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Farid Müller
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Frage von Jörg K. •

Frage an Farid Müller von Jörg K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Müller,

was genau ist für Ihre Partei die Alternative zu einer Anbindung der Hafen-City durch die U 4? Was genau würden Sie tun, wenn Sie die Wahl gewinnen? Wenn ich richtig informiert bin, ist z.B. die Hochbahnalternative ab Rödingsmarkt umfassend geprüft worden und für nicht realisierbar erachtet worden. Ausserdem scheinen selbst Ihrer Partei nahestehende Architekten das Projekt U-Bahn für unverzichtbar zu halten (siehe dazu die Zeitschrift Grün.de aus dem Juni 2007). Ausserdem scheint ja das Geld zweckgebunden zu sein, so dass es gar nicht für andere Dinge verwendet werden kann. Muss man mit einer jahrelangen Verzögerung wie bei der Flughafen-S-Bahn rechnen?

Was konkret wollen Sie kurz- und mittelfristig tun, um das bestehende ÖPNV-Netz zu optimieren? Wenn man Hamburg mit vergleichbaren Städten vergleicht, so fällt auf, dass hier - mit wenigen Ausnahmen - eher das bestehende, historische und lückenhafte U-Bahn-Netz verwaltet wird als dass es konsequent ausgebaut wird und dass bestimmte Stadtteile sehr schlecht an das U- und S-Bahn-Netz angebunden sind. München z.B. hat innerhalb der letzten 35 Jahre ein fantastisches U- und S-Bahn-Netz gebaut (unter rot-grün!), von dem wir hier wirklich nur träumen können - und dort wird konsequent weiter gebaut. Woran liegt es, dass eine finanziell eher klamme Stadt wie München das finanziell hinbekommt, im reichen Hamburg aber immer ewig diskutiert und verschoben wird? Wäre es im Sinne einer verantwortlichen Klimaschutzpolitik nicht auch in Hamburg konsequent hier endlich richtig in den U- und S-Bahn-Netzausbau, also in die Zukunft zu investieren statt immer nur herumzudoktern, zu stoppen und zu verzögern? Im Falle eines Wahlsieges Ihrer Partei: Wann gibt es dafür endlich einen richtigen Masterplan?

Danke für Ihre Antwort

Jörg Kulzer

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kulzer,

vielen Dank für Ihre Frage zur U4. Tatsächlich hängen damit wichtige Fragen für unsere Zukunft zusammen: Gelingt es uns, ein attraktives öffentliches Verkehrssystem aufzubauen? Schaffen wir die Wende weg von verstopften Straßen, hin zu entspannter Mobilität für alle? Und nicht zuletzt: Gelingt es uns, mit modernen Verkehrsmitteln den CO2-Ausstos zu drücken und damit das Klima zu schützen?

Die Antwort auf die U4 ist: So nicht! Die U4 ist zu teuer und bringt zu wenig Nutzen. Die Alternative der GAL ist eine moderne, leistungsfähige Stadtbahn - also eine oberirdische, weitgehend auf eigenen Gleiskörpern verkehrende Bahn.

Für die bislang für den U4-Bau veranschlagten 298 Millionen Euro könnte Hamburg ein 42 Kilometer umfassendes Stadtbahnnetz aufbauen. Damit ließe sich nicht nur die HafenCity besser an die Stadt anbinden, auch Steilshoop und Bramfeld sowie Barmbek und Uhlenhorst würden endlich attraktive und leistungsfähige ÖPNV-Anschlüsse erhalten. Zudem würden das Uni-Viertel, Eppendorf, Lurup, Farmsen und Rahlstedt profitieren. Dieses Konzept wurde aber leider zu keiner Zeit ernsthaft vom CDU-Senat geprüft.

Zu den Kosten: Von den 298 Millionen Gesamtkosten - mal sehen, wie die Schätzung nach den Wahlen aussieht - steuert der Bund nur 126 Millionen Euro bei. Sie sehen also, dass auch ohne den Bau der U4 Mittel in bedeutendem Umfang aus dem Hamburger Haushalt investiert werden müssen - Geld, das anderswo fehlt und sinnvoller eingesetzt werden kann, als für zwei U-Bahnhaltestellen.

Die von Ihnen angesprochene Alternative - Hochbahn über Rödingsmarkt - ist lediglich eine Variation der U-Bahn-Planung. Wir halten aber die gesamte Idee, eine U4 in die HafenCity zu bohren, für eine unsinnige Verschwendung.
Der CDU-Senat hat nun, um die U-Bahnpläne vor wechselnden politischen Mehrheiten zu schützen, die U4 in den Verträge mit Investoren der Hafencity verankert. Darüber hinaus wurde inzwischen bereits ein Vertrag zwischen Stadt und Hochbahn über den Bau der U4 abgeschlossen. Bei einem Regierungswechsel müßten diese Verträge auf die Folgen einer Kündigung hin überprüft werden. Sollten die finanziellen Folgen einen Baustopp zulassen, könnten innerhalb eines Jahres die alten Stadtbahnpläne von 2001 auf aktuellen Stand gebracht werden. Zeit wurde ja bereits jetzt erheblich vergeudet. Die Pläne für die Stadtbahn waren nämlich 2001 fertig - wurden aber von der CDU aus ideologischen Gründen abgelehnt. Statt dessen sind jetzt sieben Jahre vergangen, in denen die HafenCity ohne vernünftigen ÖPNV-Anschluss dasteht. Wenn wir also um den Preis eines weiteren Jahres ein sehr viel besseres und zukunftstauglicheres System bekommen können, das viele Jahrzehnte funktionieren soll, ist ein Jahr Verzögerung bitter, aber in Kauf zu nehmen.

Zweckgebunden ist nur ein Teil der Mittel. Und es ist nicht gesagt, dass diese Mittel nicht auch für andere, sinnvollere Verkehrsprojekte zur Verfügung stünden.

Ihre Bewertung des Hamburger ÖPNV teile ich. Er ist zu wenig attraktiv. Gerade in den letzten Jahren hat Hamburg den Anschluss an das Niveau von Metropolen verloren. Hamburg verplant seine Investitionsmittel zu einem großen Teil für den Bau von Kaimauern (ca. 3 Mrd. Euro für die nächsten Jahre). Wir Grünen wollen dagegen, dass die gutverdienenden Reeder im Containerboom, auch einen Finanzierungsanteil für den Infrastrukturausbau im Hafen beisteuern. Dann bleiben auch mehr Steuermittel für den Ausbau des ÖPNV übrig.

Unsere Lösungen: Die Stadtbahn, die einen regelrechten Neustart der Hamburger ÖPNV-Politik bedeuten würde, habe ich Ihnen bereits genannt. Wir wollen mehr echte S-Bahnen, wie etwa auf der Strecke nach Ahrensburg. Die U-Bahnhöfe müssen attraktiver und vor allem durchgängig barrierefrei für Behinderte, Alte und Kinderwagen werden. Die Takte und Anpassungsfähigkeit des ÖPNV-Netzes kann deutlich verbessert werden.

Dringend erforderlich ist, wie Sie das richtigerweise fordern, ein Masterplan für den Hamburgere ÖPNV mit Antworten auf die Frage, wo wir in fünf, zehn und zwanzig Jahren stehen wollen und wie wir diese Ziele erreichen. Für die GAL ist klar, dass ein attraktiver, bezahlbarer und leistungsfähiger Öffentlicher Nahverkehr für die moderne Metropole Hamburg unverzichtbar ist.

Mit freundlichen Grüßen
Farid Müller

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