Portrait von Monika Lazar
Monika Lazar
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Monika Lazar zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Claus F. •

Frage an Monika Lazar von Claus F. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Lazar,

Ich lese erstaunt, dass Apple in Frankreich fast keine Steuern bezahlt:
https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/Protestkampagne-Attac-darf-weiter-bei-Apple-vorbeischauen-3977449.html
Dabei sind die Preise in ganz Europa auch noch um die 20% höher als in US.
Sie wissen sicherlich, dass die Herstellung in Fernost nur ein Bruchteil des Verhaufspreises kostet.

Wie siehts mit Deutschland aus?

Kleine Firmen und Selbstständige werden rigoros besteuert unabhängig davon, was am Ende zum Leben übrig bleibt - und das ist sehr entmutigend/frustrierend. Bei großen Konzernen scheint man die Augen zu verschließen. Das ist doch erstaunlich, da man annehmen muss, dass unsere Politiker ja doch eigentlich sehr üppig von UNSEREN mit viel Schweiß erarbeiteten Steuergeldern bezahlt werden und diese ausschließlich uns Deutschen dienen sollten, richtig?

Oder gibt es da eventuell noch "Entschädigungszahlungen" z.B. von Apple an die Politik und schwupp werden die Gesetze angepasst oder Gesetzeslücken werden ignoriert, und Konzerne müssen kaum noch Steuern bezahlen?
Ist dieser Verdacht, der sich mehr oder weniger automatisch aufdrängt, auch für Deutschland begründet?

Die Antwort des Konzerns:
Ich zitiere:"Apple hat in dem Steuerstreit stets darauf verwiesen, man halte sich an das geltende Recht und zahle vor allem in den USA Steuern, weil dort die eigentliche Wertschöpfung der Apple-Produkte stattfinde."

Ist das nicht eine deutliche Aussage, dass US-Konzerne darauf zielen, Devisen aus anderen Ländern mit überteuerten Produkten in die so teure Heimat zu lenken? Liegt die Wertschöpfung nicht eher in den asiatischen Herstellerländern?

Ist unser so wenig national eingestelltes Land (Ideal: die "offene Gesellschaft", massiv propagiert vom US-Bürger (sic!) George Soros, der durch halbseidene Währungsspekulationen gegen europäische Währungen (!) steinreich geworden ist) im Kampf um die Weltressourcen nicht im Nachteil?

Portrait von Monika Lazar
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Futtere,

für das steuerliche Vorgehen Apples oder anderer transnationaler Konzerne gibt es keine Entschädigungszahlungen an die PolitikerInnen in Deutschland. Vielmehr halten wir diese Praktiken – gerade gegenüber hier ansässigen mittelständischen Unternehmen - für höchst ungerecht und fordern zweierlei: Da grundsätzlich nicht genau zu ermitteln ist, wie viel Steuern Apple in Deutschland zahlt (hier gilt das Steuergeheimnis nach § 30 Abgabenordnung), fordert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zum einen eine Anzeigepflicht multinationaler Konzerne, um Transparenz hinsichtlich der Steuerpraktiken von Unternehmen herzustellen, und möchte das Publizitätsgesetz entsprechend abändern. Den entsprechenden Antrag zu Steuergerechtigkeit, Steuervermeidung und unseren Transparenzforderungen finden Sie im Anhang.

Zum anderen schlagen wir eine europaweite gemeinsame Körperschaftsbemessungsgrundlage vor, welche die Besteuerung für EU-weit operierende Unternehmen durch einen einheitlichen Mindeststeuersatz vereinfacht. Auf diese Weise soll Steuervermeidung einfacher offengelegt und wirkungsvoller bestraft werden.

Tatsächlich gehen dem Staat und dem Gemeinwesen durch Steuervermeidungspraktiken, mangelnde Transparenz und zahlreiche Steuerschlupflöcher viele Milliarden Euro verloren. Undurchsichtige Strukturen und rechtliche Grauzonen ermöglichen es multinationalen Konzernen wie Apple, von komplexen Vermeidungsstrategien Gebrauch zu machen. So hängt das Steueraufkommen multinationaler Konzerne in einem einzigen Land davon ab, wo Apple-Gesellschaften ansässig sind und welche steuerpflichtigen Komponenten des Konzerns dort abgelegt werden. Zur Umgehung von Steuerzahlungen in Deutschland wendet Apple zahlreiche Tricks an: Der Großteil der Steuerabgaben Apples in Irland und den Niederlanden geleistet. Weil dort niedrigere Steuersätze herrschen als in Deutschland, werden dort Patente, Markenrechte und Lizenzzahlungen abgelegt und entsprechend versteuert.

Eine informative Beschreibung zu den Steuerpraktiken Apples und Maßnahmen der EU-Kommission finden Sie auch in diesem Artikel der F.A.Z.: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/technologiekonzern-warum-zahlt-apple-so-wenig-steuern-15063714.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

Darüber hinaus ist bei den höheren Preisen von Apple-Produkten in Deutschland im Vergleich mit den USA folgendes zu bedenken: Bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern (Staaten die nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR gehören) wird eine Einfuhrumsatzsteuer von i.d.R. 19 % erhoben. Die genaue Berechnung können sie hier nachvollziehen: http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Einfuhrumsatzsteuer/Bemessungsgrundlagen/marginalspalte_beispiel_faq.html?nn=34140
In den USA wird im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland keine einheitliche Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) festgelegt, sondern je nach Bundesstaat in unterschiedlicher Höhe erhoben, so in Kalifornien etwa in Höhe von 8,44% oder im District of Columbia (Washington D.C.) 5,75%. Allgemein liegt die Mehrwehrsteuer in den USA nicht über 10%, sodass Apple-Produkte unterm Strich günstiger zu erwerben sind. Die genauen Angaben zu den „sales taxes“ in allen Bundesstaaten können Sie hier entnehmen: https://taxfoundation.org/state-and-local-sales-tax-rates-2015

Die Form der Steuererhebung folgt – gemäß Ihren Recherchen - dem Wertschöpfungsprinzip und hat damit steuerliche Vorteile für Apple in Deutschland. Die Steuererhebung nach dem Wertschöpfungsprinzip hat zwar in der Causa Apple weniger Steuereinnahmen für den Bund zufolge, sichert jedoch gleichzeitig, dass Unternehmen, die hauptsächlich in Deutschland ansässig sind (VW, Daimler, BASF, Siemens etc.), auch hier den Großteil ihrer Steuerabgaben leisten und ihre Steuerabgaben unserem Gemeinwesen zugutekommen.

Somit hat Deutschland seine nationalen wirtschaftlichen Interessen durchaus im Blick. Ein Beispiel hierfür ist die Schuldenkrise in Griechenland und anderen südeuropäischen Staaten. Zwar betrug der deutsche Anteil an den Kreditzahlungen insgesamt 57,17 Milliarden Euro (https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/euro/FAQ_ZUR_Eurokrise.pdf), aber durch die günstigen Konditionen am Kapitalmarkt kann Deutschland alte, höher verzinste Kredite ablösen und neue, niedrig verzinste aufnehmen. Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) spart Deutschland damit in fünf Jahren etwa 100 Milliarden Euro (http://www.iwh-halle.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/deutschland-hat-finanziell-stark-von-der-griechenlandkrise-profitiert/ )
Ein weiteres Beispiel ist Deutschlands Exportüberschuss, welcher im Jahr 2016 8,8% der Wirtschaftsleistung betrug (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handelsueberschuss-zankapfel-1.3469284 ) und im Ausland sowie durch den IWF stark kritisiert wird.

Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar