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Jürgen Coße
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Frage von Reinhard G. •

Ist eine starke Begrenzung der Atomwaffen derzeit nicht besonders wichtig? Sollte Deutschland nicht jetzt dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und endlich atomwaffenfrei werden?

Sehr geehrter Herr Coße,

steht die Nukleare Teilhabe der Bundeswehr nicht im Widerspruch zum Atomwaffensperrvertrag? Ist es nicht riskant, wenn die „andere Seite“ nicht weiß, ob ein F 35-Tarnkappenflugzeug, über dessen Anschaffung der Bundestag berät, eine Atomwaffe trägt?

Wäre Deutschland Anziehungspunkt bei einem Nuklearkrieg? Führt es nicht zu mehr Sicherheit, wenn es keine Atomwaffen in Deutschland gibt? Entspricht das nicht dem Beschluss von einigen Bundesländern und vielen Städten und Gemeinden in Deutschland? https://www.icanw.de/ican-staedteappell/ Und auch dem Willen der Bevölkerung?

Welche Atomwaffen der US-Armee und welche kernwaffenfähigen Systeme gibt es in Deutschland?

Würde es nicht auch zu einer höheren Sicherheit in ganz Europa führen, wenn die Nato-Mitgliedsländer jetzt Rüstungskontrollverhandlungen beginnen wurden, statt eine noch größere militärische Überlegenheit anzustreben? https://www.dw.com/de/usa-bei-milit%C3%A4rausgaben-einsame-spitze/a-56707052

MfG

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Sehr geehrter Herr G.

vielen Dank für Ihre engagierte und wichtige Anfrage, die Sie – wenn ich es richtig einordne – in einer Zeit gestellt haben, in der der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gerade begonnen hatte und uns alle zutiefst beunruhigt hat.

Ich teile Ihre Hoffnung auf eine Welt ohne Atomwaffen. Und ich teile auch Ihr grundsätzliches Unbehagen gegenüber jeder Form nuklearer Aufrüstung. Mein Wunsch ist nicht nur eine Welt ohne Atomwaffen – ich wünsche mir auch eine Welt ohne konventionelle Kriege. Leider ist beides derzeit nicht die Realität.

Russland hat in den letzten Jahren sehr deutlich gemacht, dass es sowohl zu konventionellen Angriffen als auch zur nuklearen Drohung bereit ist. Präsident Putin hat mehrfach den Einsatz von Atomwaffen angedeutet – das ist brandgefährlich. In dieser Realität leben wir. Und in dieser Realität braucht es eine glaubhafte Abschreckung, um genau das zu verhindern.

Die nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO ist aus meiner Sicht kein Selbstzweck, sondern ein Beitrag zur kollektiven Sicherheit in Europa. Sie bedeutet nicht, dass Deutschland Atomwaffen besitzt oder selbst einsetzen möchte. Aber sie ist ein politisches Signal, dass wir im Bündnis gemeinsam Verantwortung tragen und uns nicht erpressen lassen.

Gleichzeitig muss unser Ziel bleiben, nukleare Rüstung zu begrenzen und langfristig abzubauen. Die Bundesregierung steht weiterhin zum Ziel der nuklearen Abrüstung, und wir setzen uns für neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen ein – insbesondere zwischen den USA, Russland und China. Der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist ein moralisch starkes Zeichen, aber er bindet leider bisher keine einzige Atomwaffenmacht. Deshalb halten wir als SPD-Bundestagsfraktion es aktuell für wirkungsvoller, den bestehenden Atomwaffensperrvertrag (NVV) zu stärken und konkret mit Leben zu füllen.

Zu Ihrer Frage nach den Systemen in Deutschland: Es ist bekannt, dass im Rahmen der nuklearen Teilhabe US-Atombomben in Büchel lagern. Die Bundeswehr selbst besitzt keine Atomwaffen, aber mit der Anschaffung der F-35 wird sie – im Rahmen der NATO-Verantwortung – für den Ernstfall vorbereitet. Dass diese Systeme abschreckend wirken sollen, ist dabei genau der Punkt: Abschreckung ist keine Kriegsvorbereitung, sondern Kriegverhinderung.

Ich nehme Ihre Bedenken sehr ernst. Auch deshalb finde ich es wichtig, dass die Debatte über Sicherheit, Abrüstung und Frieden nicht verstummt – gerade in Städten und Gemeinden, die sich dem ICAN-Städteappell angeschlossen haben. Ihr Engagement ist Teil einer lebendigen Demokratie – und dafür danke ich Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Coße, MdB

www.juergen-cosse.de

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