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Katharina Dröge
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christine K. •

Frage an Katharina Dröge von Christine K. bezüglich Soziale Sicherung

Liebe Katharina, ich bin selbständig als Trainerin und seit Ende Februar von der CoronaSituation betroffen. Meine Umsätze sind noch immer auf 0. Ich habe die Soforthilfe bekommen. Laut Berechnungsformular muss ich sie nahezu komplett zurückzahlen. Ich hatte im April Einkommen aus meiner Rechnung von Februar und Anfang März. Die muss ich als Einnahmen angeben. Die dazugehörenden Reisekosten fielen ja im Februar an. Die gelten nicht. Die 2000 € Lebenshaltungskosten aus NRW sind gegen die Einnahmen gegenzurechnen. Damit bleibt ein Plus von ca. 1000 € für April. Im Mai, Juni etc. keine Umsätze. Aber da es ein Plus ist, "liegt kein Liquiditätsengpass vor". Wovon soll ich leben? Ich bin seit Februar verheiratet. ALG II ist also keine Option. Als Solo-Selbständige lebe ich von meinem Gewinn. Zu Beginn hieß es, da wir aus unserem Haupterwerb unseren Lebensunterhalt erwirtschaften, darf die Soforthilfe für Lebenshaltung verwendet werden. Das wurde dann einfach revidiert. Die Bedingungen im Nachhinein geändert. Vielleicht zur Verdeutlichung: Ich bezahle 640 € Miete, Krankenversicherung 740 €, private Rente ca. 450 €, dann habe ich noch nichts gegessen. Ist Euch das eigentlich klar? Ich bin kein Einzelfall. Meine einfache Frage an Dich: woher soll ich die 9000 € nehmen, die ich bis Dezember 2020 zurückzahlen soll? Woher nehme ich das Geld, auf dem Nippeser Wochenmarkt Gemüse zu kaufen? Ich arbeite international (viel China), die Grenzen sind zu, die Kunden haben ihre Weiterbildungsbudgets gekürzt. Ich versuche mit Nebenjobs ein paar Euros zu verdienen. Bitte tretet für uns ein und ändert die Bedingungen der Rückzahlungsberechnung, sodass wir zumindest Versicherungen und Wohnungsmieten in Anrechnung bringen können. Die Überbrückungshilfe nutzt mir nichts, die ist ja auch nur für betriebliche Ausgaben, die werde ich also nicht beantragen

Viele Grüße, und danke für's Lesen, falls Du es bis hierher durchgehalten hast.
Christine Ketterer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe C.,
danke für deine Nachricht!

Was Du schilderst, ist bei uns gerade großes Thema, auch dank deiner Nachricht. Durch die Schnelligkeit der Hilfen wurde in den Ländern, welche die Bundeshilfen ausgeben und verwalten, teilweise unterschiedlich und auch unklar vorgegangen. Meine Kollegin, Claudia Müller MdB, stellt der Bundesregierung gerade deswegen ein paar Fragen, weil es so viele Fälle gibt, wo zu Beginn andere Informationen über die Hilfen geben wurden, als jetzt, mit den Rückforderungen.

Bitte wende Dich mit deinem Anliegen auch an deine Landesregierung. Denn für die Ausgestaltung, Abwicklung und die Rückzahlungsforderungen sind die Länder zuständig.
Wir werden aber parallel weiterhin auf die Bundesregierung einwirken. Denn die Bundesregierung hat den Ländern für die Vergabe der Bundesgelder einige unsinnige Regeln abverlangt, wie zum Beispiel die Nicht-Anerkennung eines Betrages für die Lebenshaltungskosten. Die Bundesregierung muss jetzt die mangelnde Ausgestaltung der Sofort- und Überbrückungshilfen heilen, statt Rückzahlungen für offensichtlich ungenügende Regelungen zu verlangen. Es braucht eine viel flexiblere Betrachtung, z.B. Betrachtung des Gesamtjahresergebnisses 2020, um über Rückzahlungen von Zuschüssen zu reden. Temporäre Umsatzsteigerungen in den Monaten Mai bis August dürfen nicht automatisch zu Kürzungen oder Rückzahlungen führen. Derzeit ist überhaupt noch nicht einschätzbar, wie sich die Wirtschaft langfristig entwickelt.

Zu den Überbrückungshilfen: Die am 30.7. bekannt gewordene, geringe Anzahl der Anträge zeigt, dass die Überbrückungshilfen insbesondere für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen völlig lebensfremd ausgestaltet sind. Bislang gingen lediglich 10.000 Anträge ein -beim Vorgängerprogramm waren es 2,3 Millionen. Die Zugangshürden sind, auch aus Furcht vor Missbrauch, zu hoch und zu unflexibel.

Unsere größten Kritikpunkte:
• Nur eine Fachperson aus der Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung oder Buchprüfung kann einen Antrag einreichen. Diese Kosten für diese Fachperson können zwar angerechnet werden, aber Erstattungen für Kosten gibt es jetzt nur noch in Höhe von 80% der Kosten, gedeckelt wie bei den Soforthilfen bei einem Maximalbetrag von 9000 Euro.
• Die Bundesregierung besteht trotz vieler Hinweise aus Verbänden, Unternehmen und Politik auf der unflexiblen Zugangsvoraussetzung, dass Soloselbstständige, die im Monat April und Mai weniger als 60% Umsatzeinbrüche im Vergleich zum Vorjahr hatten, bei den Überbrückungshilfen leer ausgehen. Das betrifft Selbstständige, bei denen Umsatzeinbrüche erst verspätet auftreten, genauso wie z.B. Selbstständige, die durch zusätzliche Investitionen und kreative Corona-Ideen ihren Umsatz relativ hoch halten konnten. Hier haben wir flexiblere und großzügigere Lösungen eingefordert.
Das BMWI hat bei diesem Aspekt erst kürzlich einen Müh nachgebessert, dieser Aspekt hat auch schon in den FAQ Eingang gefunden: (Punkt 1.5) https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Navigation/DE/Dokumente/FAQ/faqlist.html
Diese Nachbesserung hat zur Folge, dass für Unternehmen und Soloselbstständige, welche im April und Mai 2019 weniger als 5 % ihres Jahresumsatzes erzielt haben, die Zugangshürde von 60% Umsatzeinbuße wegfällt. Aus einem Gespräch einer Mitarbeiterin mit dem BMWi ging unserer Ansicht auch hervor, dass man das Wort "saisonal" weglassen könnte: Auch eine Auszeit wegen Krankheit oder aus anderen Gründen sei eine saisonale Schwankung in 2019. Die Höhe der Hilfen werden dann aber trotzdem anhand der Monate Juni, Juli und August 2019 und 2020 berechnet.
In der FAQ ist auch unter 1.3. der Umsatz definiert. Dort steht der wohlklingende Satz: " Ein Umsatz wurde danach grundsätzlich in einem bestimmten Monat erzielt, wenn die Leistung in diesem Monat erbracht wurde." Jedoch ergab sich aus verschiedenen Gesprächen, dass Leistungen bei einer Ist-Versteuerung, welche ja die meisten Soloselbstständigen nutzen werden, im Moment der Zahlung der Rechnung als erbracht gilt. Wenn zu viele Zahlungen noch im April und Mai 2020 eingingen, gilt bei einer Ist-Besteuerung also leider das Prinzip: Pech gehabt.
• Zusätzlich gibt es keine Anreize für Überbrückungshilfe-berechtigte Unternehmen und Selbstständige, sich für die Monate Juni bis August um starke Umsatzsteigerung zu bemühen. Sobald der Umsatz zu sehr gesteigert wird, werden die Hilfen entsprechend gesenkt oder gestrichen. Das ist ein klarer Fehlanreiz. Dabei lässt die Bundesregierung völlig außer Acht, dass es nicht nur um die Umsätze der Monate Juni bis August geht. Eine temporäre Umsatzsteigerung in den Monaten Juni bis August, für viele ja die wichtigsten Monate im Jahr, darf nicht automatisch zu Kürzungen oder Rückzahlungen führen. Das ist viel zu kurzfristig gedacht. Wir halten deshalb eine viel flexiblere Betrachtung, z.B. des Gesamtjahresergebnisses 2020, für viel sinnvoller.
• Ein ganz großes Manko der Überbrückungshilfen: Sie geben keine Planungssicherheit bis zum Jahresende - sondern nur bis Ende August. Aus dem Wirtschaftsausschuss wissen wir inzwischen, dass eine eventuelle Verlängerung der Überbrückungshilfen schon eingeplant ist. Als grüne Bundestagsfraktion hatten wir schon im Mai Hilfen bis zum Jahresende gefordert, damit Planungssicherheit besteht. Warum die Bundesregierung hier so kurzsichtig agiert, ist schwer nachzuvollziehen.

Mit freundlichen Grüßen
Katharina

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