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Fabio De Masi
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Frage von Ulrike N. •

Frage an Fabio De Masi von Ulrike N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr De Masi,

zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das zweite Fragenpaket zum Themenbereich B. Maßnahmen zur Beseitigung sozialer Ungleichheit.

B. 1) Durch die Niedrigzinspolitik fällt es privaten Versicherungsunternehmen zunehmend schwerer, das ihnen anvertraute Geld gewinnbringend anzulegen und zu mehren, um zukünftige Rentenansprüche auszahlen zu können (die ja bereits durch die wesentlich höheren Nebenkosten der privaten Versicherungsunternehmen dezimiert sind). Mit welchen Maßnahmen, Konzepten oder Gesetzesänderungen wollen Sie in Zukunft die Pensionsansprüche gewährleisten und Altersarmut verhindern?

B. 2) Durch den Ausbau des Niedriglohnsektors und steigende Lebenshaltungskosten verschulden sich immer mehr private Haushalte (ca. 7 Mio. Haushalte in D. sind überschuldet). Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die zunehmende Verschuldung privater Haushalte einzugrenzen oder zu verhindern?

B. 3) Sieht Ihr Parteiprogramm vor, bestehende Ungleichheiten in Einkommens- und Vermögensverteilung durch konkrete Maßnahmen zu reduzieren? Wenn ja, welche?

B. 4) Finden Sie die politische Einführung eines Grundrechts auf Arbeit sinnvoll?

B. 5) Welche Konzepte für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus halten Sie für zielführend?

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BSW

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich der Reihe nach beantworten möchten.

1) Die Teil-Privatisierung der Rente (Stichwort: Riester) ist gescheitert. Auch unabhängig von Niedrigzinsen, denn sie ist ineffizient und teuer. Wer privat im Rahmen der Riester-Rente vorgesorgt hat, soll nach Auffassung der Linksfraktion die Möglichkeit bekommen, seine Ansprüche in die gesetzliche Rente überführen zu können. Die Absenkung des Rentenniveaus war aus Sicht der Linksfraktion nicht geboten. Denn unsere Gesellschaft wird immer reicher und selbst bei Alterung der Gesellschaft nimmt die Produktivität der Beschäftigten zu. Dies ermöglicht auch mehr ökonomisch Inaktive (Rentnerinnen und Rentner, Kinder) zu finanzieren. Zumal die demographischen Umbrüche (Alterung der Gesellschaft) über lange Zeiträume schwer abzuschätzen sind. Selbst bei zunehmender Alterung der Gesellschaft ist eine den Lebensstandard sichernde Rente möglich, wenn alle einzahlen. Somit würde den Umbrüchen in der Arbeitswelt (mehr Selbstständige, mehr Berufswechsel und längere Zeiträume ohne Erwerbstätigkeit durch größeren Anteil der Bevölkerung in Studium und anderen Bildungsmaßnahmen) entsprochen. Das haben wir vor kurzem auch in diesem Antrag (19/17255) gefordert: https://dserver.bundestag.de/btd/19/172/1917255.pdf.

Die gesetzliche Rente muss nach dem Vorbild Österreichs gestärkt werden. Die Durchschnitts-Renten in Österreich sind weit höher als in Deutschland. Die gesetzliche Rentenversicherung muss eine Rente für alle werden, in die also auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige usw. einzahlen. Das Rentenniveau soll wieder auf 53% vom Durchschnittseinkommens der Erwerbstätigen angehoben werden und Renten bis zu einem Existenzminimum von 14.400 Euro jährlich steuerfrei sein. Niedrigrenten, die auch die Folge von Niedriglöhnen sind, müssen aufgestockt werden.

2) Überschuldung trifft vor allem diejenigen mit zu geringen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen. Deshalb brauchen wir einen höheren Mindestlohn von mindestens 12 Euro, mehr Tarifverträge und eine Investitionsoffensive, die die Wirtschaft ankurbelt und die Einkommen der Mehrheit steigert. Darüber hinaus sollten Dispozinsen auf 5% über dem Leitzins der Zentralbank gedeckelt werden, der sog. graue Kreditmarkt strenger reguliert werden und Verbraucherzentralen sowie Schuldnerberatungsstellen der Länder und Kommunen ausgebaut und finanziell dauerhaft gestärkt werden. Genau das haben wir auch in dieser Legislaturperiode in einem Antrag gefordert: siehe Drucksache 19/25065 .

3) Die Verringerung der Ungleichheit ist Kern linker Politik. Wir wollen zum Beispiel die Einkommensteuer reformieren, sodass kleine und mittlere Einkommen entlastet und Spitzeneinkommen belastet werden. Ferner sollen Kapitalerträge zukünftig nicht mehr niedriger als Einkommen aus Arbeit besteuert werden. Außerdem fordern wir eine einmalige Vermögensabgabe für Milliardäre und Multimillionäre nach Vorbild des Lastenausgleichs nach dem zweiten Weltkrieg, um den Kürzungshammer abzuwehren, der mit der Reaktivierung des Neuverschuldungsverbotes der Schuldenbremse und der 20 Jahres Frist für die Tilgung der Corona-Kredite, droht. Ebenso wollen wir die dauerhafte Vermögensteuer für die Länder wieder auf hohe Millionenvermögen erheben. Beide Arten der Vermögensteuern sollen mit jeweils progressiven Tarifen ausgestaltet werden, damit diejenigen, die mehr haben und höhere Renditen auf Ihre Vermögen erzielen, auch mehr zahlen.

Das sind nur einige unserer Maßnahmen, mit denen wir die Ungleichheit in Deutschland, die bei den Einkommen (vor Steuern) wieder so groß ist wie zur Kaiserzeit, korrigieren wollen. Denn massive Ungleichheit ist eine Zumutung für die Demokratie und verletzt das Leistungsprinzip.

4) Ja. Das Recht auf Arbeit steht schon in der universellen Erklärung der Menschenrechte. Von einer Realisierung kann mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen in Europa keine Rede sein. Gute Arbeit ist ein Hauptanliegen linker Politik. Jedem, der Arbeit sucht, sollte eine gute Arbeit angeboten werden können. Dafür braucht es eine neue Wirtschaftspolitik und eine Investitionsoffensive in die Zukunft. Außerdem finde ich das Konzept der Jobgarantie vielversprechend. Darüber habe ich hier auf Abgeordnetenwatch (https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/fabio-de-masi/fragen-antworten/575261) sowie in dieser Veranstaltung (https://www.youtube.com/watch?v=grphLwipSlc&t=8s) ausführlicher gesprochen.

5) Die Schuldenbremse, die ja auch auf Ländereben gilt und auch die Kommunen belastet, muss wieder durch eine goldene Regel ersetzt werden, wonach öffentliche Investitionen auch über Kredite finanziert werden können. Investitionen schaffen auch Vermögen für zukünftige Generationen und ihre Finanzierung sollten daher zeitlich gesteckt werden. Warum sollten nur die heutigen Steuerzahler für eine Universität bezahlen, die noch unsere Enkelkinder nutzen?

Ebenso müssen die Kommunen, von denen viele durch die Corona-Krise und Einbrüche bei der Gewerbesteuer betroffen sind, finanziell gestärkt werden. Dies war schon vor der Corona-Krise erforderlich. Hierzu möchte ich auf unseren Antrag (https://dserver.bundestag.de/btd/19/186/1918694.pdf) und meine schon etwas ältere Rede im Bundestagsplenum verweisen (https://www.youtube.com/watch?v=v78HyAWKGAM&t=29s).

Sozialer und öffentlicher Wohnungsbau ist Kernaufgabe staatlicher Daseinsvorsorge, um das Mietniveau zu dämpfen. Dort wollen wir kräftig investieren, aber mehr Geld für Personal in unterbesetzten Verwaltungen aufbringen, damit z.B. Baugenehmigungen schneller erteilt werden können. Außerdem wollen wir gemeinnützige, genossenschaftliche Wohnprojekte unterstützen, indem Fördermittel und Steuervergünstigungen davon abhängig gemacht werden, dass Mieter demokratisch mitbestimmen dürfen und etwaige Gewinne in den Ausbau oder Bestand der Wohnungen reinvestiert werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Abonnieren Sie gerne meinen Newsletter, um über meine politischen Aktivitäten auf dem Laufenden zu bleiben: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html.

Ihr,
Fabio De Masi