Halten Sie die anhaltende Unterstützung der Ukraine weiterhin für sinnvoll? Immerhin handelt es sich um rund 34 Milliarden zivile und 38 Mrd. € milit. Unterstützung
Die o.g. Zahlen werden auf der offiziellen Informationsseite der Bundesregierung genannt und betrifft den Zeitraum vom 22.2.22 bis 07.07.25. Bei den militärischen Milliarden heißt es, dass diese bereits bezahlt wurden bzw. teils fest zugesagt worden sind. Also zusammengefaßt sind es rund 72 Milliarden Steuern bzw. Schulden für den deutschen Steuerzahler. In diesem Zusammenhang wird oft davon gesprochen, dass die Ukraine auch unsere Freiheit und Demokratie verteidigen würde. Können Sie mir konkret sagen, wann, wo und wie Russland uns d.h. Deutschland bedroht hat?

Sehr geehrte Frau P.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Vorab: Ich stehe, wie meine Fraktion, voll und ganz zur Unterstützung der Ukraine. Die von der Bundesregierung veröffentlichten Zahlen umfassen neben der militärischen Hilfe auch Hilfen zum Wiederaufbau, zur Aufnahme geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer und medizinischer Nothilfe. Wir unterstützen die Ukraine umfassend im Abwehrkampf gegen die russische Invasion vom 24. Februar 2022.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine stellt einen massiven Bruch des Völkerrechts dar und ist durch nichts zu rechtfertigen. Russland terrorisiert die ukrainische Zivilbevölkerung, greift Krankenhäuser an, tötet wahllos und begeht Kriegsverbrechen wie in Butscha und vielen weiteren Orten. Es geht dabei nicht um eine Generalanklage des russischen Volkes, sondern um den Angriffskrieg der Regierung. Den demokratischen, mäßigenden Kräften in der Russ. Föderation gilt unsere Solidarität.
Dass die Europäische Union seit Tag 1 der Invasion Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter mehrheitlich Mütter mit ihren Kindern aufnimmt, ist ein wichtiges Zeichen. Ich selbst konnte gerade in der Anfangszeit des Krieges viele Ukrainerinnen und Ukrainer – darunter ein Kinderheim, das evakuiert wurde und Gehörlose, die ihre Heimat verlassen mussten – kennenlernen und beim Ankommen in Wuppertal unterstützen. Ich bin stolz darauf, dass unsere Gesellschaft diese große Anstrengung unternommen hat. Seit ca. 15 Jahren bin ich mit dem ukrainisch-deutschen Verein Lerche e.V. in engem Austausch. Die Berichte, was der Krieg in den Familien angerichtet hat, den Verlust der Heimat, von Kulturstätten und Angehörigen, sind erschütternd und berührend. Der Verein leistet unermüdliche Arbeit für die Unterstützung der Opfer des Angriffskriegs. Und das ohne jeglichen pauschal anti-russischen Reflex.
Zum anderen halte ich es für richtig, dass wir die Ukraine auch militärisch unterstützen. Ohne die Lieferung schweren Geräts hätte die Ukraine schon längst kapitulieren müssen. Putin hat sehr deutlich mehrfach geäußert, dass er die Souveränität der Ukraine nicht anerkennt. Er erkennt das ukrainische Volk als solches nicht an. Es ist unschwer zu erahnen, wie es den Menschen in einem von Russland besetzten Land ergehen wird. Militärische Stärke ist außerdem Bedingung, um erfolgreich Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen dauerhaften Friedensschluss führen zu können. Ohne den dreijährigen Abwehrkampf wären die nun angesetzten Verhandlungen nicht denkbar. Somit steht die Solidarität mit der Ukraine auch nicht im Widerspruch zur Neuen Ostpolitik von Willy Brandt, die Versöhnung und Frieden mit Deutschland gebracht hat. Auch diese Neue Ostpolitik wäre ohne Stärke nicht möglich gewesen.
Wenn es in Europa möglich wird, seine Interessen über die eigenen Staatsgrenzen hinweg kriegerisch durchzusetzen, dann stellt das auch für uns in Deutschland eine ernsthafte Gefahr dar. Deshalb bin ich überzeugt, dass eine Unterstützung der Ukraine auch in diesem Sinne im eigenen Interesse Deutschlands liegt. Das russische Regime wird nicht an der Außengrenze der EU stoppen, wenn er in der Ukraine siegreich wäre. Weitere Kriege wären die Folge. Eine Niederlage der Ukraine wäre eine Bedrohung für uns alle.
Herzliche Grüße
Helge Lindh, MdB