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Andrea Lindholz
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Frage von Rolf W. •

Frage an Andrea Lindholz von Rolf W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Warum haben Sie für eine Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt.
Sind Sie über Alternativen dieser Tierquälerei nicht informiert?
Ist Ihnen das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz nicht bekannt oder nicht wichtig?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr W.,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Ferkelkastration und Tierschutz. Gerne gehe ich im Folgenden kurz auf die Thematik ein und erläutere Ihnen meine Beweggründe im Hinblick auf die Abstimmung. Zuvor möchte ich es jedoch nicht versäumen, Ihnen für das neue Jahr 2019 alles Gute zu wünschen.

Das im Grundgesetzt verankerte Staatsziel Tierschutz ist auch für meine Fraktion und mich ein hohes Gut. Deshalb fiel die Entscheidung, die Übergangsfrist um zwei Jahre zu verlängern, auch nicht leicht. Allerdings waren es gerade Gründe des Tierwohls, die dazu bewegten.

Männliche Ferkel werden kastriert, um den stark urinhaltigen Ebergeruch beim Fleisch mancher Tiere zu vermeiden. Das Tierschutzgesetz enthält für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen ein Betäubungsgebot. Dieses Verbot ist derzeit bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt. Danach wäre eine Ferkelkastration ohne Betäubung nicht mehr zulässig.

In Ihrer Anfrage werfen Sie die Frage auf, ob ich über Alternativen informiert bin. Über die derzeit drei Alternativverfahren (1. Durchführung des Eingriffs unter (Voll-)Narkose, 2. Impfung gegen Ebergeruch 3. Jungebermast) bin ich informiert. Leider weisen alle drei Verfahren derzeit Nachteile auf, die bislang nicht ausgeräumt werden konnten.

Derzeit ist eine (Voll-)Narkose durch den Landwirt noch nicht möglich. Denn das dafür erforderliche Mittel namens Isofluran ist in Deutschland gerade erst im November zugelassen worden. Nun fehlt die entsprechende rechtliche Grundlage, damit ein Landwirt mittels Isofluran die Ferkel betäuben kann. Dem Landwirt steht also zurzeit noch kein Mittel zur Verfügung, das er selbst einsetzen dürfte. Der Gesetzgeber verlangt also faktisch etwas rechtlich Unmögliches von ihm. Als diese gesetzliche Formulierung 2013 getroffen wurde, war dies aber nicht absehbar. Die arzneimittelrechtliche Zulassung von Isofluran hat sehr viel längere Zeit in Anspruch genommen. Deshalb brauchen die Landwirte, die nichts für diese Verzögerung können, die Verlängerung.

Mit der Zulassung des Tierarzneimittels ist jetzt der erste Schritt erfolgt. Der zweite Schritt ist nun, eine Rechtsgrundlage für die Anwendung durch den Landwirt selbst zu schaffen. Dafür ist eine Rechtsverordnung erforderlich, die aber ohne die gerade erst erfolgte Zulassung des Wirkstoffs Isofluran nicht erarbeitet werden konnte. Gemeinsam mit den Ländern müssen die Inhalte der Verordnung geregelt werden. Dazu gehört beispielsweise die inhaltliche Ausgestaltung von Lehrgängen für die Schulung der Landwirte. Darüber hinaus muss die Schulungsdauer, Prüfung und Qualifikation der Anbieter von Schulungen, die Einbindung der zuständigen Behörden etc. geregelt werden.

Zudem fehlen die notwendigen Narkosegeräte. Und es ist noch nicht geklärt, wie die Anwender vor gesundheitlichen Risiken geschützt werden können. Mit anderen Worten: Diese Methode steht für den flächendeckenden Einsatz noch nicht zur Verfügung.

Auch die Impfung bzw. die Ebermast stellen derzeit noch keine Alternativen dar. Denn bei beiden Methoden kommt es weiterhin zu Geruchsauffälligkeiten beim Schweinefleisch. Dieses Fleisch wird in Deutschland kaum gekauft. Der Lebensmitteleinzelhandel nimmt derzeit Eberfleisch und geimpfte Tiere nur in sehr geringen Mengen ab. Eine Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist damit derzeit unmöglich. Was wären die Folgen? Damit bliebe nur eine Kastration unter Vollnarkose durch den Tierarzt.

Gerade die kleineren Betriebe wären dadurch besonders betroffen. Denn diese müssten die erheblichen Mehrkosten tragen – im Gegensatz zu ihren ausländischen Nachbarn. Denn die Landwirte im europäischen Ausland müssen keinen Tierarzt für diesen Eingriff beauftragen. Diesen Wettbewerb können unsere kleinen Betriebe nicht bestehen. Damit würde die Ferkelerzeugung ins Ausland abwandern – in Länder mit niedrigen Standards.

Auf die Tierschutz-Standards im europäischen Ausland hat Deutschland keinen Einfluss, muss aber gemäß der Europäischen Warenverkehrsfreiheit die Einführung von Ferkeln aus anderen EU-Mitgliedstaaten dulden. Spanien, Polen, Dänemark und die Niederlande haben ihre Schweinebestände bereits aufgestockt und bieten ihre Tiere in Deutschland an.

Umfangreiche Tiertransporte von Ferkeln nach Deutschland wären die Folge. Dies wäre keinesfalls im Sinne des Staatsziels Tierschutz. Vielmehr würde mit millionenfachen Ferkeltransporten aus dem Ausland das genaue Gegenteil erreicht, wofür Sie sich einsetzen. Den Preis würden unsere Landwirte, die Tiere und wir alle als Verbraucher zahlen.

Meine Fraktion setzt daher gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) alles daran, die tierschutzgerechte Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu beschleunigen. Auf diesem Weg brauchen die Tierhalter in Deutschland aber unsere Unterstützung. Deshalb wollen wir den Landwirten ermöglichen, die Betäubung durchzuführen. Dafür müssen die Landwirte dann einen Nachweis erbringen, dass sie sachkundig mit dem Betäubungsgerät und dem Medikament umgehen können. Hierzu wird aber noch Zeit benötigt, die wir mit einer Verlängerung der Übergangsfrist um zwei Jahre gewinnen können.

Ohne die beschlossene Übergangslösung stünden viele der kleineren Betriebe in Deutschland vor dem Aus. Diesen Strukturbruch müssen wir verhindern – für die Höfe, die ländlichen Regionen, die Verbraucher und den Tierschutz. Ein Aus der Ferkelerzeugung in Deutschland wäre eine Steilvorlage für die Produktion in Ländern mit niedrigeren Standards. Die vereinbarte Übergangsfrist verschafft den Betrieben Luft zum Atmen. Klar ist aber auch: Alle Verantwortlichen müssen die nächsten beiden Jahre nutzen, um im Sinne des Tierwohls an praktikablen, wissenschaftlich fundierten und marktgängigen Alternativverfahren zu arbeiten. Hierfür müssen jetzt alle zuständigen Akteure eng zusammenwirken – ob in Politik, Wirtschaft, Verwaltung oder Wissenschaft. Dies ist sowohl im Sinne unseres Bekenntnisses zu einer zukunftsfähigen, flächendeckenden Landwirtschaft in Deutschland als auch im Sinne des Tierschutzes.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Lindholz MdB

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