Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Gabriela Heinrich
SPD
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Frage von Florian H. •

Frage an Gabriela Heinrich von Florian H. bezüglich Umwelt

Wie stehen Sie zum "tollen" #KohleEINstiegsgesetz, eigentlich "Kohleausstiegsgesetz", welches das BMWi im Schatten der Coronakrise durchboxen möchte? (https://www.bundestag.de/ausschuesse/a09/Anhoerungen/687048-687048)

Ich hoffe Sie und auch die anderen Mitglieder*innen des Bundestages stellen sich gegen dieses "Gesetz", was lediglich für RWE einen Nutzen hat, nämlich sehr viel Geld. Unsere Kinder und alle zukünftigen Generationen werden mit den Schäden, die daraus entstehen werden zu kämpfen haben.

Zur Info:
Diese Woche hat der Umweltrat, eine vom Bundestag bestellte Institution, eine CO2-Budgetrechnung für Deutschland aufgestellt, die besagt, dass wenn wir so weiter machen wie bisher ("Business-As-Usual") wir, gemessen an der Bevölkerungszahl Deutschlands, bis 2026 CO2-Neutral sein müssen!
Und selbst dieser Beitrag bringt uns "nur" eine 50%-ige Chance ein, das 1,5°-C-Ziel einzuhalten.
Quasi ein Münzwurf für das Überleben!?

Ich hoffe inständig, dass Sie weise und Zukunftsorientiert entscheiden werden.

Herzliche Grüße
F. H.​​​​​​​
Ingenieur, Vater, Aktivist

Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Henig,

ich kann offen gesagt nicht ganz nachvollziehen, dass Sie mich auffordern, gegen den Kohleausstieg zu stimmen, aber gleichzeitig für mehr Klimaschutz werben.

Der Kohleausstieg ist ein wesentliches Element der Energiewende, die einst von der damaligen rot-grünen Bundesregierung gestartet wurde und anschließend von der SPD in Regierungsverantwortung weiter vorangetrieben wurde. Wir haben den Kohleausstieg in mühseligen Verhandlungen bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Vorher hatte es hierzu – bis zum Schluss – keine Einigung bei den geplatzten Sondierungen von Union, FDP und Grünen gegeben. Wir wollen den Kohleausstieg auch keineswegs „im Schatten der Coronakrise durchboxen“, sondern sind stolz darauf, dass Deutschland mit dem Kohleausstieg das einzige Industrieland wird, das gleichzeitig aus Kohle und Atomkraft aussteigt und somit eine Vorbildfunktion einnimmt. Im Übrigen: Sollen wir mit dem Kohleausstieg warten, bis die Corona-Pandemie vorbei ist und dürfen bis dahin keine Gesetzgebungsverfahren mehr starten?

Ich weiß, dass manchen der Kohleausstieg nicht schnell genug geht. Anderen geht er zu schnell. Wir haben daher einen Kompromiss gefunden. Kompromisse kann man kritisieren, das ist das gute Recht in einer Demokratie. Auf der anderen Seite darf aber nie vergessen werden, dass in einer Demokratie entsprechende Mehrheiten notwendig sind, um etwas umzusetzen, und dass Konflikte mit Kompromissen gelöst werden. Nur so lassen sich gesellschaftlicher Konsens und nachhaltige Lösungen erreichen, die dann auch Bestand haben. Da der Kohleausstieg die getätigten Investitionen betroffener Betriebe entwertet, erscheint eine Entschädigung unumgänglich, zumal unsere Verfassung das Eigentum schützt. Unser Ziel ist eine rechtssichere Lösung: Sie muss tragen und nicht am Ende zu Klagen und entsprechenden Entschädigungen auf dem Gerichtsweg führen. Es nützt ja nichts, sich wie die Oppositionsparteien mit einem „Nein zu Geld für RWE!“ öffentlichen Applaus abzuholen, wenn dafür später die Zeche zu zahlen ist.

Das Umweltgutachten fordert in der Tat weitere Anstrengungen. Bereits verabschiedet haben wir das von der SPD in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzte Klimaschutzgesetz, mit dem wir – erstmals in der Geschichte des Landes – Klimaschutz bundesweit gesetzlich vorschreiben. Das Gesetz ist auch deswegen so wichtig, weil es zusätzliche Anstrengungen in den Bereichen einfordert, in denen wir besonderen Nachholbedarf haben. Das sind insbesondere die Bereiche Verkehr und Wohnen. Aktuell wird zudem an einem Konjunkturprogramm gearbeitet, bei dem es aus Sicht der SPD darum gehen muss, Konjunkturimpulse mit klimapolitischen Weichenstellungen zu verbinden. Dafür bietet das Gutachten eine gute Argumentationsgrundlage und wir setzen uns entsprechend in den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner ein.

In den Koalitionsverhandlungen hat die SPD das 65-Prozent-Ziel für erneuerbare Energie am Stromverbrauch bis 2030 durchgesetzt. Die Forderung, den Umbau des Energiesystems auf 100 Prozent Erneuerbare Energien möglichst schnell zu gestalten teile ich. Wir haben aber durchaus auch schon etwas erreicht. Der Anteil Erneuerbarer Energie am Bruttostromverbrauch hat sich in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet (10,3% im Jahr 2005, 17 % im Jahr 2010, 37,8 % im Jahr 2018). Allein im letzten Jahr gab es nochmal eine Steigerung auf zuletzt 42,1 Prozent (2019), also – anders als oft behauptet – auch eine weiterhin dynamische Entwicklung. Damit das so weitergeht, haben wir gerade – endlich – einen Kompromiss dafür gefunden, dass die Windkraft weiter zulegen kann und der sogenannte „Solardeckel“ aufgehoben wird. Gleichzeitig wollen und müssen wir weiter noch mehr dafür werben, dass die Bevölkerung es auch akzeptiert, wenn die Erneuerbare Energie ausgebaut wird (derzeit wird der Ausbau auch durch Klagen gegen Windkraftanlagen und die notwendigen Stromleitungen gebremst). Denkbar wäre zum Beispiel eine finanzielle Beteiligung der betroffenen Kommunen am Ertrag.

Ohne Frage, liegt noch ein langer Weg vor uns, so schnell wie möglich klimaneutral zu werden. Uns ist dabei aber auch wichtig, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen: Wir möchten die Klimafrage sozial gerecht lösen und auch die Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigen. Die Klimaziele werden nur zu erreichen sein, wenn wir auch international mit voller Kraft den Umbau – auch durch Know-how – unterstützen und gleichzeitig der Welt beweisen, dass Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg kein Gegensatz sind. Nur dann werden uns andere Staaten als Vorbild nehmen und ebenfalls auf Atomkraft und Kohle verzichten.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich

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