Wie stehen Sie zur Grundgesetzänderung in dem Punkt "Klimaneutralität bis 2045". Werden Sie zustimmen oder haben Sie eine kritische Haltung?
Sehr geehrter Herr Koob, meines Erachtens bringt die Aufnahme "Klimaneutralität bis 2045" in das GG nicht zuletzt weitreichende negative Folgen für die Wirtschaft mit sich. Das kann doch nicht Ziel der Politik der CDU sein.

Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und die offenen Worte zu den beschlossenen Grundgesetzänderungen. Ich verstehe Ihre Sorgen und nehme Ihre Bedenken sehr ernst. Aufgrund der Vielzahl an Zuschriften, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, die Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten nochmal ausführlich darzulegen.
Als ich 2013 mein Mandat im Deutschen Bundestag antrat, hätte ich mir niemals vorstellen können, dass ich eines Tages über eine solche Änderung der Schuldenbremse aufgrund der äußeren Gegebenheiten abstimmen müsste. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seitdem jedoch dramatisch verändert – besonders in den letzten Jahren. Die Welt ist unsicherer geworden, Deutschland steht vor großen wirtschaftlichen wie sicherheitspolitischen Herausforderungen, und wir müssen auf diese neuen Realitäten reagieren.
Lassen Sie mich daher darlegen, warum ich mich trotz der Kritik für eine Zustimmung zu den Änderungen entschieden habe.
Keine sofortige Neuverschuldung – sondern eine nachhaltige Zukunftssicherung
Entgegen vieler kursierender Informationen werden mit der Grundgesetzänderung keine neuen Schulden aufgenommen – erst recht keine 500 Milliarden oder gar eine Billion Euro. Vielmehr wird dem Bundestag die Möglichkeit eingeräumt, gezielt Investitionen in kritische Bereiche zu tätigen, um unser Land zukunftssicher aufzustellen.
Konkret bedeutet dies:
- Für die Verteidigung: Künftig werden Verteidigungsausgaben, die über 1 % des BIP hinausgehen, nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen. Damit gewährleisten wir unsere Verteidigungsfähigkeit in Zeiten wachsender Bedrohungen.
- Für Infrastruktur und Klimaschutz: Es wird ein Investitionsrahmen von 300 Mrd. Euro für Infrastruktur, 100 Mrd. Euro für Länder und Kommunen sowie 100 Mrd. Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) über einen Zeitraum von 12 Jahren geschaffen. Das entspricht rund 42 Milliarden Euro pro Jahr – ein Betrag, der sich mit den bisherigen Haushaltsansätzen vergleichen lässt.
Zum Vergleich: Allein für das Jahr 2024 wurden 33 Mrd. Euro neue Schulden im Rahmen der bisherigen Schuldenbremse beschlossen. Die jetzt geplanten Investitionen verteilen sich hingegen auf zwölf Jahre und sollen gezielt in zukunftssichere Projekte fließen, um Deutschland als Wirtschaftsstandort zu stärken. Eine wirtschaftsliberale Tageszeitung kommt in ihrer Analyse zu demselben Schluss: Diese Maßnahmen sind eine notwendige Anpassung an die Realität, ohne dass damit eine unbegrenzte Schuldenpolitik eingeläutet wird.
Ja, das stellt eine Abweichung zu den im Wahlkampf getätigten Aussagen zu solider Finanzpolitik dar. Ja, das kann als Wortbruch interpretiert werden.
Dennoch halte ich dieses Sondervermögen unabhängig von dem unbestrittenen Investitionsbedarf in unsere Infrastruktur aus vier Gründen für angemessen:
- Auch wenn das Sondervermögen die Gefahr birgt, die Inflation erneut anzuheizen und negative Auswirkungen zu haben, beruht es auf dem Konzept der renommiertesten Ökonomen unseres Landes – und zwar parteiübergreifend!
- Der NATO-Rat wird in Kürze eine Abkehr vom bisherigen 2%-Ziel der Verteidigungsausgaben hin zu einer 3,5%-igen Quote beschließen. Da unser Land nicht einmal in der Nähe des bisherigen 2%-Ziels liegt, bedeutet ein solcher Beschluss zusätzliche Verteidigungsausgaben in Höhe von 100 Milliarden EUR – jedes Jahr! Solche Ausgaben sind mit einer lahmenden Wirtschaft nicht zu stemmen – weshalb sie eine massive Initialzündung benötigt.
