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Michael Schrodi
SPD
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Frage von Werner S. •

Frage an Michael Schrodi von Werner S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Schrodi,

als Mitglied des Finanzausschusses werden Sie wissen, dass der Bundesrat am 9.10.2020 mehrheitlich (mit den Stimmen des SPD geführten Hamburg und der SPD Finanzministerin von Thüringen) beschlossen hat, den Bundestag aufzufordern, mit dem JStG 2020 das 2019 verabschiedete Gesetz zur Verlustverrechnungsbegrenzung von Termingeschäften (§20 Abs.6 Satz 5 EStG) ersatzlos zu streichen. Die Gründe sind u.a.:
- stellt die Finanzverwaltung vor nahezu unlösbare Aufgaben,
- schafft Rechtsunsicherheit,
- faktisches Verlustverrechnungsverbot innerhalb der Termingeschäfte und damit klarer Verstoß gegen das verfassungsrechtlich maßgebende Nettoprinzip,
- passt nicht zur Grundkonzeption der Abgeltungssteuer. Grundsätzlich ist hier eine symmetrische Behandlung von Gewinnen und Verlusten geboten.
- Ziel der Eindämmung von Spekulationsgeschäften wird nicht erreicht, stattdessen wird Absicherung behindert.

http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2020/0503-20B.pdf

Was sagen Sie zu den Argumenten des Bundesrates?

Ich sehe außerdem mindestens 1 starkes Indiz dafür, dass durch dieses Gesetz Einnahmen verloren gehen: Termingeschäfte werden zu einem beträchtlichen Teil an ausländischen Börsen durchgeführt (v.a. in USA). Die Kontrahenten sind daher zumeist Nicht-Deutsche. Gewinne von erfolgreichen (weniger erfolgreiche ziehen sich nach kurzer Zeit aus diesen Märkten wieder zurück) deutschen Anlegern führen also zu einem Kapitalzufluss nach Deutschland und zu Kapitalertragssteuerzahlungen. Ein Staat, der das nicht zulässt, beraubt sich selbst einer Einnahmequelle und das in Corona-Zeiten mit ausufernden Staatsschulden.

Zeigt die SPD Augenmaß und folgt der Forderung des Bundesrates, oder müssen erst Schäden bei Privatanlegern, große Aufwände bei Finanzämtern, Umsatzrückgänge und nachfolgend Jobverluste bei Banken und Brokern auftreten, sowie jahrelange Prozesse bis vor das Bundesverfassungsgericht geführt werden?

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schiele

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr S.,

leider hatte ich Ihre Frage übersehen. Ich bitte um Entschuldigung. Ich will Ihnen aber keine Antwort schuldig bleiben.

Als offensichtlich mit der Materie Vertrauter werden Sie ja wissen, worauf sich die Regierungskoalition am Ende geeinigt hat.

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde § 20 Absatz 6 Satz 5 und 6 Einkommensteuergesetz (EStG) erneut geändert: "Durch die Regelung wird die Verrechnungsbeschränkung in § 20 Absatz 6 Satz 5 und 6 EStG von 10 000 Euro auf 20 000 Euro angehoben. Damit können Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, im laufenden Kalenderjahr bis 20 000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt.

Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG können im laufenden Kalenderjahr mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 20 000 Euro ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden."

Im Rahmen des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen war 2019 eine Beschränkung der Verlustverrechnung aus verfallenen Optionsscheinen (Termin-geschäfte) und wertlosen Kapitalforderungen auf zunächst sogar nur 10.000 Euro beschlossen worden. Die Begrenzung der Verlustverrechnung gilt für im Privatvermögen gehaltene Kapitalforderungen. Unternehmen, die Kapitalanlagen im Betriebsvermögen halten, sind davon nicht betroffen.

Die damalige Begründung:

" Satz 5 – neu –

Durch die Regelung in § 20 Absatz 6 Satz 5 – neu – EStG können Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustverrechnung ist beschränkt auf 10 000 Euro. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10 000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Termingeschäfte sind durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte in wesentlichem Umfang spekulativ. Es können einerseits hohe Gewinne und andererseits der Totalverlust der Anlage eintreten. Diese Effekte treten bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß auf. Verluste aus Termingeschäften werden deshalb in einem besonderen Ver-lustverrechnungskreis berücksichtigt, um das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen zu begrenzen. Die Berücksichtigung der Verluste wird nicht generell versagt. Die Verlustnutzung wird zeitlich gestreckt und die Verluste veranlagungs-übergreifend berücksichtigt.

Satz 6 – neu –

Durch die Regelung in § 20 Absatz 6 Satz 6 – neu – EStG können Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des § 20 Absatzes 1 EStG auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG nur mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 10 000 Euro ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine Kapitalforderung ist insbesondere uneinbringlich, wenn sich auf Grundlage der Gesamtumstände des Schuldverhältnisses abzeichnet, dass der Schuldner die Verbindlichkeit ganz oder teilweise nicht erfüllen wird. Die Regelung erfasst daher auch Veräußerungstatbestände, die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich das Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat. Entsprechendes gilt für sonstige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 20 Absatz 1 EStG.

Es erscheint – vor allem im Hinblick auf Kleinanleger – sachgerecht, derartige Verluste mit einem bestimmten Betrag steuerlich anzuerkennen. Die Verluste werden deshalb in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt. Sie werden nicht generell versagt, sondern zeitlich gestreckt. Mit Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des Satzes 6 sind Einkünfte erfasst, die nicht Einkünfte im Sinne des Satzes 4 und des Satzes 5 sind. Verluste bis zu 10 000 Euro können dabei im Jahr der Entstehung bereits vollständig mit anderen Kapitalerträgen ausgeglichen werden. Damit wird Kleinanlegern typischerweise die steuerliche Berücksichtigung der Verluste sofort gewährt. Anleger mit höheren Vermögenswerten erzielen typischerweise auch in größerem Umfang laufende Erträge und sind durch den für Kapitaleinkünfte einschlägigen Steuersatz von 25 % begünstigt. Eine Begrenzung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten für diese Anlegergruppe ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.

Evaluierung

Es ist gemeinsames Ziel der Koalitionsfraktionen, dass durch die Berücksichtigung zusätzlicher Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen keine neuen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. Daher werden die Regelungen nach Ablauf von zwei Jahren seit ihrem Inkrafttreten evaluiert."

Mit der nunmehr getroffenen Regelung können Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustverrechnung ist beschränkt auf 20.000 Euro. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalter-prämien verrechnet werden. Eine Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist gerechtfertigt, da es sich dabei i.d.R. um riskante Finanzwetten handelt, hinter denen kein realwirtschaftlicher Absicherungszweck steht. Solche spekulativen Zwecke sollten nach unserer Auffassung im Verlust-falle nicht in vollem Umfang zu Lasten der Allgemeinheit gehen.

Durch die Beschränkungen wird die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern zeitlich gestreckt. Klein-anlegern wird die steuerliche Berücksichtigung der Verluste i.d.R. sofort gewährt. Für Anleger mit höhe-ren Vermögenswerten ist die Begrenzung der Verlustverrechnung gerechtfertigt, da diese für ihre in größerem Umfang erzielten Kapitalerträge durch den niedrigen Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent begünstigt werden. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlass, die geltende Regelung zu ändern.

Wir halten die geltende Regelung für durchaus verfassungskonform und - anders als die von Ihnen an-gesprochene Abwicklung im Ausland - für sehr wohl an den Interessen der Allgemeinheit ausgerichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schrodi

Zusammenfassung:

Begrenzung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist richtig. Es sind Finanzwetten ohne real-wirtschaftlichen Sicherungszweck. Abgeltungsteuer begünstigt Kapitalerträge.

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