Masernimpfpflicht in Gemeinschaftseinrichtungen

Der von der Bundesregierung eingereichte Gesetzesentwurf sieht vor, einen verpflichtenden Impfschutz für Kinder und Mitarbeiter:innen in Gemeinschaftseinrichtungen wie beispielsweise Kitas, Schulen oder Kindertagespflegen einzuführen. Der Antrag wurde mit den Ja-Stimmen der Regierungsfraktionen, großen Teilen der FDP, Teilen von der Partei Die Linke sowie einer Ja-Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und drei Ja-Stimmen von der AfD-Fraktion angenommen.

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Dafür gestimmt
459
Dagegen gestimmt
89
Enthalten
105
Nicht beteiligt
56
Abstimmungsverhalten von insgesamt 709 Abgeordneten.

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf eingereicht, der vorsieht, dass Menschen, die sich in Kindergärten, Kitas, Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte aufhalten (Mitarbeiter:innen, Kindergartenkinder, Schüler:innen, geflüchtete Personen), zwingend gegen Masern geimpft sein müssen. Die sogenannte "Impfpflicht" sieht vor, dass diese Personen sich einer Masernimpfung unterziehen müssen oder nachweisen müssen, dass sie bereits wirksam gegen Masern geimpft worden seien. Der Nachweis kann im Rahmen des Entwurfes auch digital erfolgen.

Eine Ausnahmeregelung gilt für Menschen mit medizinischen Kontraindikationen sowie für Personen, die vor 1970 geboren sind, da diese höchstwahrscheinlich die Masern durchgemacht haben und daher immun sind. Des Weiteren muss auch sonst niemand, der bereits nachweislich die Masern hatte, immunisiert werden. Wer aktuell bereits eine solche Einrichtung besucht oder dort arbeitet/wohnt, solle den Nachweis bis spätestens Juli 2021 erbringen. Sollte man der Aufforderung nicht nachkommen, könne dies den Ausschluss aus z.B. einer Kindertagesstätte zur Folge haben oder ein Bußgeld in Höhe von 2.500 Euro verhängt werden. Zusätzlich regelt der Gesetzesentwurf, dass Impfungen durch jeden Arzt ausgeführt werden können. Außerdem werde eine Kooperation der Krankenkassen mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖDG) angestrebt, die die Erstattung der Impfkosten regeln und damit die Verstärkung freiwilliger Reihenimpfungen in Schulen ermöglichen soll. Das Gesetz soll am 1. März 2020 in Kraft treten.

Die Debatte um die Impfpflicht beruhe auf der Beobachtung der Bundesregierung, dass die steigende Anzahl der Maserninfektionen zeige, dass der Impfschutz in Deutschland Lücken habe, obwohl es sich bei den Masern nicht um eine harmlose Kinderkrankheit handle, sondern eine der ansteckendsten durch Viren ausgelösten Infektionskrankheit sei. In vielen Fällen könne es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen. Betroffen seien von der Masernerkrankung nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und Erwachsene. Der Gesetzesentwurf nennt konkret die vom Robert Koch-Institut bereitgestellten Zahlen von bereits 420 Masernfällen im Jahr 2019. Aus Sorge der Bundesregierung, dass die häufig aus Unwissenheit oder falschen Einschätzungen nicht stattfindende Absicherung gegen die Viruserkrankung, dafür sorgen könne, dass der Virus weiter zirkuliere, wolle man die Schutzmaßnahmen stärken.

Ziele seien es, die Virenzirkulation zu unterbinden, einen besseren Schutz vor Maserninfektionen zu schaffen und auch jene Personen zu schützen, die aus gesundheitlichen Gründen eine Schutzimpfung nicht in Anspruch können. Außerdem sei es Intention der Bundesregierung, praktische Barrieren abzubauen, um die "Umsetzung von Impfempfehlungen zu vereinfachen und so zu einer generellen Verbesserung des Impfschutzes der Bevölkerung zu kommen".

Das kontroverse Thema sorgte auch für Unstimmigkeiten innerhalb der Fraktionen. So wurde der Gesetzesentwurf 459 Ja-Stimmen angenommen.

  • In der Fraktion der Regierungspartei CDU/CSU stimmten die meisten für den Antrag. Die Mitglieder der konservativen Fraktion Axel E. Fischer und Emmi Zeulner stimmten gegen den Antrag wobei Jens Koeppen sich enthielt.
  • Die SPD stimmte geschlossen für den Antrag, nur Nezahat Baradari enthielt sich.
  • Auch die FDP-Fraktion stimmte weitestgehend für den Antrag. Lediglich Alexander Kulitz und Benjamin Strasser enthielten sich ihrer Stimme.
  • Die Linksfraktion zeigt sich in ihrem Abstimmungsergebnis gespalten. So stimmten 18 der 65 anwesenden Abgeordneten für den Antrag, während 17 gegen den Antrag stimmten und 30 sich ihrer Stimme enthielten.
  • Bei den Grünen enthielten sich alle anwesenden Abgeordneten ihrer Stimme - bis auf Canan Bayram, die gegen den Antrag stimmte, und Monika Lazar, die für den Gesetzesentwurf votierte.
  • Von den drei anwesenden fraktionslosen Abgeordneten stimmten Frauke Petry und Mario Mieruch gegen den Antrag. Marco Bülow enthielt sich seiner Stimme.

