Interessenkonflikte, Lobbytätigkeiten, Affären: Die Lobby-Akte der Regierung Merz | abgeordnetenwatch.de Direkt zum Inhalt
Interessenkonflikte, Lobbytätigkeiten, Affären
Die Lobby-Akte der Regierung Merz
Eine neue Regierung tritt an – und bringt ihre alten Netzwerke gleich mit: Noch am Morgen ihrer Amtseinführung stehen einige Minister:innen im Lobbyregister. Wem hat die Regierungsmannschaft von Friedrich Merz bislang gedient – und welche Interessenkonflikte ergeben sich daraus?
picture alliance: Flashpic | Jens Krick (F. Merz), dpa | Peter Kneffel (F. Hahn), AAPimages / Timm (D. Bär), dpa | Hendrik Schmidt (P. Amthor), photothek.de | Florian Gaertner (K. Reiche). Kollage: abgeordnetenwatch.de
Als Friedrich Merz (CDU) und seine 17 Minister:innen am 6. Mai 2025 ins Amt eingeführt werden, gehört zur Prozedur auch das Ablegen eines Eides. Vor dem Bundestag schwören die neuen Regierungsmitglieder, ihre Kraft „dem Wohle des deutschen Volkes“ zu widmen und dessen Nutzen zu mehren.
Doch werden alle Mitglieder der schwarz-roten Regierungskoalition immer das Wohl aller im Blick haben? Oder werden von ihren Entscheidungen auch alte Weggefährten profitieren?
Viele Regierungsmitglieder sind seit Jahren eng mit wirtschaftlichen Akteuren verflochten. Manche wurden bis zuletzt dafür bezahlt, für Anliegen eines Unternehmens bei der Bundesregierung zu lobbyieren – nun bekleiden sie selbst ein Regierungsamt. Andere setzten sich als Abgeordnete gezielt für Konzerne ein, verschafften ihnen direkten Zugang zur Regierung oder machten sich für Staatsaufträge stark.
Kurzer Draht zum Kanzler – der Finanzkonzern muss dafür nur seinen Ex-Aufsichtsratschef anrufen
So verfügen einige Unternehmen und Verbände nun über einen besonders kurzen Draht zur Regierungsspitze. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock braucht nur seinen langjährigen Aufsichtsratschef anrufen – und landet direkt bei Bundeskanzler Merz. Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche? Noch am Morgen ihrer Amtsübernahme ist sie als Interessenvertreterin eines Energiekonzerns registriert (der Eintrag wird zur Mittagszeit entfernt). Digitalminister Karsten Wildberger? Steht ebenfalls noch im Lobbyregister – als Top-Manager eines Elektronikriesen und Vizepräsident eines Lobbyverbandes. Nahtloser kann der Übergang vom Lobbyjob in ein Ministeramt nicht sein.
Die Frage ist deshalb nicht mehr, ob es im Kabinett Merz Interessenkonflikte gibt – sondern wie viele. Wer hat in den vergangenen Jahren wessen Interessen vertreten? Und wie unabhängig kann eine Regierung sein, deren Mitglieder ihre alten Netzwerke kaum abgelegt haben?
Blackrock-Lobbyist a.D.:
Friedrich Merz (CDU) – Bundeskanzler
picture alliance / dts-Agentur
Als Aufsichtsratschef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock lobbyierte Friedrich Merz bei der Bundesregierung – jetzt sitzt er im Bundeskanzleramt.
Als die Bundestagsabgeordneten im Jahr 2005 erstmals ihre Nebeneinkünfte offenlegen mussten, zog Friedrich Merz vor das Bundesverfassungsgericht – und verlor. Wie sich später zeigte, hatten wenige Abgeordnete so viele bezahlte Unternehmensposten wie Merz: Bei der Commerzbank, dem Versicherungskonzern Axa, der Deutschen Börse, dem Immobilienkonzern IVG und vielen weiteren Unternehmen.
2005 gründete Merz den Förderverein der unternehmernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Der von der Metall- und Elektrolobby finanzierte Verband gilt als eine der einflussreichsten Interessengruppen Deutschlands.
