Warum verteidigt die Union Steuererlasse von 3,3 Mrd. € für 45 Großvermögen (§ 28 ErbStG), während sie zugleich Ausgabenkürzungen und Sozialreformen fordert – und so Nachfrage und Wachstum schwächt?
Sehr geehrter Herr Güntzler,
laut Destatis wurden 2024 in nur 45 Fällen 3,3 Mrd. € Erbschaftsteuer erlassen – fast nur für Großvermögen. Gleichzeitig fordert Ihre Sprecherkonferenz in Kiel „strukturelle Konsolidierung“ und lehnt höhere Staatsschulden ab.
Diese Politik ist prozyklisch: Sie stärkt Sparen, schwächt Nachfrage und lähmt Investitionen. Laut KfW Research (2025) lagen die Unternehmensinvestitionen 2024 6,5 % unter 2019 – trotz Entlastungen. Das zeigen auch die Recherchen von FragDenStaat: Das Wirtschaftsministerium erörtert mit der Stiftung Familienunternehmen, wie konjunkturpolitische Steuerreformen zu blockieren seien. So wird Wirtschaftspolitik zur Interessenpolitik.
1) Wie wollen Sie Nachfrage und Wachstum stärken, wenn Sie beides fiskalisch zugleich beschneiden?
2) Welche öffentliche Investitionsoffensive planen Sie, um private Investitionen anzuregen?
3) Wann löst die Union sich von einer Politik, die Reichtum schützt und Rezession verlängert?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und die aufmerksame Beobachtung steuerpolitischer Entwicklungen. Zu Ihrer Frage möchte ich gerne Folgendes klarstellen:
1. Zum Umgang mit der Erbschaftsteuer und den erwähnten Erlassfällen
Die Erbschaftsteuer sieht – wie Sie richtig ansprechen – in § 28 ErbStG Möglichkeiten für Erlasse vor. Diese greifen ausschließlich in sehr speziellen Fällen, etwa wenn durch die Steuerzahlung die Fortführung eines Unternehmens gefährdet wäre und damit Arbeitsplätze verloren gingen. Ziel ist nicht, „Großvermögen zu schützen“, sondern Substanzbesteuerung zu vermeiden, die sonst Betriebe zerschlagen würde.
Es geht also um den Erhalt von Arbeitsplätzen und regionaler Wertschöpfung, nicht um steuerliche Privilegien Einzelner. Nach Daten des BMF macht das jährliche Aufkommen der Erbschaftsteuer rund 9 bis 10 Mrd. Euro aus – ein im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen von fast 1 Billion Euro sehr kleiner, aber sensibler Bereich.
Die Union bekennt sich ausdrücklich zu einem leistungsfähigen, aber wachstumsfreundlichen Steuerrecht. Unternehmensnachfolge und Beschäftigung dürfen nicht durch Übermaßbesteuerung gefährdet werden.
2. Zur Nachfrage, Wachstum und Konsolidierung
Eine solide Finanzpolitik und Wachstumsimpulse schließen sich nicht aus – im Gegenteil: Sie bedingen einander. Eine auf Dauer angelegte Schuldenfinanzierung schwächt Vertrauen, treibt Zinsen und verdrängt private Investitionen.
Die Union setzt daher auf Anreize für private Investitionen, weniger auf staatliche Dauersubventionen.
Unser Ansatz ist ordnungspolitisch klar:
* Entlastung bei Strom- und Unternehmenssteuern, damit Investitionen wieder rentabel werden (vgl. Koalitionsvertrag: Stromsteuersenkung, degressive Abschreibung, Senkung der Körperschaftsteuer).
* Bürokratieabbau und Digitalisierung der Steuerverfahren, damit Mittelstand und Handwerk investieren können statt Formulare auszufüllen.
* Verlässliche Haushaltsregeln, um Inflation zu vermeiden und die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern.
* Damit stärken wir die Angebotsseite der Volkswirtschaft – das ist die Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand.
3. Zu öffentlichen Investitionen und dem Sondervermögen „Infrastruktur und Verkehr“
Neben steuerlichen Anreizen braucht es eine gezielte staatliche Investitionsstrategie, um private Investitionen zu aktivieren. Wir wollen den Staat nicht durch neue Schulden, sondern durch gezielte Investitionen in Zukunftsbereiche stark machen. Dazu gehört der im Koalitionsvertrag vorgesehene Deutschlandfonds: Mit zehn Milliarden Euro Eigenmitteln und privaten Hebeleffekten bis zu 100 Milliarden Euro sollen Infrastruktur, Digitalisierung und Innovation finanziert werden.
Um private Investitionen zu mobilisieren und Engpässe zu beseitigen, setzen wir auf das SVIK: ein vom Bund eingerichtetes Sondervermögen für Infrastruktur und Verkehr mit einem Rahmen von 500 Mrd. € über rund zwölf Jahre. Es dient zusätzlichen, kreditfinanzierten Investitionen in Verkehrswege (Schiene, Straße, Brücken, Wasserstraßen), Energie- und Digitalinfrastruktur sowie modernisierte öffentliche Gebäude (u. a. Schulen, Krankenhäuser). Rechtlich ist es ein Sondervermögen des Bundes mit eigenem Wirtschaftsplan; die Grundlagen hat der Bundestag im März 2025 mit GG-Änderung und Errichtungsgesetz geschaffen.
Dazu kommt der gerade in Abstimmung befindliche Gesetzentwurf „Standortfördergesetz“, der Investmentfonds die Investitionen in Infrastruktur erleichtern soll. Wir setzen also auch hier neue Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, damit privates Kapital gebündelt in unseren Standort investiert werden kann.
4. Zum gesellschaftspolitischen Rahmen
Die Soziale Marktwirtschaft basiert auf Leistung und Verantwortung. Leistung muss sich lohnen, Eigentum verpflichtet. Unser Ziel ist, Breite und Mitte der Gesellschaft zu stärken – durch niedrigere Steuern auf Arbeit, Förderung von Wohneigentum und bessere Anreize für mehr Beschäftigung.
Eine Politik, die dauerhaft auf Umverteilung und Schulden setzt, gefährdet dagegen langfristig Beschäftigung und Stabilität.
Kurz gesagt:
Wir verteidigen keine Privilegien, sondern Arbeitsplätze. Wir wollen solide Staatsfinanzen, damit der Staat handlungsfähig bleibt. Und wir setzen auf investitions-, innovations- und leistungsfreundliche Rahmenbedingungen, um Nachfrage und Wachstum aus eigener Kraft zu stärken – nicht auf staatlich verordnete Konjunkturprogramme.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Güntzler, MdB

