Beabsichtigt die Regierungskoalition überhaupt ernsthafte Reformen bei der Rente?
Sehr geehrter Herr Güntzler,
der demographische Wandel und das Problem der Rentenfinanzierung sind drängende Fragen und seit langem bekannt. Als Bürger würde man sich deshalb erhoffen, dass sich eine große Koalition der Sache annimmt. Die aktuellen Aussagen führender Politiker der SPD und z.T. auch Ihrer Partei deuten jedoch nicht darauf hin, dass an wesentlichen Stellschrauben wie der Lebensarbeitszeit gedreht wird. Dafür spricht auch, dass das Thema erst einmal in eine Kommission "ausgelagert" wird. Es ist kaum zu erwarten, dass in der 2. Hälte der Legislaturperiode ein unbeliebtes Thema wie die Rentenfrage wirklich angegangen wird. Kann es sein, dass auch die sogenannten staatstragenden Parteien aus Angst vor den Wählern nicht mehr zu nötigen Reformen in der Lage sind?

Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihre kritische Auseinandersetzung mit der Rentenpolitik. Sie sprechen ein Thema an, das in der Tat zu den zentralen Herausforderungen unseres Sozialstaates gehört – und dem wir uns als CDU auch weiterhin mit Verantwortung und Weitblick stellen.
Der demographische Wandel ist Realität: Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen. Dass dieses Ungleichgewicht auf Dauer nicht tragfähig ist, ist allen politisch Verantwortlichen bewusst – und verlangt nach entschlossenen, aber auch sozial ausgewogenen Reformen.
Was hat die Koalition vor?
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD haben wir eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung und Reform der Alterssicherung vereinbart. Dabei setzen wir nicht nur auf die gesetzliche Rente, sondern stärken auch die kapitalgedeckte und betriebliche Altersvorsorge:
Das Rentenniveau wird bis 2031 bei mindestens 48 Prozent gesetzlich garantiert. Die dadurch entstehenden Mehrausgaben sollen durch Steuermittel abgesichert werden.
Mit der Einführung der „Frühstart-Rente“ ab 2026 fördern wir frühzeitig private Vorsorge bereits in der Jugend.
Wir stärken die betriebliche Altersvorsorge – insbesondere für Geringverdiener und in kleinen Unternehmen.
Wir führen mit der „Aktivrente“ einen steuerlichen Anreiz ein, um freiwilliges Weiterarbeiten nach dem Renteneintritt attraktiver zu machen: Bis zu 2.000 Euro monatliches Einkommen bleiben steuerfrei.
Warum eine Kommission?
Die Einsetzung einer Rentenkommission ist kein Ausdruck von Reformunwillen – im Gegenteil. Die Kommission hat den Auftrag, bis zur Mitte der Legislatur eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen hinweg zu erarbeiten. Ziel ist eine langfristige, generationengerechte Stabilisierung unseres Rentensystems. Als CDU vertreten wir dabei eine klare Haltung: Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit in der Finanzierung – und dazu gehört auch die ehrliche Debatte über längere Lebensarbeitszeiten, höhere Erwerbsbeteiligung und die stärkere Einbeziehung kapitalgedeckter Elemente.
Haushaltspolitische Realität: Reformfähigkeit ist auch finanzielle Notwendigkeit
Zugleich müssen wir realistisch anerkennen, dass die Spielräume im Bundeshaushalt enger werden. Die Einführung eines neuen Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaschutz, die Lockerung der Schuldenbremse sowie die haushaltsrechtliche Ausnahme für Verteidigungsausgaben schaffen neue Belastungen. Um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bundes zu erhalten, sind ab 2027 bis mindestens 2029 erhebliche Einsparungen notwendig. Eine Rentenreformkommission muss daher nicht nur eine langfristige Perspektive aufzeigen, sondern auch helfen, konkrete Konsolidierungspotenziale zu identifizieren. Denn auch im Bereich der Alterssicherung muss gelten: Wer dauerhaft finanzieren will, muss rechtzeitig vorsorgen.
Fehlt es am politischen Mut?
Die Sorge, dass Parteien aus Angst vor unpopulären Entscheidungen zurückschrecken, teile ich nicht. Es geht darum, Reformen nicht mit der Brechstange durchzusetzen, sondern gesellschaftlich tragfähig zu gestalten. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir Probleme lösen – aber auch, dass wir dabei Maß halten. Als CDU sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir werden notwendige Reformen nicht aus parteitaktischem Kalkül blockieren.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Güntzler