Seine Jahre außerhalb des Bundestags (2009–2021) war Merz unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist für den Vermögensverwalter Blackrocktätig. Das US-Finanzunternehmen hält bei nahezu jedem DAX-Konzern Anteile, bei manchen als größter Einzelaktionär.
Für Blackrocktraf Merz sich mit hochrangigen Regierungsmitgliedern wie den damaligen Ministern Olaf Scholz (Finanzen), Sigmar Gabriel (Außen) oder Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies. Noch am 20. März 2020 sprach er mit Kukies über „aktuelle Finanzmarktfragen“ – im Auftrag von Blackrock.
Als Merz im November 2021 für den Posten als CDU-Bundesvorsitzender kandidierte, hatte er kurz zuvor seine Vize-Posten beim Wirtschaftsrat der CDU niedergelegt, einem parteinahen Lobbyverein, in dem sich Unternehmen wie BASF, BMW oder Rheinmetall die Nähe zur CDU-Parteiführung sichern. Der formal eigenständige Verein ist bei Sitzungen des CDU-Bundesvorstandes vertreten.
Besonders eng war Merz’ Verhältnis zum Chemiekonzern BASF. Während seiner Zeit als Abgeordneter saß er im Verwaltungsrat. Später, als Anwalt der US-Kanzlei Mayer Brown, vertrat er BASF als Mandanten vor Gericht.
Das Unternehmen dürfte auch von der Politik der Merz-Regierung profitieren. Im Koalitionsvertrag verzichtet sie ausdrücklich auf ein Verbot der umstrittenen „Ewigkeitschemikalien“ PFAS und setzt bei der Chemikalienregulierung stattdessen auf einen „risikobasierten Ansatz“ – ganz im Sinne der Branche.
Kurz vor der Bundestagswahl 2025 löste Merz eine der letzten sichtbaren Verbindungen zur organisierten Wirtschaftslobby: Ende 2024 verschwand sein Name von der Website des Lobbyvereins United Europe. Der Verein bringt hochrangige Wirtschaftsvertreter:innen mit der Politik zusammen – bei der letzten Mitgliederversammlung im November 2024 sprachen unter anderem Repräsentanten von Meta und dem BDI.
Die Drehtür-Ministerin:
Katherina Reiche (CDU) – Ministerin für Wirtschaft und Energie
picture alliance / dts-Agentur
Vom Lobbybüro ins Ministerium: Katherina Reiche wurde zuletzt von der Eon-Tochter Westenergie bezahlt. Künftig entscheidet sie auch über Anliegen ihres früheren Arbeitgebers.
Reiche ist ein Paradebeispiel für den Drehtüreffekt, also den Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft. Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin startete nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2015 zunächst eine Karriere als Interessenvertreterin: Zunächst als Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), zuletzt war sie Vorstandsvorsitzende der Eon-Tochter Westenergie AG. Nun kehrt Reiche erneut in die Politik zurück.
In ihrer bisherigen Rolle als Energie-Lobbyistin konnte Reiche auf ihre Kontakte zu den einstigen Kolleg:innen aus der Politik zurückgreifen. Mehrfach traf sie sich für den VKU und Westenergie mit hochrangigen Regierungsvertreter:innen, darunter die damaligen Minister:innen Peter Altmaier (CDU), Olaf Scholz (SPD) sowie Kanzleramtschef Helge Braun (CDU).
In ihrem neuen Amt als Wirtschaftsministerin wird es Reiche erneut mit früheren Kolleg:innen zu tun haben: mit Vertreter:innen der Energiebranche. Ihr früherer Arbeitgeber Westenergie etwa strebt den Anschluss an das geplante Wasserstoff-Kernnetz an und hat zu diesem Zweck die Lobbyagentur MSL Group beauftragt, wie aus dem Lobbyregister hervorgeht. Die Gestaltung des Wasserstoffnetzes fällt in die Zuständigkeit des Wirtschafts- und Energieministeriums. Auch Reiches früherer Lobbyverband VKU listet im Lobbyregister Anliegen auf, die sich an das Wirtschaftsministerium richten.
