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Andrea Lindholz
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Frage von Nicolas N. •

Frage an Andrea Lindholz von Nicolas N. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Tag Frau Lindholz,

Ihre Partei weist den Vorwurf, es gäbe bei den deutschen Sicherheitsbehörden strukturelle Probleme zum Beispiel beim Thema extremistische und antidemokratische Einstellungen, mit dem Verweis auf niedrige bekannte Fallzahlen zurück. Mit der gleichen Argumentation lehnt Ihre Partei auch eine unabhängige Studie zu diesem Thema ab.
Daher möchte Ich Sie fragen, ab welcher Rate bzw wievielen Fällen Sie und Ihre Partei nicht mehr von "von einander unabhängigen Einzelfällen" sprechen? Die im Lagebericht zum Extremismus vorgestellten Zahlen waren ja zu ihrer Veröffentlichung schon veraltet. Allein in NRW haben sich in den letzten Wochen die Fallzahlen mehr als verdoppelt. Wie viele Fälle sind noch weiterhin unentdeckt?
Liegt es nicht eigentlich in der Bedeutung des Begriffes "strukturelles Problem", dass das Problem nicht an der Summe der Fälle hängt sondern an der Art und Weise der Organisation?
Wie sehen Sie zum Beispiel den Fall der DPolG, die einen Kalender mit zum Teil rassistischen Motiven drucken und verteilen ließ?
Wie möchten Sie Mitarbeiter*innen der Sicherheitsbehörden stärken und schützen, die Fehlverhalten von Kolleg*innen melden?
Wie stehen Sie zu einer unabhängigen Beschwerdestelle? Finden Sie, dass es für Opfer von Fehlverhalten (Sexismus, Fremdenfeindlichkeit,...) zu mutbar ist, bei Kolleg*innen und ggf auch (guten) Bekannten der vermeintlichen Personen, die sich falsch verhalten haben, dieses anzuzeigen?

Mit freundlichen Grüßen
N. N.

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Sehr geehrter Herr Niesche,

letzte Woche hat der Bundesinnenminister zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik einen umfangreichen bundesweiten Lagebericht zum Thema "Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden" vorgestellt. Für diesen Bericht wurden sämtliche Verdachtsfälle auf rechtsextremistische Bestrebungen in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zwischen Januar 2017 und März 2020 zusammengetragen. Demnach gab es 319 Verdachtsfälle in Landesbehörden und 58 Verdachtsfälle bei Bundesbehörden. So besorgniserregend die Gesamtzahl von 377 "Verdachtsfällen" erscheint - sie kann nur seriös bewertet werden, wann man sie in Relation zu den rund 385.000 Beschäftigten setzt, die in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern arbeiten. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass in einem Rechtsstaat ein Verdachtsfall noch keine Verurteilung darstellen darf. Selbst wenn man die Zahl dieser Verdachtsfälle verdoppelt bzw. alle Fälle dazurechnet, die erst nach dem Stichtag bekannt geworden sind, bleiben es verschwindend wenig "Verdachtsfälle" angesichts des gesamten Personalkörpers. Diese Faktenlage bitte ich einfach zur Kenntnis zu nehmen. Es verbietet sich, den Sicherheitsbehörden angesichts dieser Daten "strukturellen" oder "latenten" Rassismus vorzuwerfen. Weit über 99 Prozent der Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden stehen völlig unzweifelhaft auf dem Boden des Grundgesetzes. Diese Männer und Frauen verteidigen oft unter Einsatz ihrer Gesundheit unsere freiheitlich demokratische Grundordnung und bedrohen sie nicht. Dieser tägliche Einsatz verdient Respekt, Anerkennung und politische Rückendeckung. Die Union wird die Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden immer gegen ehrabschneidende Generalverdächtigungen verteidigen.

Trotzdem können wir natürlich nicht mit den Ergebnissen dieses Berichts zufrieden sein. Das machen auch die zuletzt bekannt gewordenen Fälle deutlich. Jeder Fall ist einer zu viel. Unsere Null-Toleranz-Politik gegen Extremisten muss natürlich ganz besonders auch für diejenigen gelten, die unseren Rechtsstaat verteidigen sollen. Die unionsgeführte Bundesregierung und allen voran Bundesinnenminister Seehofer haben bereits letztes Jahr den Rechtsextremismus, trotz anhaltender Bedrohung durch islamistischen Terror und linksextreme Gewalt, zum aktuell größten Sicherheitsrisiko für Deutschland eingestuft. Eine Konsequenz daraus war der o.g. Bericht, der nun kontinuierlich fortgeschrieben werden soll. Ihr implizierter Vorwurf, die Union würde die Fälle verharmlosen entspricht schlicht nicht der Realität. Keine Bundesregierung in der Geschichte der Bundesrepublik hat dem Rechtsextremismus in der Gesellschaft jemals so dezidiert den Kampf erklärt wie diese.

Rassismus und Rechtsextremismus sind gesamtgesellschaftliche Phänomene, die auch gesamtgesellschaftlich aufgearbeitet werden müssen. Genau diesen Ansatz verfolgt auch der Bundesinnenminister, indem er eine breite Untersuchung von Rassismus in der Gesellschaft vorbereitet und eine Studie, die lediglich auf die Bestätigung ideologischer Vorurteile gegen die Polizei zum Ziel hat, konsequent ablehnt. Stattdessen soll der Arbeitsalltag in den Sicherheitsbehörden und die Hintergründe, die zu extremistischen Einstellungen führen können, analysiert und untersucht. Dabei werden auch die Polizeigewerkschaften beteiligt. Das ist der richtige Weg, denn unseren wehrhaften Rechtsstaat können wir nur mit der Polizei und nicht gegen die Polizei schützen.

Abschließend empfehle ich Ihnen die Pressekonferenz, in der die Behördenleiter von BKA, BfV und BPol ihre Sicht und ihre Maßnahmen gegen extremistische oder rassistische Tendenzen erläutern. Darin werden auch die meisten Ihrer übrigen Fragen beantwortet. https://www.youtube.com/watch?v=dAUQg7UCv1Y

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz MdB

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