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Olav Gutting
CDU
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Frage von Andreas K. •

Frage an Olav Gutting von Andreas K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gutting,

zuerst möchte ich Ihnen danken, dass Sie (aktuell) 12 von 14 Fragen auf abgewordnetenwatch.de, teils sehr ausführlich, beantwortet haben.

Meine Frage bezieht sich darauf, dass trotz der teils sehr massiven Sparmaßnahmen im sozialen Bereich die Gehälter von "Angestellten" der Kirche, wie z.b. Bischöfen immer noch (und ohne Kürzungen) vom Staat bezahlt werden.

Laut Spiegel-TV hat in 2009 das Land Baden-Württemberg je 49 Millionen Euro an jede der großen Kirchen im Land für Gehälter bezahlt ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,699422,00.html ).

Finden Sie persönlich das noch zeitgemäß?
Was plant Ihre Fraktion diesbezüglich in Zukunft zu ändern, da ja laut Grundgesetz diese Staatsleistungen irgendwann enden sollen.

Die Gesamt-Haushalte der Kirchen betrachtet, werden für Soziales, Schulen, Bildung zwischen 10 und 20% aufgebracht, bei 60-70% Personalkosten - ich persönlich empfinde diese Zahlen als erschreckend.

Viele Grüße aus Altlußheim

Andreas Krauß

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Krauß,

für Ihre Anfrage vom 17. vorigen Monats, in der Sie über das Portal „Abgeordnetenwatch“ eine Stellungnahme zum Thema „Kirchenfinanzen“ von mir erbeten haben, danke ich Ihnen.

Sie werden es mir bitte nachsehen, wenn ich in meiner Antwort nicht alles, was mit der Besoldung des kirchlichen Personals und mit der Finanzierung anderer kirchlicher Aufgaben zusammenhängt, im Detail zur Sprache bringe. Wenn Sie sich mal das Vergnügen machen, zu der von Ihnen angesprochenen Thematik zu googeln, dann werden Sie feststellen, dass zahlreiche renommierte Kirchenrechtler ihre zum Teil recht unterschiedlichen Auffassungen zu dem Themenkomplex geäußert haben und zwar nicht in kurzen Stellungnahmen, sondern in ausführlichen wissenschaftlichen Abhandlungen. Daher kann eine Stellungnahme in diesem Portal nur ansatzweise auf vom Fragesteller skizzierte Problemstellungen eingehen.

Was die von Ihnen angesprochenen Kürzungen der Besoldung von Kirchenoberen betrifft, so frage ich mich, wie Sie das anstellen wollen. Der für die Besoldungspolitik zuständige Innenminister oder die jeweilig zuständige Landesregierung können doch auch nicht hingehen und den Beamten bzw. den öffentlichen Bediensteten das monatliche Gehalt zusammenstreichen. Man kann Ministerialzulagen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und ähnliche Zulagen kürzen, aber auch nicht mehr. Im Übrigen werden von einigen Ausnahmen abgesehen nur die obersten kirchlichen Würdenträger (z.B. Bischöfe) direkt vom Staat bezahlt. Alle anderen Bediensteten werden mehr oder minder über die Einnahmen aus der Kirchensteuer, die der Staat für die beiden großen Kirchen erhebt und einfordert, finanziert. Für die Einziehung der Kirchensteuer berechnet der Fiskus im Übrigen 4 Prozent. Die Einziehung ist also für die Kirchen nicht kostenlos.

Die beiden großen Kirchen kommen seit Jahren ohnehin nicht mehr ohne den sog. Rotstift aus, denn bedingt durch die zahlreichen Kirchenaustritte werden die Einnahmen aus der Kirchensteuer von Jahr zu Jahr geringer. Das schlägt sich selbstverständlich in den kirchlichen Haushalten nieder und zwingt zu Sparmaßnahmen.

Was Ihre zweite Frage angeht, so gilt es erst einmal festzustellen, die vom Staat für die Kirchen, auch für die freien Kirchen und Religionsgemeinschaften bereitgestellten Zahlungen gehen auf Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche auf eine Zeit zurück, als man den Kirchen den weltlichen Besitz wegnahm - dieser Beschluss stammt aus dem Jahr 1803.
Am 25. Februar 1803 enteignete die Reichsdeputation in Regensburg die alte Reichskirche mit ihrem enormen Besitz: Es ging um vier Erzbistümer, 18 Bistümer, 80 reichsunmittelbare Abteien und mehr als 200 Klöster. Mit diesen Immobilien wurden die weltlichen Fürsten für jene Gebiete entschädigt, die sie an Napoleon hatten abtreten müssen. Bayern erhielt das Siebenfache, Preußen das Fünffache des Verlorenen. Im Gegenzug bekommen seither die Kirchen für ihre Vermögensverluste jährliche Zahlungen aus der Staatskasse.

Dass die Vereinbarung auch 200 Jahre später noch gilt, daran habe damals niemand gedacht, erklärt Professor Horst Herrmann, Experte für Kirchenrecht. Trotzdem stelle seit jeher niemand das Abkommen in Frage: "Das Kaiserreich hat gezahlt, die Weimarer Republik hat gezahlt, Hitler hat gezahlt und die Bundesrepublik zahlt immer noch", so Herrmann.

Ihre dritte Frage lautet: Ist das gesamte Finanzgebaren noch zeitgemäß? In der Tat sieht das Grundgesetz vor, dass die Zahlungen vom Staat an die Kirche irgendwann ein Ende haben sollen - ein genauer Zeitpunkt wurde aber nicht festgelegt Die Staatsleistungen - so heißt es in der Weimarer Reichsverfassung - an die Kirchen sind entsprechend dem Verfassungsauftrag von den Bundesländern abzulösen (Art. 138 Abs. 1 WRV. Der Ablösungsauftrag ist bis heute nicht ausgeführt worden. Er hat sich vielmehr zu einer „Bestandsgarantie auf Widerruf“ entwickelt. Die Höhe der Staatsleistungen ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Sie dienen vornehmlich zur Bestreitung der Personal- u. Sachausgaben für die allg. kirchliche Verwaltung, gewisse Zuschüsse zur Pfarrbesoldung und Versorgung und Kulturbaulasten, die dem Unterhalt kirchlicher Gebäude dienen, etc. Die Ablösung lässt sich juristisch nicht in einem einseitigen Willensakt bekunden und durchführen. Hierfür ist vielmehr eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Bundesland und Kirche erforderlich. Außerdem müsste die Kirche dann entsprechend entschädigt werden. Bei solchen Verhältnissen kommt man mit dem Begriff „zeitgemäß“ nicht sonderlich weiter.

Zu Ihrer vierten Frage: Ich nehme an, sie finden es erschreckend, dass von den für die kirchlichen Aufgaben bereitgestellten Geldern (wie z.B. für Kindergartenarbeit, ambulante Krankenpflege, Altenbetreuung, Bildungsarbeit, etc.) mehr als 60 Prozent für Personalkosten zu veranschlagen sind. Das ist in der Tat bedenklich, aber nennen Sie mir bitteschön eine Verwaltungseinheit, die sich vornehmlich mit Dienstleistungen, also mit personalintensiven Tätigkeiten beschäftigt, wo dies nicht der Fall ist.

Man könnte sich über die Thematik noch stundenlang unterhalten, sie ist umfassen und vielgestaltig, aber ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen ein wenig dienlich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Olav Gutting, MdB

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