Mögliche Überschneidungen könnten sich bei Reiches bisheriger Tätigkeit für den Automobilzulieferer Schaeffler AG ergeben. Bei dem Unternehmen saß Reiche seit April 2023 im Aufsichtsrat, mit Eintritt in die Bundesregierung ist ihr diese Tätigkeit laut Bundesministergesetz nicht mehr gestattet. Schaeffler erhielt in den vergangenen Jahren wiederholt Fördermittel aus dem Bundeswirtschaftsministerium – der Behörde, die jetzt unter Reiches Leitung steht.
Im April 2025 wurde bekannt, dass Reiche und der frühere Verteidigungs- und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein Paar sind. Guttenberg hatte nach seinem Rücktritt infolge einer Plagiatsaffäre die Lobby- und Beratungsfirma Spitzberg Partners gegründet, die unter anderem im Auftrag des inzwischen insolventen Unternehmens Wirecard bei der Bundesregierung lobbyierte. In Guttenbergs Linkedin-Profil sind neben dem Chefposten bei Spitzberg (“Chairman”) zahlreiche weitere Unternehmensposten aufgeführt, unter anderem als Aufsichtsratsmitglied bei der internationalen Kommunikationsagentur Edelman und dem US-Finanzdienstleister Clocktower Group.
Vom Digitallobbyisten zum Digitalminister:
Karsten Wildberger (parteilos) – Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
Unter der Führung von Karsten Wildberger forderte MediaMarktSaturn politische Hilfe gegen ausländische Konkurrenz – nun sitzt er im Ministeramt mit Zuständigkeit für dasselbe Thema.
Beim Wirtschaftsrat der CDU dürfte die Freude doppelt gewesen sein: Im Wahlkampf forderte der einflussreiche Lobbyverband ein eigenes Digitalministerium – und bekam nicht nur das Ressort, sondern auch einen Vertrauten an dessen Spitze. Kanzler Merz setzte mit Karsten Wildberger den bisherigen Vizepräsidenten des Lobbyvereins auf den neu geschaffenen Ministerposten. (s. Ergänzung vom 7. Mai am Ende des Artikels).
2021 hatte Wildberger Merz im Amt als Vizepräsident beim Wirtschaftsrat beerbt. Anders als der Name vermuten lässt, ist der Wirtschaftsrat kein Parteigremium, sondern ein unabhängiger Lobbyverein mit direktem Draht zur CDU-Spitze: Über einen festen Sitz bei den Sitzungen des Parteivorstands kann er seine Anliegen parteiintern platzieren. Zu den Mitgliedern zählen laut Lobbyregister unter anderem Google, Huawei und Facebook Deutschland.
Auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de erklärte ein Sprecher des Verbandes, Wildberger sei „zu keinem Zeitpunkt“ an der Erarbeitung der Digitalministeriums-Forderung beteiligt gewesen.
Doch mögliche Interessenkonflikte reichen über sein Engagement im Wirtschaftsrat hinaus. Bis zu seiner Berufung ins Kabinett war Wildberger Vorstandschef von Ceconomy – dem Mutterkonzern von Media Markt und Saturn – sowie Geschäftsführer der MediaMarktSaturn Retail Group.
MediaMarktSaturn mischte in der Vergangenheit selbst aktiv in Digitaldebatten mit. Noch im September 2024 übermittelte der Konzern ein vierseitiges Forderungspapier an die Bundesregierung. Die Handelskette, für die Wildberger damals als Lobbyist agierte, beklagte unter anderem einen „unlauteren Wettbewerb von Händlern und Marktplätzen aus Drittländern“, zum Beispiel durch “asiatische Online-Plattformen”. Für genau solche Anliegen von MediaMarktSaturn dürfte künftig der Ex-Chef zuständig sein – als Minister.
