Wie wollen Sie Abgeordnete der CDU/CSU überzeugen, dass deren Wahlverhalten schädlich für unsere Demokratie ist?
Sehr geehrter Frau Schmidt, mit großer Sorge verfolge ich die Entwicklung um das Wahlverhalten der CDU/CSU. Ich bin 83 Jahre alt, war Schulleiterin und nutze nun meine freie Zeit, um mich mit dem Geschehen vor und während des Nationalsozialismus auseinander zu setzen. Dadurch bemerke ich Ähnlichkeiten, wie damals mit unliebsamen Fachleuten usw. umgegangen wurde, bevor sie später durch körperliche Gewalt ausgeschaltet wurden. Bitte verhindern Sie das mit Ihren Abgeordneten.
Mit freundlichen Grüßen Gerhild K.

Sehr geehrte Frau K.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur abgesagten Wahl der Kandidatin zur Richterin für das Bundesverfassungsgericht, Prof. Brosius-Gersdorf.
Dass Frau Brosius-Gersdorf eine herausragende, fachlich exzellent qualifizierte Juristin von großer persönlicher Integrität ist, steht außer Frage. Das hat die große Welle der Unterstützerinnen und Unterstützer aus der Wissenschaft gezeigt, die sich mit ihr solidarisiert haben. Die Angriffe, denen sie in den vergangenen Wochen ausgesetzt war, hatten mit einer sachlichen Auseinandersetzung nichts mehr zu tun. Sie wurde Ziel einer beispiellosen rechten Schmierenkampagne. Dass sich die CDU/CSU-Fraktion davon auf solche Art und Weise hat beeinflussen lassen, wirft weitere Fragen auf. Und ich kann nur zu gut verstehen, wenn Sie parallelen zu Zeiten entdecken, von denen wir gehofft hatten, sie längst hinter uns zu haben.
Das Verhalten des Koalitionspartners, das Versagen von Friedrich Merz und Jens Spahn, Zusagen einzuhalten, lässt uns fragen, was die Absprachen in dieser Koalition eigentlich wert sind. Die Unionsspitze war frühzeitig in den Auswahlprozess zur Kandidatenfindung involviert und der Richterwahlausschuss des Deutschen Bundestages hat den Wahlvorschlag für Prof. Brosius-Gersdorf angenommen – mit den Stimmen der CDU/CSU-Vertreter. Dass sich weite Teile der Union aufgrund einer konstruierten und schnell als Lüge entlarvten Plagiatsbehauptungen von ihrer Zusage zurückgezogen haben, stellt einen schweren Schlag gegen unsere Demokratie, gegen das Bundesverfassungsgericht und auch gegen das koalitionsinterne Vertrauen dar.
Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft keine weitere Politisierung des Bundesverfassungsgerichts mehr erfahren. Es hat in anderen Ländern gezeigt, dass Verfassungsgerichte und damit die Gewaltenteilung mitunter zuerst von den rechten Rändern angegriffen werden.
Wir werden als SPD-Bundestagsfraktion die Integrität unserer Demokratie nicht durch Kampagnen und Falschbehauptungen angreifen lassen. Wir werden auch weiterhin dafür kämpfen, dass das Bundesverfassungsgericht unabhängig bleibt!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB