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Stephan Thomae
FDP
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Stephan Thomae von Reinhard G. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Thomae,

die Fraktionen der Regierungsparteien haben ein Gesetzentwurf zur „Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen“ vorgelegt.
(Drucksache 19/ 26545)

Die Bundesregierung, sowie verschiedene Bundesministerien, sind insbesondere durch das Infektionsschutzgesetz ermächtigt, durch Verordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates unterschiedliche Maßnahmen zu treffen.

Gibt es einen vollständigen Parlamentsvorbehalt gegenüber allen Verordnungen und Verordnungsermächtigungen, die im Zuge der „Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ getroffen wurden? Kann der Bundestag die Verordnungen jederzeit aufheben? Es könnte ja Gründe geben, dass der Bundestag eine andere Abwägung zwischen den Infektionen und den Folgen der Maßnahmen treffen will. Und dafür, dass er bestimmte Maßnahmen oder das Einschränken von Grundrechten, nicht immer für angemessen hält. Vielleicht gibt es solche Gründe auch für den Ende des Sommers neu gewählten Bundestag.

Würde die geplante Gesetzesänderung etwas im Bezug auf den Parlamentsvorbehalt ändern?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Großmann,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Gleichzeitig bitte ich um Nachsicht für die verspätete Antwort, welche leider einem Büroversehen geschuldet ist.

Derweil hoffe ich, dass unsere Positionierung und unser politisches Handeln im Hinblick auf den von Ihnen angeführten Sachverhalt in Ihrem Sinne verlaufen ist. Grundsätzlich ist zwischen dem „Gesetzentwurf zur Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ und einer zusätzlichen Abstimmung über das Vorliegen dieser epidemischen Lage zu unterscheiden. Der Gesetzesentwurf knüpft an die Entscheidung über das Vorliegen einer epidemischen Lage an. Denn nur durch diesen Beschluss im Bundestag können die Regelungen des Gesetzes auch in Kraft treten.

Eine epidemische Lage ist dann zu bejahen, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit droht oder schon besteht. Auch wenn die Infektionszahlen aufgrund der Virus-Varianten wieder steigen, ist eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten – und war es bereits zum Zeitpunkt Ihrer Anfragestellung nicht mehr. Allerdings sind bereits bestehende Rettungsschirme, etwa für Ärzte, Krankenhäuser oder die Pflege an diese Voraussetzung gebunden. Wir haben uns bei dieser Abstimmung daher damals enthalten.

Was den zweiten Aspekt betrifft, sind wir Freie Demokraten nicht nur stets besorgt, sondern gewissermaßen alarmiert gewesen. Sie selbst sprechen die Problematik treffend an. Wir gehen noch weiter: Der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD vorgelegte Gesetzentwurf ist unserer Meinung nach nicht mit unserer Verfassung vereinbar. Wir begrüßen zwar, dass der Bundestag nunmehr mindestens alle drei Monate der Feststellung der epidemischen Lage zustimmen muss. Ebenso positiv anzumerken ist, dass Impfziele für die Priorisierung im Gesetz aufgeführt werden und Schutzschirme verlängert werden. Es überwiegen jedoch eindeutig die negativen Punkte. Die Feststellung der epidemischen Lage alle drei Monate eröffnet dem Ministerium weiterhin die Möglichkeit, innerhalb dieser drei Monate Verordnungen ohne Zustimmung des Bundestages zu erlassen. Es findet eine Umgehung des Parlamentsvorbehalts statt. Diese Regelung ist deshalb mindestens verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht gar verfassungswidrig.

Als Freie Demokraten haben wir bereits im Januar einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, um das Parlament in Zeiten von Pandemien zu stärken. Denn es ist nicht abzustreiten: Das Parlament und unsere demokratische Kultur hat in Zeiten von Corona Schaden genommen. Die Gewaltenteilung wurde untergraben, die Bund-Länder-Gespräche zur Hauptinstanz der politischen Willensbildung erhoben. Das Parlament konnte die Ergebnisse der Bund-Länder-Koordination nur nachvollziehen. Die Bundesregierung solle daher verpflichtet werden, eine Zustimmung des Bundestages einzuholen, wenn beabsichtigt ist, im Rahmen der Bund-Länder-Koordinierung bundeseinheitliche Maßnahmen herbeizuführen. Ist dies nicht möglich, müsse die Zustimmung nachträglich eingeholt werden. Auch solle offengelegt werden, mit welchen Vorschlägen die Bundesregierung in die Bund-Länder-Koordination hineingeht und wie sich dies im Ergebnis widerspiegelt. Schauen Sie doch gerne in unseren Vorschlag hinein: https://dserver.bundestag.de/btd/19/261/1926180.pdf

Wir Freie Demokraten waren und sind der festen Überzeugung: Auch in Pandemiezeiten kann und muss mehr parlamentarische Demokratie gewagt werden.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae

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