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Nina Scheer
SPD
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Frage von Patrick S. •

Sie sind mit den Fakten um die Atomenergie besten vertraut und gegen einen Wiedereinstieg. Wie positionieren Sie sich in den Koalitionsgesprächen und in einer möglichen neuen Regierung diesbezüglich?

Sehr geehrte Frau Scheer,

Sie kennen die Argumente der Atomkraftbefürworter*innen und wissen diese faktenreich zu widerlegen. Sie kennen den jährlichen World Nuclear Industry Status Report. Kurz vor der Bundestagswahl war das Thema Atomkraft wieder präsent. Denn einige Parteien, darunter ihre möglichen Koalitionspartner, wollten auf die aufmerksamkeitsökonomische Kraft des Themas AKW im Wahlkampf nicht verzichten.

Sind Sie Ihrer Position als Verhandlerin in der AG Klima und Energie in den Koalitionsgesprächen treu geblieben und wie werden Sie auch in Zukunft und in Regierungsverantwortung echten Klimaschutz gegen nukleare Scheinlösungen verteidigen?

(Eine Zusammenfassung & Einordnung der Atommythen im Wahlkampf finden Sie hier: ippnw.de/bit/atommythen2025)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

bitte entschuldigen Sie die verspätete Rückmeldung. Wie Sie schon erwähnt haben, konnten wir uns als SPD-Verhandlungsgruppe in dieser Frage gegenüber CDU/CSU durchsetzen. Es bleibt beim Atomausstieg. 

Bereits parallel zu den Sondierungen betonte ich an verschiedenen Stellen öffentlich, der Vorschlag von Friedrich Merz vor Abschluss des Koalitionsvertrages für ein Rückbau-Moratorium in Bezug auf die deutschen Atomkraftwerke sei klar abzulehnen. Er entbehrt jedweder sowohl ökonomischen als auch energiewirtschaftlichen Vernunft. Ein solcher gesetzlich zu verordnender Stillstand wäre auch gegenüber den Standortkommunen eine Zumutung, die ohnehin angesichts des noch über Jahrzehnte ausbleibenden Endlagers für hochradioaktiven Atommüll mit der Existenz von Zwischenlagern umzugehen haben werden. Und dies, ohne dass über diesen Zeitraum die Genehmigungslage geklärt wäre. Hier haben wir Handlungsbedarf und dürfen die Standortkommunen mit dem Müll nicht allein lassen.

Bis - wenn überhaupt - bei möglichen Plänen von Friedrich Merz die erste kWh Atomstrom zu gewinnen wäre, wird in Deutschland mit deutlich weniger Investitionsmitteln und ohne weitere Folgelasten bereits 100 Prozent Erneuerbare Energien erreicht sein. Ein Wiedereinstieg in die Atomenergie ist also absurd und klar abzulehnen.

Insofern muss auch endlich mit der irreführenden Erzählung vom deutschen Alleingang aufgeräumt werden. Deutschland hat es mit dem Atomausstieg geschafft, den Teufelskreis von Abhängigkeiten zu durchbrechen und damit ein Beispiel unschätzbaren Wertes für sichere, bezahlbare und nachhaltige Energiegewinnung gesetzt. 

Der Koalitionsvertrag, zu dessen Verhandlungen ich als stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Klima und Energie eingebunden war, enthält bei Klima und Energie wesentliche Aussagen zur weiterhin beschleunigten Energiewende. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Aussage alle Potenziale der Erneuerbaren Energien nutzen zu sollen, als etwa auch, dass wir Flexibilitäten und Speicher anreizen wollen. Denn schließlich muss es gelingen, auf die Erneuerbaren Energien auch systemisch umzusteigen. Dem wird auch das ebenfalls verständigte Vorhaben nutzen, die Nutzung von heute abgeregelten Strom noch deutlich auszuweiten. 

Weiterhin werde ich mich für eben diesen beschleunigten Umstieg auf Erneuerbare Energien einsetzen. 

Nur um es nicht unerwähnt zu lassen: Die Aussagen des Koalitionsvertrages zur Kernfusion sehe ich sehr kritisch. Für Kernfusion gilt: bis sie je - wenn überhaupt - nutzbar sein wird, werden wir bereits zu 100 Prozent Erneuerbare Energien nutzen können; wenn Letzteres regulativ nicht aktiv verhindert werden sollte. Insofern ist es auch wichtig, nun beim Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht auf die Bremse zu treten. Gerade der Überschuss hilft den Speichern, die wir dringend brauchen. 

Kernfusion ist nicht im Energiekapitel, sondern im Forschungskapitel erwähnt. Dort war sie auch bisher verortet. Als Grundlagenforschung. In der Energieversorgung wird sie nach meiner Einschätzung auch in Zukunft realistisch betrachtet keinen Platz einnehmen. 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Nina Scheer

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