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Monika Lazar
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Frage von Nico R. •

Frage an Monika Lazar von Nico R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lazar,

ich habe vor kurzem erfahren, dass noch immer ein überproportionaler Großtteil der Eliten in Deutschland westdeutscher Abstammung ist - selbst in Ostdeutschland(!) Ob in den hohen Ämtern von Bundeswehr, Polizei oder an Universitäten, sowie in den Ministerämtern und in der Wirtschaft - überall sind Westdeutsche überrepräsentativ vertreten - und das 20 Jahre nach der Wiedervereinigung!

http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2010/0930/elite.php5
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2586933

Gleichzeitig gibt es heutzutage oftmals eine Frauenquote, man spricht im öffentlichen Diskurs sogar schon über eine Migrantenquote - aber was ist mit den ganzen Ost-Deutschen?

Nun würde ich von Ihnen, wo Sie ja auch aus Sachsen sind, gerne wissen, was Sie von diesem Problem halten, und ob Sie sich für eine Anpassung stark machen wollen/können?

Mit den besten Grüßen,

Nico Rudolph

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rudolph,

vielen Dank für Ihre Frage. Der Hinweis auf die unterdurchschnittliche Beteiligung Ostdeutscher an hohen Führungsämtern ist berechtigt und sollte zum Nachdenken anregen. Ich habe mir aufgrund Ihrer Email vorgenommen, die Problematik in der grünen Bundestagsfraktion zur Diskussion zu stellen. Es ist verständlich, dass angesichts der Zahlen Verdruss bei ostdeutschen Bürgerinnen und Bürgern entstehen kann und sie sich benachteiligt fühlen. Zwanzig Jahre nach der Deutschen Einheit gilt es, hier Bilanz zu ziehen.

Allerdings muss man realistisch im Blick haben, wie lange gesellschaftliche Veränderungen dauern können. Sie sprechen die Frauenquote an, ein gutes Beispiel: Wie lange haben Frauen gekämpft, um als den Männern gleichwertig anerkannt zu werden? Letztlich Jahrhunderte lang! Die Frauenquote, als eine verbindliche Gleichstellungsmaßnahme, wird auch heute längst nicht in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen akzeptiert und angewendet. Ich halte die Quotenregelung für sehr positiv, doch lässt sie sich nicht von Frauen auf Ostdeutsche übertragen. Die Identität als Frau ist leicht feststellbar, doch welche Kriterien gibt es zur Identifizierung als "ostdeutsch"? Das ist weder eine Ethnie noch eine Geschlechtszugehörigkeit. Ist ein Kind von zwei Westdeutschen, das in Ostdeutschland geboren wird und aufwächst, ost- oder westdeutsch? Ist ein Kind aus einer Migrantenfamilie, die im Osten ansässig ist, ostdeutsch? Wie sind vor dem Hintergrund die vielfältigen Wanderbewegungen westdeutscher Studierender in den Osten zu bewerten? Wird ein Mensch von 18 Jahren, der seine gesamte Ausbildung im Osten durchläuft, nicht auch "ein bisschen ostdeutsch"?

Man könnte vielleicht einen Stichtag festlegen, zum Beispiel: Als ostdeutsch gilt, wer zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung im Osten lebte. Doch welchen Status hätten dann die ehemaligen "DDR-Republikflüchtlinge"?

All dies sind aber nur technische Fragen, die eine "Ost-Quote" schwer administrierbar machen würden. Daneben gibt es eine politische Sichtweise. Ich selbst bin in Leipzig aufgewachsen und habe es in den Bundestag geschafft. Damit zähle ich gewiss zu den Ausnahmen: Frau, Ostdeutsche - und trotzdem in einer hohen Verantwortungsposition. Dass es dazu kam, war durchaus von meinem Engagement bestimmt, aber gleichzeitig auch erst durch eine Verkettung glücklicher Umstände möglich. Es ist auf jeden Fall notwendig, Ostdeutschen mehr Chancen zu eröffnen. Gleichzeitig müssen aber Ostdeutsche auch selbst aktiv sein, um Chancen zu ergreifen.

Um systematisch mehr Chancen zu ermöglichen, halte ich besonders eine gute Bildung für sehr wichtig. Dazu haben wir auch in manchen ostdeutschen Universitätsstädten gute Voraussetzungen. In meiner Heimatstadt Leipzig beispielsweise gibt es einen deutlichen Zustrom junger Menschen aus Westdeutschland, die dort studieren wollen. Viele junge Menschen wandern in den Westen ab, machen dort Karriere und können perspektivisch ebenso in Führungsetagen aufsteigen wie Menschen westdeutscher Herkunft. Ich bin persönlich überzeugt, dass die Unterschiede zwischen Ost und West immer weniger zum Tragen kommen werden. Schon heute fühlen sich sehr junge Menschen nur noch als deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger, ohne dabei einen Ost- oder Westfokus zu betonen.

Ich möchte Sie ermutigen, nicht nur die gegenwärtige Lage zu betrachten - in der die Ostdeutschen tatsächlich keine gerechte, angemessene Prozentzahl in den Führungsetagen einnehmen. Schauen Sie vielmehr auf die Potenziale, die der Osten zu bieten hat. Die grüne Bundestagsfraktion hat dazu ein Papier beschlossen, in dem diese Vision deutlich wird. Sie können es hier abrufen: http://www.gruene-bundestag.de/cms/archiv/dokbin/267/267699.fraktionsbeschluss_impulse_fuer_ostdeuts.pdf

Viele Grüße
Monika Lazar