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Marja-Liisa Völlers
SPD
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Frage von Reinhard G. •

Sollte nicht bei jeder wissenschaftlichen Studie, die veröffentlicht wird, aus Transparenzgründen immer gleich angeben werden, wer die Studie finanziert?

Sehr geehrte Frau Völlers,

eine wissenschaftliche Studie, die Greenpeace finanziert, könnte zu etwas anderen Ergebnissen führen, als eine, die beispielsweise vom Bayer-Konzern finanziert wird.

Sogenannte „An-Institute“ werden einer Hochschule angegliedert – ohne dass der Öffentlichkeit immer klar ist, von wem sie finanziert werden. https://de.wikipedia.org/wiki/An-Institut

Das „Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft“ (HIIG) wurde beispielsweise mit einer Finanzierung von Google gegründet. https://www.avhumboldt.de/?p=8124

Sollten in solchen Fällen nicht auch die Kooperationsverträge sofort offengelegt werden?

Wie könnte die Forschung unabhängiger werden?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr G.

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an dem Thema!

Einleitend ist allerdings wichtig festzuhalten, dass das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und der Konzern Google keine Kooperationsvereinbarung in dem Sinne haben. Google ist Initialspender und auch weiterhin einer der privaten Spender neben mittlerweile hauptsächlich öffentlichen Förderern des Instituts wie bspw. dem BMBF, BMWi, BMAS und der EU. Auf der Webseite des Instituts können Sie eine Auflistung der diversen Förderer, Mittelgeber und Partner entnehmen: https://www.hiig.de/finanzierung/ ; sowie eine Erläuterung über das Verhältnis zwischen Forschungs- und Fördergesellschaft im Gesellschaftsvertrag finden: https://www.hiig.de/wp-content/uploads/2015/06/Gesellschaftsvertrag_D16623_final.pdf .

Allerdings sprechen Sie trotzdem mit Ihrem Anliegen einen sehr wichtigen Punkt an - die Freiheit und Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung. In diesem Fall spiegelt sich die Zusammenarbeit neben der Finanzierung ja auch in dem einen Sitz von Google im Aufsichtsgremium des Instituts wider. Die SPD und ich sind da Ihrer Meinung, dass eine solche Zusammenarbeit stets kritisch betrachtet werden sollte.

Aber auch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft können ihren Beitrag leisten. Auch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen können die Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft steigern. Wir wollen diese Kooperationen, von denen beide Seiten profitieren können. Unternehmen erhalten hierdurch Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und können diese für neue innovative Produkte nutzen. Hochschulen erhalten die Möglichkeit, dass ihre Forschungsergebnisse Anwendung finden, und Mitarbeiter und Studierende werden von Unternehmen aufgenommen.

Hieraus ergibt sich eine Win-win-Situation für beide Seiten. Insgesamt investierte die Wirtschaft im Jahr 2019 Drittmittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro in die Hochschulen.

Doch wie in jeder guten Beziehung müssen die Spielregeln stimmen. In der vergangenen Zeit wurden immer wieder Verträge zwischen Unternehmen und Hochschulen bekannt, durch die der Eindruck entstand, dass sich ein Unternehmen in eine Hochschule einkaufen will, indem es sich vertraglich Mitsprache- und Entscheidungsrechte sichern will, so auch, wenn es sich um Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen handelt. Zudem berichteten einzelne Hochschulen davon, dass Unternehmen mit Verträgen an sie herangetreten sind, bei denen sie als Geldgeber die Forschungsthemen diktieren wollten und die Rechte an den Forschungsergebnissen für sich beanspruchten.

Dies ist ein Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung, der so nicht hinnehmbar ist. Hochschulen zeigen inzwischen vereinzelt genug Selbstbewusstsein und lehnen solche indiskutablen Verträge ab; denn sie sind sich durchaus bewusst, dass nicht nur sie von dem Geld der Wirtschaft profitieren, sondern dass auch die Unternehmen einen starken Vorteil durch eine Zusammenarbeit erhalten. Die Wissenschaft sieht sich inzwischen als gleichwertiger Partner und nicht als Forschungslieferant der Wirtschaft.

Nun könnte man meinen, dass sich alles von alleine zurechtruckelt. Doch hier geht es darum, die Freiheit der Wissenschaft zu schützen. Deshalb sollten Spielregeln geschaffen werden, an denen sich die beteiligten Partner orientieren können. Hierfür muss kein gesetzlich detailliertes Regelwerk geschaffen werden; denn auch hierdurch bestünde die Gefahr eines staatlichen Eingriffes in die Freiheit der Wissenschaft.

Die SPD fordert darum eine von Bund und Ländern gemeinsam formulierte Offenlegungspflicht von Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, die sich begrenzt auf die Partner, die Fördersumme und die Laufzeit. Dass dies rechtlich möglich ist, wurde auch vom Wissenschaftlichen Dienst bestätigt.

Zudem schlagen wir vor, dass ein Kodex erarbeitet wird, mit dem die Bundesländer und Hochschulen Kriterien für die Ausgestaltung und Grenzen von Kooperationen mit Unternehmen erhalten. Dies gibt den Kooperationspartnern die Sicherheit, sich auf gleicher Augenhöhe zu bewegen. Außerdem ist von vornherein jeder Verdacht ausgeschlossen, dass die Freiheit von Forschung und Wissenschaft beeinträchtigt wird.

Auf diese Informationen hat die Öffentlichkeit insofern einen Anspruch, als die Wissenschaft vornehmlich öffentlich finanziert wird.

Das Hauptziel von Studium, Lehre und Forschung an unseren Hochschulen muss der gesamtgesellschaftliche Nutzen sein. Darum wollen wir den zunehmenden Einfluss privatwirtschaftlicher sowie neoliberaler, rein auf ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtete Interessen im Studium zurückdrängen.

Außerdem wollen wir auch die Grundfinanzierung stärken und stattdessen den Anteil der Drittmittelfinanzierung zurückdrängen. Dazu haben wir bereits das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgebrochen. Und der Bund ist mit dem "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" dauerhaft in die Grundfinanzierung der Hochschulen eingestiegen: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/studium/zukunftsvertrag-studium-und-lehre-staerken/zukunftsvertrag-studium-und-lehre-staerken.html

Mit unseren Forderungen für eine verbesserte Transparenz in der Wissenschaft wäre eine verbesserte, vertrauensvollere Situation für alle – Kooperationspartner und Öffentlichkeit – entstanden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit unsere Position verdeutlichen.

Wenn Sie diesbezüglich noch Rückfragen haben, melden Sie sich gerne.

Mit freundlichen Grüßen,

Marja-Liisa Völlers, MdB

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