Als Lobbyist brachte Wildberger in der Vergangenheit mehrfach Anliegen seines Arbeitgebers bei der Bundesregierung vor. So traf er sich 2016 in seiner Rolle als Eon-Vorstand mit einem SPD-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Kurz darauf folgte ein Treffen mit dem damaligen Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Eng mit der Digitalwirtschaft:
Thomas Jarzombek (CDU) – Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
picture alliance / Flashpic | Jens Krick
Als Beirat bei Digital-Verbänden bestens vernetzt – jetzt ist Thomas Jarzombek Parlamentarischer Staatssekretär im neuen Digitalministerium.
Kaum jemand in der CDU ist so eng mit der Digitalwirtschaft verbunden wie der langjährige forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktion.
Jarzombek sitzt unter anderem im Rat des Think Tanks Agora Digital. Die vom bisherigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderte Organisation forderte im Zuge der Koalitionsverhandlungen ein “schlankes” Digitalministerium – und bekam ein um “Staatsmodernisierung” aufgewertetes Digitalministerium mit Jarzombek als Parlamentarischen Staatssekretär.
Der CDU-Abgeordnete gehört außerdem dem politischen Beirat des Blockchain Bundesverbands an, der mit gezielter Einflussnahme auf die Politik wirbt. „Es ist schon krass, wie viel Einfluss Verbände auf die Politik haben, wenn man es richtig macht“, sagte dessen Präsident Florian Glatz 2019.
Eine zentrale Rolle spielte Jarzombek bei der Gründung des Bundesverband Künstliche Intelligenz – zumindest indirekt. Verbandspräsident Jörg Bienert berichtete, Jarzombek habe ihm geraten, einen eigenen Verband zu gründen, wenn er Anliegen an die Politik herantragen wolle: „Das war gewissermaßen der Trigger für die Gründung des KI-Verbands.“
Games-Förderin mit Amigo-Vergangenheit:
Dorothee Bär (CSU) – Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt
picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth
Den Games-Verband freut's: Mit Dorothee Bär übernimmt eine langjährige Unterstützerin das zuständige Ministerium.
Die CSU-Politikerin geriet mehrfach wegen möglicher Interessenkonflikte und Vorwürfen der Vetternwirtschaft in die Schlagzeilen. Von 2007 bis 2009 beschäftigte Bär einen Mitarbeiter der Münchner Lobbyagentur Concilius in ihrem Bundestagsbüro. Später erklärte sie, sich nicht mehr „zweifelsfrei“ erinnern zu können, ob dieser seine Tätigkeit für die Agentur ihr gegenüber offengelegt habe.
Über zweieinhalb Jahre beschäftigte Bär außerdem ihren heutigen Ehemann. Die Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter in ihrem Bundestagsbüro endete kurz vor der Hochzeit im Jahr 2006. Bär beteuerte, die Beschäftigung habe im Einklang mit dem geltenden Recht gestanden. In die Schlagzeilen geriet die CSU-Politikerin außerdem durch die jahrelange Beschäftigung der Lebensgefährtin ihres Vaters im Rahmen eines sogenannten “Midi-Jobs”.
Im Jahr 2016 gab Bär als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium eine indirekte Kaufempfehlung für einen Geländewagen der VW-Tochter Skoda. Für die „Bild am Sonntag“ testete sie das Auto und lobte es mit den Worten, das Preis-Leistungs-Verhältnis sei „der Hammer“.
Als Bundesministerin wird Bär künftig unter anderem für Raumfahrt zuständig sein. Die bayerische Raumfahrtindustrie dürfte große Hoffnungen in die CSU-Politikerin setzen. Bayern verfolgt mit „Bavaria One“ ein eigenes Raumfahrtförderprogramm, zuletzt gelang dem von der Landesregierung geförderten Unternehmen Isar Aerospace ein Raketenstart in Norwegen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, Milliarden aus dem Sondervermögen des Bundes in die Raumfahrt stecken zu wollen.
Auf Wohlwollen stieß Bärs Ernennung in der Videospielwirtschaft. Der Branchenverband Game freute sich, dass nun eine Politikerin das Ministerium übernehme, die sich in der Vergangenheit “mit großem Engagement” für die Branche eingesetzt habe.
Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, den Gamestandort Deutschland “durch steuerliche Anreize und verlässliche Programme fördern” zu wollen. Das Branchenportal GamesWirtschaft kommentierte Bärs Zuständigkeit mit den Worten: “Es ist nicht überliefert, ob in der Geschäftsstelle des Games-Verbands die Schampus-Korken knallten – die Personalie Dorothee Bär böte Anlass.” Dass der Bund seit Einführung der Games-Förderung im Jahr 2019 eine knappe Viertelmilliarde Euro in die Branche gelotst habe, sei auch ein Verdienst der ehemaligen Digitalstaatsministerin unter Angela Merkel.
Türöffner für US-Startup:
Philipp Amthor (CDU) – Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Lobbyaffäre überstanden: Philipp Amthor öffnete einst für das Unternehmen Augustus Intelligence Türen ins Ministerium – nun sitzt er selbst in einem.
Kaum war Philipp Amthor in den Bundestag gewählt, machte ihn eine Lobbyaffäre bundesweit bekannt.
2018 vermittelte der CDU-Abgeordnete dem kurz zuvor gegründeten New Yorker Start-up Augustus Intelligence einen Termin im Bundeswirtschaftsministerium. Nachzulesen ist das in einem vertraulichen Brief, den abgeordnetenwatch.de später veröffentlichte.
In dem Schreiben an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erinnert Amthor daran, dass er ihn einige Tage zuvor am Rande einer Fraktionssitzung auf ein „spannendes und politisch vielversprechendes Investitionsvorhaben“ von Augustus Intelligence hingewiesen habe. Anschließend bittet Amthor seinen Parteifreund, den Unternehmensgründer mit ihm bekannt zu machen.
Screenshot: abgeordnetenwatch.de
"Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter": Dieser Brief von Philipp Amthor an den damaligen Wirtschaftsminister Altmaier löste eine Lobbyaffäre aus. abgeordnetenwatch.de machte das Schreiben öffentlich.
Altmaier leitete Amthors Anfrage an seinen Parlamentarischen Staatssekretär weiter, der sich im November 2018 gemeinsam mit Amthor und dem Unternehmensvertreter traf.
Nach Recherchen des SPIEGEL, der die Affäre 2020 aufdeckte, wurde Amthor im Anschluss an die Vermittlung in einem internen Firmenchat des Start-ups als „geiler Typ“ gefeiert, bei dem man sich „echt bedanken“ müsse. Wenige Monate später erhielt der CDU-Abgeordnete einen Direktorenposten bei Augustus Intelligence sowie Aktienoptionen. Amthor wies einen Zusammenhang zurück.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen 2025 zwischen Union und SPD setzte sich Amthor für eine Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) in seiner „bisherigen Form“ ein. Vertreter:innen aus Zivilgesellschaft und Medien werteten dies als mögliche Rache. Denn Grundlage für die Veröffentlichung von Amthors Lobbyschreiben durch abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat war ein IFG-Antrag gewesen. Amthor wies die Vorwürfe zurück.
Im Koalitionsvertrag ist von einer Abschaffung allerdings keine Rede mehr. Vielmehr strebt die schwarz-rote Koalition nun eine Reformierung des IFG “mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung” an.
Im Konflikt mit dem EU-Recht:
Alexander Dobrindt (CSU) – Innenminister
picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth
Als Verkehrsminister setzte Alexander Dobrindt mit der sog. "Ausländermaut" eine CSU-Wahlkampfforderung um – als Innenminister will er nun umgehend eine strikte Migrationspolitik durchsetzen.
Dobrindt ist einer der wenigen Kabinettsmitglieder mit Ministererfahrung. Von 2013 bis 2017 leitete er das Bundesverkehrsministerium – in der Zeit, als der sogenannte VW-Abgasskandal ans Licht kam.
Damals wurde bekannt, dass Hersteller wie Volkswagen illegale Abschalteinrichtungen in Diesel-Fahrzeuge eingebaut hatten, um Abgaswerte zu manipulieren. Der Skandal war nicht nur ein massiver Vertrauensbruch gegenüber Verbraucher:innen, sondern auch ein klarer Verstoß gegen EU-Recht. Dobrindt schlug später vor, genau jene Richtlinie zu ändern – was den ursprünglichen Rechtsverstoß nachträglich legalisiert hätte. Die Deutsche Umwelthilfe vermutete gezielten Lobbyeinfluss hinter dem Vorstoß.
Dass Dobrindt in seiner Amtszeit besonders für die Autoindustrie ein offenes Ohr hatte, zeigte sich durch eine parlamentarische Anfrage: 30 Treffen mit Vertreter:innen der Autobranche standen nur zwei mit Umweltverbänden gegenüber – diese fanden erst statt, nachdem der Skandal öffentlich geworden war.
In die Kritik geriet Dobrindt zudem wegen großzügiger Vergaben in den eigenen Wahlkreis. Rund 800 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte wurden zugesagt – darunter ein Autobahnabschnitt und ein Tunnel zur Verkehrsberuhigung.
Als Alexander Dobrindt 2013 unter Angela Merkel Verkehrsminister wurde, machte er sich umgehend an ein zentrales Wahlkampfversprechen der CSU: die sogenannte „Ausländer-Maut“. Deutsche Autofahrer:innen sollten verschont bleiben, zahlen sollten nur Fahrer:innen aus dem Ausland – ein Modell, das gegen EU-Recht verstieß. Das Ergebnis: Das Projekt scheiterte vor dem Europäischen Gerichtshof und kostete den Staat am Ende hunderte Millionen Euro an Schadensersatz.
Als Innenminister wird Dobrindt unter anderem mit dem Thema Migration befasst sein. Der CSU-Politiker hat bereits angekündigt, umgehend eine Weisung für “mehr Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen” zu erteilen und damit eine Wahlkampfforderung seiner Partei umzusetzen. Das Vorhaben könnte erneut in Konflikt mit EU-Recht geraten. Die EU-Regeln beim Asylrecht überlagern weitgehend das nationale Recht. Demnach müssen Mitgliedsstaaten überprüfen, wer für das Asylverfahren in der EU zuständig ist – eine pauschale Zurückweisung an der Grenze ist demnach unzulässig.
Im Einsatz für die Rüstungslobby:
Florian Hahn (CSU) – Staatsminister im Auswärtigen Amt (Zuständigkeit: Sicherheitspolitik)
picture alliance / SZ Photo | Claus Schunk
Von Quantum-Drohnen bis Luftwaffenlobby: Florian Hahn bringt enge Industriekontakte mit ins außenpolitische Amt.
Der CSU-Verteidigungspolitiker machte in der Vergangenheit wiederholt wegen seiner Nähe zur Rüstungsindustrie und zu Lobbyorganisationen von sich reden.
Als Mitglied des Verteidigungsausschusses setzte sich Hahn 2016 für Rüstungsprojekte ein, von denen die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) aus seinem Wahlkreis profitierte. Gleichzeitig war er bis 2017 Aufsichtsratsmitglied der IABG und erhielt dafür bis zu 30.000 Euro jährlich. Den Vorwurf eines Interessenkonflikts wies er zurück.
Angesichts seiner langjährigen Verbindungen zur Rüstungs- und Verteidigungsbranche stellt sich auch mit Blick auf sein neues Regierungsamt die Frage nach möglichen Interessenkonflikten. Hahn war in Gremien verschiedener Unternehmen und Organisationen aktiv, darunter beim Drohnenhersteller Quantum-Systems und bei der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik. Derzeit ist er Vizepräsident der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe, einem Verband mit zahlreichen Rüstungskonzernen als Mitgliedern.
Als Staatsminister im Auswärtigen Amt wird Hahn künftig für sicherheitspolitische Aufgaben zuständig sein. Das Ressort wirkt bei der Genehmigung von Rüstungsexporten mit, insbesondere bei Kriegswaffen. Es ist in die Prüfung von Ausfuhranträgen eingebunden und hat dabei außen- und sicherheitspolitische Kriterien einzubeziehen.
Im Jahr 2021 wurde Hahn im Zusammenhang mit der Aserbaidschan-Affäre genannt. Das Magazin VICE berichtete unter Bezug auf interne Unterlagen, dass der CSU-Abgeordnete von der inzwischen aufgelösten Lobbyorganisation The European Azerbaijan Society (TEAS) als „Top-Kontakt“ aufgeführt sei. Hahn nahm mehrfach an Veranstaltungen der Organisation teil.
Die Affäre betrifft eine Reihe europäischer Politiker:innen, denen vorgeworfen wird, durch Lobbyarbeit und verdeckte Zahlungen das autoritäre Regime in Aserbaidschan unterstützt zu haben. In Deutschland stehen in diesem Zusammenhang mehrere ehemalige CDU/CSU-Abgeordnete wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht.
Hahn betonte in einer Stellungnahme, niemals in Aserbaidschan gewesen zu sein und keine geldwerten Zuwendungen erhalten zu haben. Er habe sich im Bergkarabach-Konflikt stets für Deeskalation eingesetzt und keine parteiische Position zugunsten Aserbaidschans vertreten.
Potentielle Interessenkonflikte auch bei anderen
Auch bei anderen Mitgliedern des neuen Kabinetts lohnt sich in den kommenden Monaten ein genauer Blick – denn potentielle Interessenkonflikte aufgrund ihrer vorherigen Tätigkeiten sind keineswegs ausgeschlossen.
Ein Beispiel ist Wolfram Weimer, neuer Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien. Für das Amt des Kulturstaatsministers im Kanzleramt will der Medienunternehmer seine Funktionen in der von ihm gegründeten Weimer Media Group niederlegen – inklusive seiner Rolle als Geschäftsführer. Die Leitung des Verlags bliebe in der Familie: bei seiner Ehefrau Christiane Götz-Weimer.
An Tag eins der Regierung Merz ist Weimers Rückzug aus der Verlagsführung zumindest beim Amtsgericht München noch nicht bekannt, wo das Unternehmen registriert ist. "Bislang liegen keine Anmeldungen bezüglich einer Änderung im Geschäftsführerbereich der Weimer Media Group vor", erklärte ein Sprecher auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de (s. Ergänzung vom 7. Mai am Ende des Artikels).
Veröffentlicht die Arbeitsministerin auch künftig noch ihre Lobbytermine?
Bei Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas stellt sich noch eine ganz andere Frage: Wie hält sie es künftig mit der Transparenz? Auf ihrer Abgeordnetenseite listet die SPD-Politikerin und bisherige Bundestagspräsidentin ihre Lobbygespräche auf. Bürger:innen hätten „einen Anspruch darauf zu wissen, mit wem ich als Ihre Abgeordnete solche Gespräche führe.“
Wird Bas diese Transparenz auch als Ministerin fortführen – oder endet die Offenheit an der Tür zum Kabinett? Eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage von abgeordnetenwatch.de lag bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht vor.
Ergänzung vom 7. Mai 2025: Laut eines Sprechers der Weimer Media Group wurde die Änderung in der Geschäftsführung am heutigen Tag beim zuständigen Registergericht angemeldet. Wolfram Weimer sei am 28. April 2025 per Gesellschafterbeschluss als Geschäftsführer abberufen worden.
Ergänzung vom 7. Mai 2025: Der neue Digitalminister Karsten Wildberger bleibt auch nach seiner Amtsübernahme vorläufig Vize-Präsident des Wirtschaftsrates der CDU. Ein Sprecher der Organisation antwortete auf Frage, ob Wildberger seinen Posten niedergelegt habe: "Mit dieser konkreten Frage wird sich der am 12. Mai turnusmäßig tagende Bundesvorstand des Wirtschaftsrates befassen." Ein aktiver politischer Posten sowie eine Tätigkeit im Präsidium des Vereins schlössen sich nicht aus, sondern könne "– im Gegenteil – den angestrebten Perspektivaustausch zwischen Politik und Wirtschaft befördern".
Fragen an die Mitglieder der schwarz-roten Bundesregierung?
Hier können Sie sie über abgeordnetenwatch.de stellen:
Kein Bundestagsmandat haben Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), Digitalminister Karsten Wildberger, Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) und Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Sie sind deswegen nicht über abgeordnetenwatch.de befragbar.