Dagmar Schmidt, MdB (2017)
Dagmar Schmidt
SPD
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Frage von Andy Z. •

Sehr geehrte Frau Dagmar Schmidt, werden sie sich gegen ein NM einsetzen oder wie ist ihre Haltung dazu ?

Sehr geehrte Frau Dagmar Schmidt,
Es liegt nun der Evaluationsbericht von KFN zum ProstG vor, der besagt dass vieles von ProsG gelungen ist, auch wen es noch ausgebessert werden muss, es besagt keinesfalls die Einführung des NM das würde sogar viel errichtes kaputt machen, ausserdem sind viele Sexarbeiterinen und Organisationen wie: der Deutsche Juristinnenbund, Deutsche Aidshilfe, Kok gegen Menschenhandel, Verdi und Pro Familia gegen das NM.
Ich und viele wären sehr dankbar wen sie sich gegen ein NM auch im Familienausschuss einsetzen werden, den das würde für viele sehr schlechtes bedeuten.
Über eine Antwort ihrerseits wäre ich ihnen sehr verbunden.
Vielen Dank Andy Z.

Dagmar Schmidt, MdB (2017)
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Z.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht und die klare Positionierung. Den veröffentlichten Evaluationsbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen habe ich zur Kenntnis genommen und eine erste Debatte um die Ergebnisse hat es in der entsprechenden Facharbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion bereits gegeben. Der Bericht des Instituts bewertet das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) differenziert: Es gibt Fortschritte, aber auch deutliche Lücken beim Schutz vor Ausbeutung und Gewalt – und er enthält Empfehlungen zur Weiterentwicklung. Der Bericht ist eine Bestandsaufnahme zum geltenden deutschen Recht, er entscheidet aber nicht über die Frage eines Sexkaufverbots; diese bleibt eine politische Abwägung. Dazu hat die Bundesregierung bereits mitgeteilt, dass eine unabhängige Expertenkommission auf Grundlage des Berichts und seiner Ergebnisse Handlungsempfehlungen für die weitere Gesetzgebung ausarbeiten soll. 

Allerdings muss ich sagen, dass ich Sympathien für das Nordische Modell habe, und zwar aus drei Gründen: Erstens stellt es klar, dass Menschen in der Prostitution nicht kriminalisiert werden. Es zielt auf die Nachfrageseite (hier insbesondere die Freier) und auf die Profiteure. Zweitens verbindet es Strafbarkeit des Sexkaufs mit Exit-Hilfen, Beratung, Wohn- und Existenzsicherung. Drittens hat es in Ländern wie Schweden eine normative Wirkung entfaltet: Die Nachfrage ging zurück, und gesellschaftliche Einstellungen veränderten sich. Parallel wurden Unterstützungsangebote ausgebaut. Das ist kein „Alles-oder-nichts“-Hebel, aber eine Richtung, die Schutz priorisiert und Ausbeutung eindämmt. 

Ihre Sorge, ein solches Modell mache „vieles kaputt“, nehme ich ernst. Genau deshalb weiß ich und plädiere ich auch für eine Adaption auf die deutschen Verhältnisse, die das Bewährte erhält und ausbaut: Niedrigschwellige Gesundheitsangebote, Beratung, aufsuchende Arbeit, anonyme Meldemöglichkeiten, klare Trennung von Hilfe und Kontrolle sowie praktikable Aufenthalts- und Sozialleistungswege für Betroffene. Niemand soll aus Hilfen herausfallen, im Gegenteil: Mehr Mittel für Exit und Gesundheit, bessere Kontrollen gegen Zuhälterei und Menschenhandel, und ein sanktionsbewehrtes Verbot, sexuelle Ausbeutung zu kaufen. 

Sie verweisen zu Recht darauf, dass djb, Deutsche Aidshilfe, ver.di und andere Kritik am Nordischen Modell äußern. Diese Einwände – von Stigmatisierungsrisiken bis zur Verlagerung in intransparentere Bereiche – müssen wir ernsthaft im Blick haben. In Anhörungen in den Ausschüssen Familie und Justiz der vergangenen Wahlperioden sind entsprechende Stellungnahmen und Positionen bereits dokumentiert; ich beziehe sie in meine Arbeit ein. Unsere Aufgabe ist, Schutzlücken zu schließen und negative Nebenwirkungen zu minimieren, statt sie zu ignorieren. 

Das heißt für mich konkret aber auch, den Bericht und die Handlungsempfehlungen der Expertenkommission abzuwarten und bei Umsetzung der Empfehlungen in einer Novelle, die parlamentarische Beratung mit Gesprächen mit den Betroffenenverbänden zu verbinden und die Erfahrungen der Betroffenen selbst einzuholen. 

Dass viele Fachorganisationen das Nordische Modell ablehnen, respektiere ich – und ich bin zu weiterem Austausch bereit. Aus meiner Sicht bleibt jedoch zentral: Wer sexuelle Dienstleistungen kauft, trägt Verantwortung. Wir müssen denen den Rücken stärken, die aussteigen wollen und Schutz brauchen. Ich möchte mich nicht damit begnügen, Missstände im legalen Rahmen zu „verwalten“. Deshalb werbe ich für ein Modell, das Verkauf entkriminalisiert, Ausstieg absichert und die Nachfrage sanktioniert – sorgfältig implementiert und eng begleitet. 

Mit freundlichen Grüßen

Ihre 

Dagmar Schmidt, MdB

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