Was werden Sie unternehmen, damit Frau Brosius-Gersdorf schnellstmöglichst gewählt wird und die Hetzkampagne von rechten Influencern unsere Demokratie nicht weiter beschädigt?
Sehr geehrter Herr Frieser,
es war ja von Anfang an unumstritten, dass Frau Brosius-Gersdorf eine angesehene, kompetente Kandidatin für das Verfassungsgericht ist, auf die sich auch alle Parteien geeinigt haben.
Es war schmerzhaft anzusehen, wie sich die CDU/CSU hier selbst demontierte und auf eine Hetzkampagne von rechtsreaktionären Kreisen hereingefallen ist, ohne dass Merz oder Spahn fähig waren, die Brandmauer gegen rechts zu halten.
Sollte die Hetzkampagne Erfolg haben, wäre in Zukunft JEDER eine mögliche Zielscheibe, denn Lügen kann man (wie im Falle von Brosius-Gersdorf) über jeden erfinden.
Daher kann die Antwort nur sein, sie nun so schnell wie möglich in einer Sondersitzung mit klarer Mehrheit zu wählen.
Ich hoffe, Sie setzen sich mit aller Kraft dafür ein, um Schaden von der Demokratie abzuwenden.

Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe mich weit vor der verschobenen Wahl vor einigen Wochen sehr ausführlich mit den Veröffentlichungen von Frau Brosius-Gersdorf auseinandergesetzt. Ihre rechtswissenschaftliche Auffassung insbesondere zum Schutz ungeborenen Lebens sind weit entfernt von meiner persönlichen Überzeugung als Christsozialer. Ich habe bereits in mehreren Interviews öffentlich bekannt, dass ich dennoch bereit gewesen wäre, Frau Brosius-Gersdorf als Kandidatin unseres Koalitionspartners zu wählen. Auch wenn ihre Argumentation nicht meinen politischen Werten entspricht, bewegt sie sich entlang einer strikt verfassungsrechtlichen Herleitung im Rahmen dessen, was auch gesellschaftlich intensiv in Deutschland diskutiert wird. Ich hielt sie - vor allem im Paket mit unserem eigenen Kandidaten mit einem klar bürgerlich-konservativen Profil - für eine vertretbare Kandidatin für das BVerfG.
Gleichzeitig verwahre ich mich entschieden gegen den Vorwurf, dass diejenigen Kollegen aus der CDU, die zu einer anderen Entscheidung zur Wahl von Frau Brosius-Gersdorf gekommen sind, "einer rechten Hetzkampagne auf den Leim gegangen sind". Wer die substantiellen Vorbehalte der Abgeordneten auf diese Weise missinterpretiert, will sich nicht ernsthaft mit den Argumenten der Kritiker auseinandersetzen. Das entschiedene Eintreten für das ungeborene Leben ist weder unlauter noch rechtsradikal, sondern zentrales Element christdemokratischer und christsozialer Identität!
Nach den intensiven Debatten der vergangenen Wochen gilt es, den Blick nach vorne zu richten. Nein, durch die kurzfristige Absage der Wahl ist keine Staatskrise entstanden. Das Bundesverfassungsgericht ist voll arbeitsfähig. Die Wahl der Richter erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit in geheimer Wahl. Es ist kein Problem, wenn solche Abstimmungsprozesse länger dauern als geplant. Richtig ist aber auch, dass wir im Laufe des Sommers eine Lösung zusammen mit der SPD finden müssen. Die Gespräche in der Union und zusammen mit dem Koalitionspartner dazu laufen. Wenn uns das nicht gelingt, geben wir die Entscheidung aus der Hand - was in jedem Fall zu einem schlechteren Ergebnis führt. Das gilt für die Besetzung des Bundesverfassungsgerichtes, aber auch generell für die Arbeit in der Koalition bzw. den angestrebten Politikwechsel bei Migration, Sicherheit und Wirtschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Frieser