Detlev Spangenberg (AfD) bemängelt, dass es unter Expert:innen Unstimmigkeiten über die Menge der zu verabreichenden Impfungen gäbe. Des Weiteren gibt sich Spangenberg zufrieden mit 7 Fällen von Masern auf 1 Million Menschen und zieht den europäischen Vergleich mit Frankreich und Tschechien, die zwar eine Impfpflicht hätten, jedoch eine höhere Anzahl an Fällen haben sollen. Zusätzlich verweist er auf §20 des Infektionsschutzgesetzes, welcher Einschränkungen des Artikels 2 Absatz 2 Grundgesetz, nämlich die körperliche Unversehrtheit, ermöglicht, sofern es zu einer gefährlichen Ausbreitung von Infektionskrankheiten komme. Außerdem gäbe es größeren Handlungsbedarf in Flüchtlingsunterkünften. Für die Fraktion überwiege die eigene Entscheidungshoheit der Bürger:innen, weshalb die Fraktion gegen den Gesetzesentwurf votiert.

Andrew Ullmann (FDP) macht deutlich, dass die Masern keine harmlose Kinderkrankheit seien – die Krankheit könne sogar zum Tod führen. Dies läge unter anderem daran, dass es kaum Therapiemöglichkeiten gegen die Krankheiten gäbe, sondern die Krankheit meist durchlebt werden muss. Für ihn und seine Fraktion sei Prävention die einzige Möglichkeit, weshalb sie für den Gesetzesentwurf stimmen. Zusätzlich wollen sie die Prävention mit einem automatisierten, digitalen System mit Erinnerungsfunktionen und der Einbeziehung von Heilberufen verstärken.

Bärbel Bas (SPD) nennt ein Beispiel aus ihrem eigenen Wahlkreis. 2017 erkrankten in ihrem Wahlkreis 332 Menschen an Masern, da es sich um hochinfektiöse Erkrankung handle, die sich sehr schnell und weit verbreite, wenn sie erst mal ausgebrochen sei. Das führe dazu, dass die betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen dann vorübergehend gesperrt werden müssen. Somit betreffe die Impfpflicht alle, denn Kinder und auch Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen können, zu schützen, sei ein zentraler Bestandteil des Gesetzesentwurfs. Es gehe dabei um Solidarität.

Auch die linke Abgeordnete Gesine Lötzsch erwähnt die Personengruppe, die sich aus z.B. gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Impfgegner gefährdeten nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die derer, die sich nicht impfen lassen können. Für sie ist es nicht akzeptabel, dass beispielsweise in Sachsen-Anhalt jedes fünfte Kind, das seit 2015 geboren wurde, nicht oder unvollständig gegen Masern geimpft sei. Sie zitiert zudem die Einschätzung der WHO (Weltgesundheitsorganisation), dass Deutschland ein Land mit einheimischer Masernverbreitung sei. Die Linksfraktion hätte deshalb gerne mehr Maßnahmen dagegen wie unter anderem eine Aufstockung der Mittel des Öffentlichen Gesundheitsdiensts. Zudem fordert sie mehr Werbung für Impfungen und bemängelt, dass im Vergleich dazu Werbung für die Bundeswehr allgegenwärtig sei.

Für Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) gehe es auch um gelebte gesellschaftliche Solidarität, doch die Ursachen seien umfassender, als der Gesetzesentwurf darlege. So bestehe Handlungsbedarf in der Aufklärung bestimmter Bevölkerungsgruppen und der Gesamtbevölkerung. So bezieht sich der Gesetzesentwurf nicht auf die Altersgruppe von „20 bis 50 Jahren“, von denen weniger als Hälfte der Bevölkerung geimpft seien. Auch sei ihre Fraktion, genau wie die FDP-Fraktion, für einen digitalen Impfpass mit Erinnerungsfunktion, ein Einladungswesen für Erwachsene und ebenfalls für eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens. Aufgrund der Kritikpunkte wollen sich die grünen Abgeordneten mehrheitlich ihrer Stimme enthalten.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/CSU) erwähnt, dass Masern zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten gehöre und es keine wirkungsvolle Therapie gäbe. Eine Maserninfektion könne sich zu einer lebensbedrohlichen Lungen- und Gehirnhautentzündung entwickeln. Dies seien Gefahren, vor denen Kinder mit dem Gesetzesentwurf geschützt werden sollen. Seiner Meinung nach umfasse die Freiheit des Einzelnen auch die Verantwortung des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen. Das Gesetz schütze somit die Freiheit der Mitmenschen vor dieser Krankheit. Des Weiteren greift er die Kritik des AfD-Abgeordneten Spangenberg auf. Denn das Gesetz umfasse, anders als von Detlev Spangenberg behauptet, auch eine Masernimpfpflicht für Flüchtlingsunterkünfte und Schutzsuchende. Zusätzlich kritisiert er die häufig als Gegenargument formulierte Aussage, es stärke das Immunsystem der Kinder, Masern oder Röteln durchzumachen. Laut Spahn gäbe es „kein Grundrecht auf Röteln in diesem Land“. Das gemeinsame Ziel der Bundesregierung und der Weltgesundheitsorganisation sei es, mit dem Gesetzesentwurf einen Beitrag zur Ausrottung der Masern zu leisten.