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Dennis Rohde
SPD
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Frage von Thore W. •

Setzen Sie und Ihre Partei sich in Ihrer Funktion im Bundestag dafür ein, dass auch auf Bundesebene das Haushalts- und Rechnungswesen auf die Doppik umgestellt wird?

Sehr geehrter Herr Rohde,

der Bundeshaushalt wird nach wie vor auf Basis der kameralen Haushaltsführung verwaltet, während viele Kommunen und einige Bundesländer bereits erfolgreich auf die Doppik umgestellt haben. Die doppische Haushaltsführung ermöglicht eine transparentere und ressourcenorientierte Darstellung der Vermögenswerte, Abschreibungen und zukünftigen Verpflichtungen und bildet somit ein realistisches Bild der finanziellen Lage ab. Dies würde auch dem viel kritisierten Investitionsstau entgegenwirken, da Folgekosten und Werteverzehr sichtbar werden.

Setzen Sie und Ihre Partei sich in Ihrer Funktion im Bundestag dafür ein, dass auch auf Bundesebene das Haushalts- und Rechnungswesen auf die Doppik umgestellt wird, um eine nachhaltigere und generationengerechtere Finanzpolitik zu ermöglichen? Falls nein, welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dagegen, ein modernes und transparentes Haushaltsführungssystem im Bund einzuführen?

Mit freundlichen Grüßen

Thore W.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr W.,


vielen Dank für Ihre Frage vom 7. Mai 2025 über die Plattform Abgeordnetenwatch zur Haushaltsführung des Bundes und Ihr Interesse an dieser Thematik.


Zunächst will ich betonen, dass wir uns als SPD-Bundestagsfraktion für eine moderne, demokratisch kontrollierbare und zukunftsfähige Haushalts- und Finanzpolitik einsetzen. Hierzu zählt auch eine transparente Haushaltsführung, die Sie in Ihrer Anfrage konkret ansprechen. Immer wieder flammt in diesem Zusammenhang die Debatte über eine angeblich überfällige Modernisierung unseres Haushaltswesens auf, gemeint ist meist die Ablösung der Kameralistik durch die Doppik. Die Argumente dafür klingen zunächst überzeugend: mehr Transparenz, bessere Steuerung, Generationengerechtigkeit. Wenn man jedoch genauer hinschaut, erkennt man schnell: Vieles davon bleibt Theorie, denn in der Praxis erweist sich die Doppik oft als teurer Irrweg.

Die Doppik und die Kameralistik gelten heute, wie Sie wissen, als Grundsysteme des öffentlichen Rechnungswesens. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) kann die Haushaltswirtschaft in ihrem Rechnungswesen kameral oder nach den Grundsätzen der staatlichen doppelten Buchführung nach § 7a HGrG (staatliche Doppik) gestaltet werden. Im Wesentlichen handelt es sich beim kameralen Haushalt um die Darstellung des Geldverbrauchs, während das doppische System sich auf den Ressourcenverbrauch bezieht.

Die Kameralistik ist die vom Bund praktizierte, bewährte Form der Haushaltsplanung und -durchführung sowie Rechnungslegung. Ich halte die Kameralistik für das richtige Instrument auf Bundesebene und ich sehe keinen überzeugenden Grund, dieses System durch ein doppisches Rechnungswesen zu ersetzen. Im Rahmen des kameralen Haushaltsplans werden die Zahlungsströme als Einnahmen oder Ausgaben betrachtet. Als wesentliches Merkmal dieses Rechnungsstils wird unter anderem das sogenannte „Fälligkeitsprinzip“ angesehen. Danach enthält der Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr zu erwartenden Einnahmen, voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen. Die Kameralistik ist deshalb politisch klar, demokratisch steuerbar und haushaltsrechtlich verbindlich. Sie zeigt, was wirklich zählt: Welche Einnahmen und Ausgaben sind im Haushaltsjahr veranschlagt? Welche Mittel stehen wofür zur Verfügung? Was ist durch das Parlament legitimiert?

Ihnen ist vermutlich bekannt: Im Vergleich zur Kameralistik werden im Rahmen der staatlichen Doppik, deren Grundlage die kaufmännische Doppik ist, Erträge sowie Aufwendungen dargestellt, zu denen auch nicht zahlungswirksame Posten wie Abschreibungen gehören. Weiterhin umfasst die Doppik auch eine Vermögensrechnung in Form einer Bilanz. Die Doppik gaukelt hierdurch, sprich durch Abschreibungen und Rückstellungen, eine betriebswirtschaftliche Präzision vor, die im politischen Raum nicht nur wenig hilfreich, sondern häufig auch irreführend ist.

Die Realität in vielen Kommunen zeigt das deutlich: Die Einführung der Doppik hat dort selten zu mehr Transparenz oder besserer Steuerung geführt. Vielmehr klagen viele Städte und Gemeinden über einen enormen Bürokratieaufwand, über komplexe Ergebnisrechnungen, deren politische Aussagekraft begrenzt ist, und über erhebliche Unsicherheiten bei der Vermögensbewertung. Investitionsentscheidungen werden dadurch nicht besser – nur schwerer nachvollziehbar. Und der politische Fokus verlagert sich weg von klaren Prioritäten hin zu buchhalterischer Mikroskopie.

Auch das Argument der „Generationengerechtigkeit“ hält einer nüchternen Betrachtung kaum stand: Allein durch die Einführung von Abschreibungen entsteht noch kein zusätzlicher Cent für Instandhaltung oder Sanierung. Die Doppik schafft zwar rechnerisch Erhaltungsbedarfe, aber kein Geld, um sie zu decken. Im Gegenteil: Sie entkoppelt politische Verantwortung von der tatsächlichen Liquiditätslage und macht Haushaltssteuerung unnötig abstrakt.

Gerade in Zeiten multipler Krisen braucht es keine verwissenschaftlichte Buchführung, sondern politische Klarheit. Die Kameralistik liefert genau das. Sie ist kein verstaubtes Relikt, sondern ein Instrument, das über Jahrzehnte demokratische Kontrolle, fiskalische Disziplin und Haushaltsklarheit ermöglicht hat.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU für den Bereich der Haushaltsführung auf einige Grundsätze verständigt haben, die die positiven Effekte der Kameralistik zusätzlich stärken. Hierunter fallen die vereinbarten Leitlinien zum wiedereingeführten Eckwerteverfahren, das Verständnis der gesamtstaatlichen Anstrengung zur Haushaltskonsolidierung, die Überprüfung der Involviertheit des Staates hinsichtlich übernommener Aufgaben, das Prinzip der Gegenfinanzierung sowie eine Aufgaben- und Ausgabenkritik. Darunter subsumiert sich auch der Schwerpunkt, die Einführung eines ziel- und wirkungsorientierten Haushaltswesens zu prüfen. Das impliziert jedoch keine Scheindebatten über Systemwechsel, keine teure Symbolpolitik, sondern Konzentration auf das, was zählt: solide, nachvollziehbare, parlamentarisch legitimierte Haushaltspolitik.

Ich hoffe, Ihnen hiermit ihre Frage beantwortet zu haben. Wenn Sie weitere Anliegen oder Fragen haben, wenden Sie sich gerne jederzeit wieder an mich und mein Team.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dennis Rohde

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