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Frage von Lars G. •

Frage an René Röspel von Lars G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Röspel,

ich beziehe mich in meiner Frage auf die beiden Abstimmungen vom 28.02.2013 über den Mali-Einsatz (internationale Unterstützungsmission und militärische Ausbildungsmission) und Ihre doppelte Zustimmung dieser.

Meine Frage ist, welche Gründe Sie zu diesem Abstimmungsverhalten bewegt haben.

Bei beiden Abstimmungen haben Klaus Barthel und Waltraud Wolff von der SPD mit "dagegen" abgestimmt im Gegensatz zur restlichen SPD die mit über 80% beides Mal dafür gestimmt hat. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie mutiger Weise auch mit "dagegen" abgestimmt hätten und sich auf diese Weise in der Rolle des Oppositionellen mehr engagieren anstatt das durch die Bundesregierung initiierte "Blitz-Mandat" für insgesamt 330 deutsche Bundeswehrsoldaten durchzuwinken.

Im SPIEGEL ONLINE Artikel "Militäreinsatz in Westafrika" vom 16.01.2013 wird z. B. auf Frankreichs wirtschaftliche Interesse einer stabilen Uranversorgung für die bekanntlich vielen Atomkraftwerke in Frankreich hingewiesen, dem der seit 2012 tobende Krieg in Mali im Weg steht [ http://www.spiegel.de/politik/ausland/mali-frankreich-kaempft-gegen-islamisten-und-um-bodenschaetze-a-877679.html ].

Neben der Atomlobby zieht natürlich auch die gigantische deutsche Rüstungslobby ihre Profite (Aufträge und Testmöglichkeiten) aus diesem Einsatz. Wird nicht durch aktive Kriegsteilnahme der ewige Teufelskreislauf von Rüstung, Krieg und Leid überhaupt erst ermöglicht? Man kann diesen nur durchbrechen, wenn man sich nicht auf seine Mittel einlässt, sondern der Maxime des Friedens durch konsequente Kriegsablehnung Raum schafft sich zu entfalten.
Nebenbei gesagt, finde ich die Wörter "Unterstützung" und "Ausbildung" etwas beschönigend.

Im Voraus schon einmal vielen Dank für Ihre Antwort, Ihre Zeit und Ihre Mühen.
Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht angegriffen.

Mit freundlichen Grüßen,
Lars Gehrke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lars Gehrke,

vielen Dank für Ihre Frage vom 23.06. über die Plattform von abgeordnetenwatch.de zum Thema Mali-Einsatz.

Ich mache es mir bei der Frage nach Entsendung deutscher Soldatinnen und Soldaten ins Ausland grundsätzlich nicht leicht. In der Vergangenheit habe ich im Zweifel auch gegen Bundeswehr-Einsätze gestimmt. „Mut“ – wie Sie es schreiben – hat es bei der Abstimmung nicht bedurft, denn es ist kein Druck oder ähnliches aufgebaut worden gegenüber denjenigen, die anders als die Fraktion gestimmt haben (den Mut brauchte ich, als ich als Mitglied einer Regierungsfraktion gegen die Fraktion gestimmt habe). Ich habe mich nach langen intensiven Überlegungen (frei) entschieden zuzustimmen. Und das ist mir sehr schwer gefallen.

Einerseits kann ich die Argumente für eine Ablehnung des Einsatzes sehr gut nachvollziehen. Auch ich wünschte mir, dass wir, wie Sie schreiben, der „Maxime des Friedens durch konsequente Kriegsablehnung“ mehr Raum zur Entfaltung geben könnten. Was aber tun wir, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sprich, die kriegerischen Handlungen bereits stattfinden, wie es in Mali zu dem Zeitpunkt bereits geschehen war? Ist unsere Enthaltung dann immer noch friedensfördernd? (Dass eine militärische Erzwingung oft auch nicht gerade friedensfördernd wirkt, dessen bin ich mir durchaus bewusst.) In diesem Fall hätte ein Nicht-Eingreifen die Eroberung der Hauptstadt Malis bedeutet. Das wäre ein dramatischer Rückschlag für den politischen Prozess innerhalb Malis gewesen und hätte unabsehbare Folgen für die regionale Sicherheit gehabt. Und es gab bzw. gibt noch eine persönliche Beziehung, die mir die Entscheidung bzw. eine Ablehnung noch schwerer gemacht hat. Wir haben im Sommer 2011 als Familie im Rahmen eines Projektes des Theaters Hagen mit einem Chor aus Mali die junge K. aus Mali für eine Woche zu Hause aufgenommen, von der wir dann Monate später nach ihrer Rückkehr einen Hilferuf aus Mali erhielten. Wir haben seitdem nichts mehr von ihr gehört. Dennoch treibt mich die Situation um. Zugegebenermaßen war ich froh, dass die Franzosen mit Gewalt den weiteren Vormarsch der „Rebellen“ in die Region Bamako, in der K. lebt (?), verhindert haben. So habe ich die Hoffnung, dass sie irgendwie überlebt hat. Was wäre ohne das Eingreifen der Franzosen passiert?

Bereits vor 2012 kam es in Mali zu Tuareg-Aufständen. Der letzte wurde 2006 durch ein Abkommen beendet. Ein Grund für die säkularen Tuareg-Kräfte 2012 zu den Waffen zu greifen, war dann auch die Unzufriedenheit über die schlechte Umsetzung des Abkommens. Hinzu kamen fundamentalistische Gruppen, wie „Ansar Dine“ oder MUJAO (Mouvement pour l´unicité et le jihad en Afrique de l´Ouest), welche die Situation nach dem Putsch in Malis Hauptstadt zum Angriff nutzten. Relativ schnell gerieten sie aber auch mit den säkularen Tuareg-Gruppen in Streit, gewannen gegen diese aber alsbald die Oberhand und rückt in den Süden vor. Die nationalen malischen Truppen hatten gegen die Rebellen nichts auszurichten und wären ohne das Eingreifen der Franzosen überrannt worden.

Nach dem Zurückdrängen der Fundamentalisten durch die Franzosen und afrikanische Truppen besteht nun die Chance, die politischen Voraussetzung für ein friedliches Miteinander der verschiedenen Gruppen in Mali zu gewährleisten. Denn nur wenn es gelingt, dem Norden, wo der Großteil der Tuareg leben, eine politische und wirtschaftliche Perspektive innerhalb Malis zu vermitteln, besteht eine Chance, diesen Konflikt zu lösen und Mali langfristig wieder zu stabilisieren. Nach den letzten mir vorliegenden Informationen erscheinen die Chancen dafür sogar gar nicht so schlecht. Es wird auf jeden Fall gemeldet, dass die Tuareg-Rebellen der MNLA (Mouvement National pour la Libération de l’Azawad, die größten säkularen Tuareg-Rebellen-Gruppe) und die Regierung eine Waffenruhe vereinbart haben, so dass, wie von Deutschland und der EU gefordert, in ganz Mali Wahlen abgehalten werden können. Wie von der internationalen Gemeinschaft bereits beschlossen, müssen jetzt Gelder fließen, um good governance-Strukturen aufzubauen bzw. zu festigen. Um dies aber zu ermöglichen, war wohl leider der militärische Einsatz erforderlich. Die Chance muss nun aber auch genutzt werden, denn eine Garantie für den Erfolg gibt es leider nicht.

Wie bereits am Anfang erwähnt, teile ich Ihre Grundüberzeugung zum Thema Krieg und Frieden, sehe mich aber leider auch mit einer dazu oftmals wenig passenden Realität konfrontiert. Unsere primäre Aufgabe muss es sein, Konflikte überhaupt nicht erst ausbrechen zu lassen. Hierfür müssen wir endlich die Ausgaben für die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BIPs erhöhen. Auch das unter sozialdemokratischer Führung entwickelte Konzept „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ muss weiterentwickelt und der Zivile Friedensdienst wieder gestärkt werden. All dies Forderungen sind von der schwarz-gelben Regierung leider sträflich vernachlässigt worden. Ein Regierungswechsel in Berlin würde also auch den afrikanischen Staaten zu Gute kommen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten näherbringen, bei dem ich aber auch heute – wie bei anderen Einsätzen - immer noch schwanke.

Mit freundlichen Grüßen
René Röspel