Wieso wird im Diskurs der Bundesregierung bzgl. des Angriffs Israels auf Iran so sehr vermieden darauf hinzuweisen, dass es sich um einen offensichtlich völkerrechtswidrigen Angriffsskrieg handelt?
Sehr geehrte Frau Heinrich, die Reaktionen der deutschen Bundesregierung mit Hinblick auf das militärische Vorgehen Israels in Gaza, im Westjordanland und nun im Iran verstört mich zunehmend und mit jedem weiteren Tag, an dem seitens der deutschen Bundesregierung keinerlei politische oder wirtschaftlichen Konsequenzen gefordert werden. Es verfestigt sich der Eindruck, dass das internationale Völkerrecht für einige Akteure keine Rolle zu spielen scheint und sie dafür keinerlei Konsequenzen tragen müssen. Ich frage mich zunehmend, ob Deutschland tatsächlich aus seiner Geschichte gelernt hat (Nie wieder), wenn es die jüngsten Ereignisse so einseitig kommentiert. Als Politikwissenschaftler und politischer Mensch hat mich in den letzten zwei Jahren nichts so sehr desillusioniert und entfremdet wie das unehrliche und inkohärente Handeln der Bundesregierung in dieser Angelegenheit.
https://www.zdfheute.de/politik/ausland/israel-iran-angriff-voelkerrecht-nahost-100.html

Sehr geehrter Herr F.,
der Angriff der Hamas und palästinensischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem diese gezielt rund 1.200 Zivilistinnen und Zivilisten brutal ermordet hatten, war der Ausgangspunkt für den aktuellen Gaza-Krieg. Dieser dauert auch deswegen an, weil die Hamas weiterhin Geiseln festhält und sich weigert, die Waffen niederzulegen.
Fakt ist, dass die humanitäre Lage im Gaza-Streifen katastrophal ist. Es kommen viel zu wenige Hilfsgüter hinein. Die Bundesregierung und die SPD haben gegenüber Israel stets deutlich gemacht, dass Israel an das Völkerrecht gebunden ist und auch im Rahmen der Selbstverteidigung die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes gewahrt werden muss. Wir fordern zugleich den ungehinderten Zugang von Hilfsorganisationen und rufen die israelische Regierung dazu auf, den uneingeschränkten, dezentralen Zugang zu Lebensmitteln und zur medizinischen Versorgung für die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen unverzüglich sicherzustellen. Das haben wir gerade erst auf unserem Parteitag bekräftigt. Nachhaltigen Frieden wird nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung bringen. Um dieser näher zu kommen, setzen wir auf Dialog, Verhandlungen und Gespräche.
Ich persönlich bin nicht dafür, den Gaza-Krieg und den israelischen Angriff auf das Nuklearprogramm Irans in einen Topf zu werfen. Und ich finde es auch nicht angemessen, diese Konflikte ein Stück weit mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in den Zusammenhang zu bringen.
In Bezug auf den Iran muss aus meiner Sicht berücksichtigt werden, dass dieser wiederholt das Ziel der Vernichtung Israels propagiert und allen Erkenntnissen zufolge an einer Atombombe gearbeitet hat. Die Bedrohung Israels durch den Iran ist keine rein theoretische. Zumal der Iran den bewaffneten Kampf gegen Israel über die Hisbollah, die Huthis und die Hamas unterstützt. Ich persönlich habe allerdings deutliche Zweifel daran, dass diese Argumente ausreichen, um die Luftangriffe Israels und der USA auf den Iran durch das Völkerrecht gleichsam abzudecken. Dazu wäre die Voraussetzung, dass der Iran Hamas, Hisbollah und Huthis nicht nur unterstützt, sondern steuert und kontrolliert. Auch ein grundsätzliches, rein präventives Selbstverteidigungsrecht sieht das Völkerrecht nicht vor. Das Völkerrecht erlaubt zwar durchaus, einem unmittelbar bevorstehenden Angriff eines anderen Staates zuvorzukommen. Ob ein solcher Angriff des Iran auf Israel aber unmittelbar bevorstand, ist eine andere Frage.
All das gilt es, auf internationaler Ebene zu benennen und zu hinterfragen. Die Achtung des Völkerrechts und ein Ende der Gewalt stehen an erster Stelle. Auch das haben wir bei unserem Parteitag deutlich gemacht.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich