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Elisabeth Winkelmeier-Becker
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Frage von Daniel S. •

Warum lagern Nachlassgerichte die Ermittlung von Überschuldung an Bürger aus, statt den Amtsermittlungsgrundsatz konsequent umzusetzen?

Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,

im Nachlassverfahren am Amtsgericht Leipzig wurde von meiner Partnerin als Erziehungsberechtigter verlangt, für unsere minderjährige Tochter Nachweise über die Überschuldung eines entfernten Verwandten zu beschaffen – obwohl seit Jahrzehnten kein Kontakt bestand und keinerlei Informationen oder Unterlagen zugänglich sind.

Nach meinem Verständnis verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG; vgl. auch Keidel, FamFG, § 26 Rn. 13; BGH NJW 2018, 508) das Nachlassgericht, den Sachverhalt eigenständig und vollständig zu ermitteln. Trotzdem werden Bürgerinnen und Bürger in der Praxis mit bürokratischem Aufwand belastet, der ihrer Lebensrealität und dem Sinn des Gesetzes widerspricht.

Wie beurteilen Sie diese Verwaltungspraxis im Licht des FamFG und sehen Sie konkreten Reformbedarf, um Bürger effektiver vor unnötiger Bürokratie und Überforderung durch Nachlassgerichte zu schützen?

Mit freundlichen Grüßen

Daniel S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Ermittlung von Erben im Nachlassverfahren.

Vorweg möchte ich klarstellen, dass ich mich nicht zu Ihrem konkreten Einzelfall äußern kann, da mir hierzu zum einen nicht alle Informationen vorliegen, zum anderen das Gericht unabhängig und ohne jede Einflussnahme aus der Politik entscheidet. 

Grundsätzlich verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz aus § 26 FamFG das Nachlassgericht, Tatsachen und Beweise zu ermitteln. Allerdings ergibt sich aus § 27 FamFG, der sogenannten Mitwirkungspflicht, auch, dass die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken müssen. Zwar stehen diese beiden Grundsätze ergänzend zueinander, jedoch kann sich auch ein gewisses Spannungsverhältnis ergeben. Wie Sie bereits angesprochen haben, hat die Mitwirkungspflicht jedoch auch Grenzen, die in der Zumutbarkeit für den Beteiligten liegen. Die Nähe zum Verwandten ist hierbei mitentscheidend. 

Wenn Ihnen die angefragten Informationen nicht vorliegen und auch nicht ohne erheblichen Aufwand besorgt werden können, kann Ihnen das Gericht das nicht zum Vorwurf machen. Dementsprechend sieht § 27 FamFG auch keine Rechtsfolgen vor, wenn angefragte Informationen nicht beigebracht werden können. Das Gericht kann allenfalls von einem ungünstigeren Sachverhalt ausgehen, wenn die im konkreten Fall günstigen Tatsachen nicht beigebracht werden. 

Insofern denke ich, dass das rechtliche Instrumentarium aus Amtsermittlungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht grundsätzlich richtig ist. Es liegt auf der Hand, dass das Gericht sich im Rahmen seiner Amtsermittlungen zunächst an die Angehörigen oder andere Beteiligte richtet, bei denen im Normalfall die relevanten Informationen am ehesten zu erheben sind. Auf der anderen Seite besteht im Rahmen des Zumutbaren eben eine Mitwirkungspflicht als Ausdruck dessen, dass die staatlichen Institutionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben hierauf angewiesen sind; das darf nicht per se als Zumutung empfunden werden. Die gesetzliche Regelung muss hier einen abstrakt-generellen Maßstab anlegen, der nicht auf die Vielzahl unterschiedlicher Einzelfälle eingehen kann, sondern die Konkretisierung im Einzelfall den Gerichten zuweist. Da jeder Fall anders ist, aus Verwandtschaft oft, aber eben nicht immer auf ein enges Verhältnis und Zugang zu Informationen und Belegen geschlossen werden kann, muss dies vom Gericht im Einzelfall angemessen und differenziert gehandhabt werden. 

Ob die Grenzen der Zumutbarkeit in Ihrem Fall eingehalten worden sind, kann ich aus eingangs genannten Gründen nicht beurteilen. 

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Winkelmeier-Becker

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