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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Richard G. •

Warum setzt die Regierung nicht während der Energiekriese die vor 2-3 Jahren eingeführte Zertifizierungspflicht für mittelgroße Solaranlagen aus, damit solche Anlagen nicht über 2 Jahre stillstehen?

Laut einem Report auf Spiegel online mit dem Titel „Wie die Bürokratie die Energiewende ausbremst“ können in Deutschland ca. 1000 Solaranlagen, von denen jede 200-300 Haushalte versorgen könnte, bis zu 2 Jahre nach deren technischer Abnahme keinen Strom einspeisen, weil sie mangels Zertifizierern solange auf eine Zertifizierung warten müssen, welche für solch mittelgroße Anlagen (unter 1000 kW) erst vor 2-3 Jahren eingeführt wurde.

Warum kann man diese Zertifizierungsplicht für solche "mittleren bis kleineren" Anlagen nicht während der Energiekriese aussetzen, um möglichst wenig Strom mit Gas produzieren zu müssen?

Noch immer beträgt der mit Gas produzierte Strom im deutschen Strommix zwischen 10-15 %. Eine sehr schnelle Reduzierung dieses Anteils durch die zeitweilige Aussetzung der Zertifizierungsplicht senkt den Strompreis und hilft der Versorgungssicherheit mit Gas.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Antwort auf diese Zertifizierungsfrage konzentrieren könnten.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr G.,

haben Sie besten Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Bitte entschuldigen Sie zunächst vielmals, dass ich erst heute dazu komme, auf Ihre Frage zu antworten. Da die Arbeitsbelastung derzeit sehr hoch ist, bin ich leider nicht vorher dazu gekommen. Dies will ich im Folgenden aber gerne (noch) tun.

Da ich selbst im Schwerpunkt ja eher in anderen thematischen Gefilden unterwegs bin, vor allem der Innen- und Digitalpolitik, habe ich noch einmal Rücksprache mit den Expertinnen und Experten meiner Fraktion gehalten, die darauf hinwiesen, dass die von Ihnen angesprochenen Probleme als solche erkannt wurden und derzeit von der Ampel bzw. dem BMWK unter Robert Habeck entschlossen angegangen werden. Das begrüßen wir ausdrücklich. 

In der Vergangenheit haben unverhältnismäßige Zertifizierungsanforderungen den Photovoltaikausbau oberhalb viel zu stark behindert. Diese bürokratischen Hemmnisse gilt es entschlossen abzubauen. Das BMWK will dies u.a. über Änderungen in der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV) sowie der Technische-Anforderungen-Verordnung (TAV) erreichen. Neue Anlagen sollen zukünftig sehr viel schneller ans Stromnetz angeschlossen werden können. Die jüngst vorgelegten Reformpläne sehen u.a. vor, dass PV-Anlagen mit einer Anschlussleistung zwischen 135 bis 500 Kilowatt zukünftig von der Pflicht zum Anlagenzertifikat befreit werden, wenn sie über den Eigenverbrauch in der Kundenanlage hinaus maximal 270 Kilowatt Leistung ins Netz einspeisen. Das bedeutet, dass Betreiber von Solaranlagen mit einer Leistung von bis zu 270 Kilowatt kein Anlagenzertifikat mehr brauchen. Liegt die Leistung der Anlage darüber, ist es wichtig, dass die Betreiber die komplette Leistung über den 270 Kilowatt komplett für den Eigenverbrauch nutzen. Eine wesentliche Vereinfachung besteht darin, dass zukünftig bei Anlagen dieser Größenordnung nicht mehr die „Mittelspannungsrichtlinie“ anzuwenden wäre, sondern die einfachere „Niederspannungsrichtlinie“. Insgesamt handelt es sich bei den jüngsten Reformen sicherlich um einen Kompromiss, jedoch einen guten, der nach Ansicht auch von Branchenverbänden bestehende Marktbarrieren hoffentlich zu beseitigen hilft. 

Mit besten Grüßen

Konstantin v. Notz

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