäten dort, wo Millionen türkische Migrantinnen und Migranten leben. 1 bis 2 Prozent aller türkischen Wahlberechtigten leben im Ausland. Besonders interessant sind Länder wie Deutschland und Holland, weil hier eine starke Migration aus der ersten Generation lebt. Mit drei von fünf Millionen sogenannter Auslandstürken ist Deutschland dabei das größte und wichtigste Land. Die Bundesregierung hat auf mehrere Fragen einräumen müssen, dass der MIT seine Spionagearbeit in Deutschland im Zuge des Putschversuchs ausgeweitet und intensiviert hat.

Gegnerinnen und Gegner der türkischen Regierungspartei AKP und von Recep Tayyip Erdogan in Deutschland sollen bekämpft und es soll für den nationalistisch-islamistischen Kurs in der Türkei geworben werden. Nicht neu ist, dass sich der türkische Geheimdienst MIT dabei ziemlich ungeniert auf diplomatische Einrichtungen der Türkei in Deutschland stützt, aber auch auf Institutionen wie DITIB, Milli Görüs, die UID (früher: UETD) oder der Islamischen Föderation. Allerdings konnte bzw. wollte die Bundesregierung bislang nicht bestätigen, dass für den MIT in Deutschland bis zu 6.000 Mitarbeiter und Informanten arbeiteten.

Sofern „Diplomaten“ statuswidrige Aktivitäten nachgewiesen werden, kann dies zur Ausweisung der betreffenden Personen aus Deutschland führen. Gemäß Art. 9 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) kann Deutschland beispielsweise der Türkei „jederzeit ohne Angabe von Gründen notifizieren, dass der Missionschef oder ein Mitglied des diplomatischen Personals der Mission Persona-non-grata ist.“ In diesen Fällen müsste die Türkei die betreffende Person entweder abberufen oder ihre Tätigkeit bei der Mission beenden. Abgesehen von der Erklärung zur Persona-non-grata ist die Person des diplomatischen Vertreters unverletzlich – selbst wenn er die Gesetze des Empfangsstaates missachten sollte (Art. 29 WÜD). Er unterliegt keiner Festnahme oder Haft irgendwelcher Art. Solange der Entsendestaat nicht ausdrücklich auf die Immunität ihres Diplomaten verzichtet (vgl. Art. 32 WÜD), genießt dieser gem. Art. 31 WÜD Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaates.

Unter „befreundeten“ Staaten erfolgt dieses diplomatische Mittel in der Vergangenheit jedoch eher dezent, wie zum Beispiel die Spionage der NSA in Deutschland deutlich gezeigt hat. Noch weniger in Frage kam die Schließung von diplomatischen oder konsularischen Missionen. Diese stellen – entgegen oft vertretener Auffassung – kein „extraterritoriales“ Gebiet dar. Art. 4 des WÜD bestimmt: „Eine konsularische Vertretung kann im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats nur mit dessen Zustimmung errichtet werden.“ Entsprechend kann sie auch geschlossen werden.

DIE LINKE im Bundestag fordert seit langem, dass es gegen Erdogans Netzwerk in Deutschland aus Agenten, Kriegsvorbetern in den DITIB-Moscheen, Lobbygruppen wie dem AKP-Ableger UID und den faschistisch-islamistischen Grauen Wölfen null Toleranz geben darf. Es ist ein Skandal, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer den vom Bundestag erteilten Prüfauftrag zum Verbot der Grauen Wölfe bis heute verschleppt.

Mit besten Grüßen

Sevim Dagdelen

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