Bernd Rützel
Bernd Rützel
SPD
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Frage von Roland S. •

Mit Bezug auf Ihre Antwort an Anton N., warum müssen Kinder von Beamten keinen Elternunterhalt nach §94 SGB XII verrichten, auch wenn deren Einkommen 100,000 Euro übersteigt?

Im Augenblick gilt gesetzlich laut Urteil vom Bundesverwaltungsgericht vom 24.01.2012 (Aktenzeichen 2 C 24.10) dass der Dienstherr die erhöhten Pflegekosten in einem Pflegeheim für die stationäre Pflege übernehmen muss. Ebenfalls muss betrachtet werden, dass die Verpflegungs-, Unterkunfts- und Investitionskosten in einer stationären Pflege mit Leichtigkeit über eine Beamtenpension abgegolten werden kann.
Trotzdem müssen Kinder von Beamten, auch wenn deren Bruttoeinkommen über 100,000 Euro liegen, keinen Elternunterhalt leisten.
Damit sind Kinder deren Eltern keine Beamten sind/waren finanziell stark benachteiligt.

Bernd Rützel
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

Danke für Ihre Nachfrage zu meiner Antwort an Herrn N. 

Ihre Annahme in Bezug auf Beamte stimmt so nicht. Grundsätzlich ist es so, dass es in Deutschland kein einheitliches Beamtenrecht gibt. Aufgrund der föderativen Struktur Deutschlands regeln die Länder ihr Beamtenrecht einschließlich der Bezahlung ihrer Bediensteten und der Sicherung in Krankheits- und Pflegefällen in eigener Zuständigkeit. Die Bundesregierung trägt ausschließlich für die Beamtinnen und Beamten des Bundes die Verantwortung.

Nach dem Beihilferecht des Bundes erhalten Bundesbeamtinnen und -beamte Beihilfe zu ihren krankheitsbedingten Aufwendungen. Die Beihilfe ist als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung konzipiert. Sie soll die Beamtinnen und Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen. Die Beihilfe ist somit ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die – neben der zumutbaren und aus der Besoldung zu bestreitenden Eigenvorsorge der Beamtinnen und Beamten, die in der Regel durch Abschluss einer privaten Krankenversicherung erfolgt – nur ergänzend im angemessenen Umfang einzugreifen hat.

Die Behauptung, dass die Beihilfe und die private Krankenversicherung die anfallenden Pflegekosten komplett übernehmen, ist nicht richtig. Wie die soziale Pflegeversicherung und die private Pflege-Pflichtversicherung leistet auch die Beihilfe insbesondere bei der stationären Betreuung in Pflegeheimen lediglich Zuschüsse zu den Aufwendungen. Den überschießenden Betrag müssen alle Pflegebedürftigen grundsätzlich aus ihrem Einkommen bestreiten. Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verpflichtet aber in Notlagen, ergänzend Hilfe zu leisten. Insoweit kann es aufgrund der verschiedenen Rechtsgrundlagen zu Unterschieden kommen. So kennt das beihilferechtliche Fürsorgesystem nicht etwa das an das Sozialrecht angelehnte Subsidiaritätsprinzip von Leistungen.

Reicht das Einkommen von vollstationär versorgten beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Personen trotz Beihilfe und Versicherungsleistung nicht mehr aus, um die im Pflegeheim entstandenen Kosten zu bestreiten, kann unter den Voraussetzungen des § 39 Absatz 2 und 3 Bundesbeihilfeverordnung eine ergänzende Beihilfe geleistet werden. Es handelt sich hierbei um eine Härtefallregelung, mit der das Existenzminimum bei stationärer Pflege gesichert werden soll. Es soll vermieden werden, dass pflegebedürftige Beihilfeberechtigte insbesondere in unteren Besoldungsgruppen in eine wirtschaftliche Notlage geraten. Daher gilt: Je höher die Besoldung oder Versorgung ist, desto mehr muss für die stationären Unterbringungen privat aufgewendet werden.

Diese Vorschrift wurde anlässlich des von Ihnen erwähnten Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Januar 2012 (Aktenzeichen: 2 C 24.10) eingefügt, wonach sich die in Artikel 33 Absatz 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts auch auf Lebenslagen erstreckt, die einen erhöhten Bedarf begründen. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Alimentationspflicht muss gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag.

Ganz grundsätzlich ist es aber natürlich so, dass erwachsene, unterhaltsverpflichtete Kinder in unterschiedlichen Situationen sind – je nachdem, wie gut ihre eigenen Eltern vorsorgen konnten. Das ändert meines Erachtens nichts daran, dass sie bei einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro einen Teil der Pflegekosten für ihre eigenen Eltern tragen können. Dass dies erst ab einer relativ hohen Grenze gilt, halte ich für einen großen Erfolg unserer Sozialpolitik.

Freundliche Grüße

Bernd Rützel

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