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Marie-Agnes Strack-Zimmermann
FDP
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Frage von Nikolai A. •

Ist in der Coronakriese die Flüchtlingspolitik immer noch relevant?

Ist es immer noch nötig eine starke Flüchtlingspolitik durchzuführen obwohl die finanzielle Lage von Deutschland immer schlimmer wird , da enorme Mengen an Ressourcen für die Bekämpfung der Coronakriese verwendet werden

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FDP

Sehr geehrter Herr Afendikov,

eine kluge Einwanderungs- und Integrationspolitik ist zu jeder Zeit wichtig und sollte auch unabhängig von Corona betrachtet werden.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wie alle klassischen Einwanderungsländer braucht es daher klare Regeln für Einwanderung nach eigenen Interessen, gebündelt in einem Einwanderungsgesetzbuch. Zugleich gilt es, die humanitären Verpflichtungen gegenüber Schutzbedürftigen zu erfüllen. Wir wollen Humanität und Ordnung miteinander verbinden. Wir Freie Demokraten wollen ein Einwanderungsrecht aus einem Guss in Form eines zusammenhängenden Einwanderungsgesetzbuches schaffen.

Wir Freie Demokraten wollen die Einwanderung in den Arbeitsmarkt verständlich und einfach steuern. Dazu fordern wir ein modernes Zwei-Säulen-System. Dieses besteht aus einer überarbeiteten „Blue Card“ als Kerninstrument der Fachkräfteeinwanderung mit Arbeitsplatzangebot, die auch für nicht-akademische Fachkräfte geöffnet werden muss, und der Einführung einer Chancenkarte für ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild, um für Fachkräfte die Möglichkeit zu schaffen, auch ohne Arbeitsplatzangebot zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Die Steuerung soll hier über Kriterien wie Bildungsgrad, Deutsch- oder auch gute Englischkenntnisse, Alter, Berufserfahrung und den aktuellen Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt erfolgen. Mittelfristig soll die Chancenkarte in einem europäischen Talentpool aufgehen, um Europas Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte und Studierende zu erhöhen und zu vereinheitlichen. Für beide Säulen muss es für alle Berufe eine einzige gemeinsame bundesweit zuständige Anerkennungsstelle geben, die die Prüfung strukturiert und professionell vornimmt. Für gut integrierte Schutzsuchende muss es die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ in eine der beiden Säulen der Einwanderung in den Arbeitsmarkt geben. Denn wer einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder sich in einer Qualifikationsphase (zum Beispiel Ausbildung oder Studium) befindet, sollte nicht ausgewiesen werden.

Für uns Freie Demokraten ist das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte unantastbar. Dazu gehört auch die politische Verfolgung aus religiösen Gründen oder aufgrund der sexuellen Identität. Dabei wollen wir zwischen politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern unterscheiden. Für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen unbürokratischen Status schaffen - einen vorübergehenden humanitären Schutz, der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist. Nach Identitätsfeststellung soll dieser Status unkompliziert verliehen und damit das Asylsystem massiv entlastet werden. Kriegsflüchtlinge sollen dabei nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren. Die Kompetenzen von Bund und Ländern sollten klar getrennt werden. Der Bund sollte für alle Fragen des Schutzstatus und der Beendigung des Aufenthaltes einschließlich der Abschiebung zuständig sein, damit sich die Länder auf die Aufgabe der Integration konzentrieren können. Zu einem geordneten Einwanderungsrecht gehören auch eine konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung und die Schaffung von ausreichend Abschiebehaftplätzen. Zugleich brauchen besonders vulnerable Gruppen, zum Beispiel Verfolgte aus religiösen Gründen oder aufgrund sexueller Identität, sichere Verfahren und eine sichere Unterbringung sowie im Fall sogenannter sicherer Herkunftsländer eine besondere Rechtsberatung, um Anträge form- und fristgerecht stellen zu können.

Wir Freie Demokraten fordern ein integrationspolitisches Leitbild. Dieses umfasst das Grundgesetz mit seinem Grundrechtekatalog, ist religionsunabhängig und spiegelt die gesellschaftliche Vielfalt in Einheit wider. Es soll die Prinzipien Weltoffenheit, Toleranz und Eigenverantwortung als Grundlage der Integration betonen und aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland heraus verstehbar machen. Sprach- und Integrationskurse müssen daher vom ersten Tag an flächendeckend und kostenlos angeboten, aber auch angenommen werden. Ziel der Integrationskurse muss es vor allem sein, den Respekt vor unserer Rechtsordnung und Demokratie zu vermitteln, insbesondere die Gleichheit von Frau und Mann, die Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten, sowie die Toleranz gegenüber allen Formen des Glaubens und des Nichtglauben

Unser Land ist auf Einwanderung angewiesen. Integration ist der Schlüssel dafür, dass Einwanderinnen und Einwanderer zu einem Teil unserer Gesellschaft werden und zu ihrem Gelingen beitragen. Deshalb wollen wir Integration fördern: durch Angebote zum Erlernen unserer Sprache und unserer Gesellschaftsordnung, Integrationspaten nach kanadischem Vorbild sowie zusätzliche Integrationsmaßnahmen, die sich gezielt an Frauen, Kinder und Senioren, aber auch an besonders schutzbedürftige Personengruppen richten. Bürokratische Hürden beim Einwanderungs- und Integrationsprozess sowie bei der Arbeitsaufnahme, wie die Vorrangprüfung oder die Sperrfrist für Asylbewerber, müssen abgebaut und Partnerschaften mit Herkunftsländern geschlossen werden. Mit ausgewählten Partnerländern sind Anwerbestrategien vor Ort zu entwickeln, zum Beispiel mit Sprachkursen und Vorbereitungskursen auf das Leben in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen                                      
Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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