- Dies gilt umso mehr, da die Haushaltslage in den kommenden Jahren deutlich dramatischer ausfallen wird als zunächst angenommen. Der Beschluss dieses Sondervermögens bedeutet daher auch mitnichten, dass nicht gespart werden muss. Es muss erheblich strukturell gespart werden, um die wahrscheinlich langfristig erforderlichen Mehrausgaben der Verteidigung langfristig aus dem normalen Haushalt stemmen zu können.
- Während die Kommentierungen zu den Grundgesetzänderungen in unserem eigenen Land unterschiedlich ausfallen, werden sie von befreundeten Nationen teils euphorisch begrüßt und als Signal gewertet, dass Deutschland national wie international eine Führungsrolle übernehmen will.
Die Aufgabe der Klimaneutralität bis 2045 im Kontext
Die Aufgabe der Klimaneutralität bis 2045 bedeutet nicht, dass ein neues Staatsziel geschaffen wird. Es wird als ein Verwendungszweck für das Sondervermögen definiert – eine Einschränkung politischen Handelns oder einklagbare neue Tatbestände werden dadurch nicht geschaffen. Ich nehme anderslautende Stimmen ernst, verweise aber auf eine überwältigende Vielzahl von Einschätzungen von Verfassungsrechtlern, die dies bestätigen. Ungeachtet dessen gibt es eine mehrfache Bindung der Bundesrepublik an das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 durch andere gesetzliche Grundlagen. Ein neuer Sachverhalt wurde mit den Änderungen des Grundgesetzes aber nicht geschaffen.
Wählertäuschung? – Die Notwendigkeit einer pragmatischen Politik
Es ist verständlich, dass einige Bürger unsere Zustimmung zur Grundgesetzänderung als Abkehr von früheren Positionen zur Schuldenbremse betrachten. Tatsächlich haben wir uns in der Vergangenheit für eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse ausgesprochen. Gleichzeitig war uns aber immer bewusst, dass jede Regel an veränderte Gegebenheiten angepasst werden muss, wenn sich die Umstände grundlegend ändern.
Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich dramatisch verschärft. Zugleich steht Deutschland wirtschaftlich vor großen Herausforderungen. Unser Ansatz war stets, verantwortungsvoll zu handeln, statt an Positionen festzuhalten, die unter völlig anderen Rahmenbedingungen formuliert wurden.
Bereits vor der Wahl haben wir intern darüber diskutiert, dass eine Reform der Schuldenbremse in besonderen Situationen nötig werden könnte – insbesondere dann, wenn es um Investitionen in Infrastruktur und Zukunftstechnologien geht. Eine kategorische Ablehnung von Änderungen war nie unser Ansatz.
Ein weiterer entscheidender Faktor war, dass wir eine solche Grundgesetzänderung nicht unter der Ampel-Koalition mitgetragen haben, weil wir dann keinerlei Einfluss darauf gehabt hätten, wie die Mittel verwendet werden. Jetzt haben wir eine Regelung erarbeitet, die sicherstellt, dass das Geld nicht für konsumtive Ausgaben, sondern gezielt für Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur genutzt wird.
Diese Position wird auch von führenden Ökonomen geteilt, die betonen, dass es keine Widersprüchlichkeit darstellt, eine Anpassung der Schuldenbremse dann zu befürworten, wenn sie der langfristigen Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland dient.
Fazit: Eine Entscheidung für Deutschlands Zukunft
Wir haben diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen. Sie basiert auf der Überzeugung, dass Deutschland in einer sich verändernden Welt nur dann bestehen kann, wenn es auf neue Herausforderungen flexibel reagiert. Sicherheit, wirtschaftliche Stabilität und langfristige Investitionen dürfen nicht unter ideologischen Debatten leiden.
Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre kritische Begleitung politischer Entscheidungen. Ihre Meinung ist mir wichtig, und ich nehme Ihre Bedenken ernst.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Koob