Guten Tag, Konnten Sie mir sagen, wie Sie in Sache Familiennachzug abgestimmt haben und Ihre Entscheidung begründen? Vielen Dank und besten Gruß, Katharina N.

Sehr geehrte Frau N.,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Aussetzung des Familiennachzugs habe ich zugestimmt. Da es sich um eine namentliche Abstimmung handelte, können Sie das Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten unter folgendem Link einsehen:
https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=957
Die mit der Aussetzung verbundenen Probleme und Härten für die betroffenen Familien sind mir in vollem Umfang bewusst. Aus persönlicher Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit seit 2014/15, jahrelanger Tätigkeit im Integrationsrat der Stadt Wuppertal, durch Kontakt mit unzähligen Familien in meinem Wahlkreisbüro, die Unterstützung suchen und bei denen wir in vielen Fällen helfen konnten, kenne ich die Umstände der Familien sehr gut. Deshalb habe ich lange mit meiner Entscheidung gerungen. Die Gründe für meine Zustimmung habe ich in einer persönlichen Erklärung zur namentlichen Abstimmung festgehalten, auf die ich hier auch verweisen möchte:
„Die Familie ist zu schützen. Familie trägt zur Integration bei, sie unterstützt beim Ankommen. Der familiäre Zusammenhalt stärkt die Stabilität ihrer Mitglieder in einer ohnehin extremen Belastungssituation der Flucht und schafft die Voraussetzungen, sich auf Bildung, Spracherwerb oder Arbeitsaufnahme konzentrieren zu können. Der Familiennachzug ist einer der wenigen Wege, regulär und legal als Schutzsuchende einreisen zu können.
Bereits nach aktueller Rechtslage ist der Familiennachzug auf 1.000 Personen pro Monat begrenzt. Die Terminwartelisten in den Auslandsvertretungen sind lang, die Verfahren für alle Beteiligten sehr belastend. Dass nun ein großer Teil der Geflüchteten für zwei Jahre ganz von der Möglichkeit der Zusammenführung ausgeschlossen wird, schmerzt mich persönlich sehr. Dass im Koalitionsvertrag und den Verhandlungen zum Gesetzentwurf weitergehende Forderungen verhindert werden konnten, kann den massiven Einschnitt nicht verdecken.
Was erreicht wurde: Die vorgeschlagene Aussetzung des Familiennachzugs geht mit einer Klarstellung der Härtefallregelung einher. Bisher ist die Aufnahme von Härtefällen unzureichend transparent und de facto unzugänglich für Betroffene. Dies wird nun auf unseren Druck der SPD-Fraktion hin geändert. Es gibt künftig klare Antragsformate, definierte Ansprechpersonen und Möglichkeiten des Rechtsschutzes. Ebenfalls wichtig ist die Klarstellung, dass bereits ausgestellte Visa von den Antragsstellern abgeholt werden dürfen und die Einreise für diese Menschen ermöglicht wird. Auch dies wäre ohne die SPD-Fraktion nicht möglich gewesen.
Zu betonen ist ebenfalls, dass der Familiennachzug temporär ausgesetzt wird. Diese Zeit muss genutzt werden, um die Integration in den Kommunen zu unterstützen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass Überlastung im Migrations- und Integrationsbereich abgebaut wird. Das Ziel muss bleiben, in zwei Jahren wieder Familiennachzüge zu ermöglichen. Es gibt keinen Automatismus für eine Verlängerung, den die Union sich gewünscht hätte.
Die Aussetzung des Familiennachzugs ist ein schmerzhafter Schritt. Die verabschiedete Regelung ist gegenüber der Formulierung im Koalitionsvertrag mit leichten Verbesserungen und Klarstellungen verbunden. Er bleibt ein Kompromiss, dem ich heute schweren Herzens und mit Blick auf die Stabilität der Regierungskoalition und der parlamentarischen Demokratie als solcher hinsichtlich der enormen Aufgaben, die noch vor uns liegen, zustimme.“
Selbstverständlich stehe ich gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Helge Lindh, MdB