Warum ist es nicht möglich einzelne, gesichert rechtsextreme Politiker vom politischen Handeln auszuschließen?
Sehr geehrter Herr Hartmann,
Wenn es nicht möglich ist, die AfD zu verbieten, weil sie nur in Teilen rechtsextrem sein soll, warum ist es nicht möglich einzelne, gesichert rechtsextremen Politikern, vom politischen Handeln auszuschließen?
mit freundlichen Grüßen
Annette F.

Sehr geehrte Frau F.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Frage.
Der Schutz unserer Demokratie vor ihren Feinden ist eine zentrale Aufgabe des Rechtsstaates. Zugleich bindet uns das Grundgesetz bewusst an hohe rechtsstaatliche Standards – gerade auch, wenn es um Maßnahmen gegen extremistische Bestrebungen geht.
Ein Parteienverbot, wie es aktuell im Zusammenhang mit der AfD diskutiert wird, unterliegt strengen Voraussetzungen. Es muss nachgewiesen werden, dass eine Partei nicht nur in Teilen, sondern in ihrer Zielsetzung und ihrem tatsächlichen Handeln darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Diese Hürde ist hoch – zu Recht, denn Parteienfreiheit ist ein zentrales Element unserer Demokratie.
Zwar können auch Einzelpersonen grundsätzlich ihre Wählbarkeit verlieren, diese Möglichkeit sieht § 45 des Strafgesetzbuches (StGB) vor. Demnach kann jemand, der wegen bestimmter schwerwiegender Straftaten verurteilt wurde – etwa wegen Volksverhetzung, Gewalttaten oder Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat – die Fähigkeit verlieren oder ihr diese aberkannt bekommen, öffentliche Ämter zu bekleiden, zu wählen und gewählt zu werden. Diese Maßnahme greift aber nur nach einer strafrechtlichen Verurteilung, der Rechtsverlust beträgt maximal fünf Jahre und setzt damit eine gerichtsfeste Grundlage voraus.
Das Grundgesetz sieht in Artikel 18 die Verwirkung bestimmter Grundrechte vor, wenn jemand sie zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht. Auch das ist ein sehr scharfes Schwert des Rechtsstaates mit besonders strengen Hürden, welche bewusst sehr hoch angesetzt sind. Der Entzug von Grundrechten kann nur auf Antrag durch den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung oder einer Landesregierung erfolgen. Über den Fall entscheidet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dabei muss das Gericht in einer Gefahrenprognose prüfen, ob von der betreffenden Person tatsächlich eine ernsthafte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist außerdem gering, die Verwirkung von Grundrechten wurde bislang in keinem Fall ausgesprochen, der Norm kommt somit vor allem eine Appell- und Signalfunktion zu.
Die Einstufung einzelner Personen als gesichert rechtsextrem ermöglicht weder nach § 45 StGB noch nach Art. 18 GG den Ausschluss vom politischen Handeln. Willkür darf es in keinem Fall geben – das unterscheidet unseren demokratischen Rechtsstaat von autoritären Systemen. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, diese kann und darf sich aber nur durch Recht durchsetzen. Umso wichtiger ist es daher, dass wir politisch, zivilgesellschaftlich und juristisch konsequent gegen rechtsextreme Netzwerke, Hetze und Gewalt vorgehen – sei es durch Aufklärung, klare Haltung, Strafverfolgung oder disziplinarrechtliche Schritte bei Amtsträgern.
Ich setze mich dafür ein, dass der Staat alle Mittel nutzt, die uns das Grundgesetz und das Strafrecht bieten – entschlossen, aber immer auf dem Boden der Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann