Lieber Herr Thomae, gerne würde ich erfahren, wie die FDP zur Öffnung des Wahlrechts für Menschen mit Migrationshintergrund steht? Sollten alle in Deutschland lebenden Menschen wählen dürfen ?
Gerne kann Bezug auf alle 3 förderalistischen Ebenen genommen werden. Im Grundsatzprogramm Ihrer Partei sowie Parteiprogramm konnte ich keine Auskunft darüber finden. Viele Grüße
Sehr geehrter Julius T.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Für uns Freie Demokraten ist Demokratie eine „Mitmach-Veranstaltung“. Dem Wunsch der Bevölkerung nach Beteiligung muss die Politik und unsere Staatlichkeit Rechnung tragen. Wir sind daher offen für mehr Bürgerbeteiligung und denken die bei uns lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft explizit mit. So könnten wir uns zum Beispiel mehr direkte Beteiligung bei spezifischen Themengebieten, beispielsweise durch den gezielten Einsatz von Bürgerräten, vorstellen.
Geht es um Beteiligung durch das aktive und passive Wahlrecht, ist die Lage eine andere. Dieses Recht ist der Konzeption des Grundgesetzes nach nämlich grundsätzlich an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpft. Eine Ausnahme besteht nur für Wahlen auf kommunaler Ebene und nur für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen. Dies bringt mich zu Ihrem konkreten Anliegen: Hinter diesem steht die Frage nach dem grundsätzlichen Verständnis, welchen Charakter das Wahlrecht hat. Für uns Freie Demokraten ist das Wahlrecht ein staatsbürgerliches, sollte daher weiterhin den Staatsangehörigen unseres Landes vorbehalten bleiben. Anderenfalls wären auch Menschen wahlberechtigt, deren Lebensmittelpunkt nur kurzzeitig in Deutschland liegt und die sich hier zum Beispiel nur zum Studieren oder Arbeiten aufhalten. Ein solche Wahlrecht kann nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein. Die Frage nach einem etwaigen Migrationshintergrund ist also nicht zentral.
Deshalb ist die Staatsbürgerschaft die entscheidende Stellschraube. So möchten wir denen, die Deutschland auch langfristig als Ihren Lebensmittelpunkt begreifen (wollen), die Einbürgerung schon nach vier statt nach acht Jahren ermöglichen. Zudem setzen uns dafür ein, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht im Fall einer Einbürgerung grundsätzlich auch die Mehrstaatigkeit zulässt – und dies grundsätzlich bis zur 3. Einwanderergeneration und unter Umständen darüber hinaus.
Die Einführung eines solchen liberalen Staatsangehörigkeitsrechts würden wir als ein faires Angebot betrachten, welches alles in allem besser zu unseren gesellschaftlichen Realitäten passt als die bestehenden Reglungen.
Ihnen wünsche ich alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae