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Florian Oest
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Frage von Tobias S. •

Herr Oest, werden Sie sich im Forschungsausschuss aktiv für eine deutliche Erhöhung der ME/CFS-Forschungsgelder einsetzen – nicht nur mit Worten, sondern mit echter Hoffnung für uns Betroffene?

Sehr geehrter Herr Oest,seit meinem 17. Lebensjahr leide ich an ME/CFS - seit fünf Jahren bin ich vollständig pflegebedürftig und bettlägerig. Jede kleinste Belastung führt zu einer massiven neuroimmunen Verschlechterung. Ich verbringe mein Leben in Isolation, mit Schmerzen, Erschöpfung und völliger Abhängigkeit. Für mich und viele andere ist diese Krankheit eine humanitäre Katastrophe - und zugleich ein volkswirtschaftliches Desaster.Laut aktuellen Berechnungen verursachen ME/CFS und Long Covid in Deutschland jährlich rund 63 Milliarden Euro Schaden. Trotzdem wurde kaum in Forschung investiert, teils sogar gekürzt. Während andere Krankheiten Milliarden erhalten, bleibt ME/CFS seit über 30 Jahren fast völlig ignoriert.Ich bitte Sie eindringlich, sich im Forschungsausschuss für eine massive, nachhaltige Förderung einzusetzen. Nur Forschung kann uns die Chance geben, zu überleben – menschlich und gesellschaftlich.Herzliche Grüße Tobias S

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Antwort von CDU

Sehr geehrter Tobias S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht / Ihr Schreiben zur Forschungsförderung des Bundes im Bereich ME/CFS und Long/Post-COVID. Gern möchte ich Ihnen hierauf antworten.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages mit Nachdruck für den Ausbau der Forschungsförderung zu postinfektiösen Erkrankungen eingesetzt. Auf Betreiben der Union aus CDU und CSU konnte im Koalitionsvertrag dieser Ausbau in der Regierungskoalition fest vereinbart werden. Auf Initiative der Regierungsfraktionen aus CDU/CSU und SPD wurde hierfür jetzt im Zuge der Haushaltsberatungen zum Bundeshaushalt 2026 die haushälterische sowie inhaltliche Grundlage für die Ausrufung einer Nationalen Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen (NDPE) im Schulterschluss mit dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geschaffen. Mit der NDPE entsteht erstmals ein langfristiger, über zehn Jahre angelegter Forschungsrahmen, der diese Krankheitsbilder systematisch, breit und wissenschaftlich unabhängig adressiert.

Die NDEP reagiert auf eine Situation, in der Hunderttausende Betroffene seit Jahren unter massiven gesundheitlichen Einschränkungen leiden – bei gleichzeitig erheblichen volkswirtschaftlichen Schäden und einem bisherigen Forschungsstand, der in vielen Bereichen fragmentiert und unterfinanziert war. Ziel der Dekade ist es, diesen Zustand zu überwinden, indem Forschung nicht mehr in Einzelprojekten und befristeten Impulsen gedacht wird, sondern in einer kohärenten, übergeordneten wissenschaftlichen Agenda: Mechanismen aufklären, Strukturen aufbauen, Nachwuchs sichern, Diagnostik verbessern, translationale Wege stärken und klinische Forschung nachhaltig vertiefen.

Der Bund stellt hierfür bis 2036 insgesamt 500 Millionen Euro bereit – mit 50 Millionen Euro bereits im Startjahr 2026. Dieser langfristige Ansatz ist entscheidend, weil postinfektiöse Erkrankungen komplex, heterogen und multidimensional sind. Sie erfordern Kooperationen über Fächergrenzen hinweg, stabile Daten- und Biomaterialstrukturen, hohe methodische Standards, internationale Anschlussfähigkeit und die Fähigkeit, neue Erkenntnisse schnell in klinische Relevanz zu übersetzen. Genau diese Architektur schafft die NDPE.

Mit Blick auf die konkrete Umsetzung wird das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt laufen die konzeptionellen Arbeiten auf Hochtouren. Wir wollen ein enges Netzwerk aus Wissenschaft, Forschung und Industrie knüpfen und es fortlaufend ausbauen. Inhaltlich wird der Fokus zu Beginn der Dekade darauf liegen, die wissenschaftlichen Grundlagen zu schaffen. Dazu gehört unter anderem: Welche biologischen Mechanismen führen dazu, dass sich aus einer Infektion langanhaltende Symptome entwickeln? Welche Biomarker oder diagnostischen Parameter eignen sich, um verschiedene Verlaufsformen voneinander zu unterscheiden oder den Schweregrad besser zu erfassen? Ebenso wichtig ist der Aufbau und die Stärkung verlässlicher klinischer Studienstrukturen, damit Forschungsergebnisse künftig vergleichbarer und belastbarer werden. Auch Fragen der Prävention rücken in den Fokus, etwa welche individuellen oder immunologischen Risikofaktoren das Entstehen postinfektiöser Erkrankungen begünstigen könnten.

Diese strategische Schwerpunktsetzung schafft die wissenschaftliche Basis, auf der spätere therapeutische Entwicklungen aufbauen können. Aus diesem Grund werden die ersten Forschungsförderrichtlinien nicht darauf abzielen, einzelne Therapien oder konkrete Medikamentenkandidaten zu fördern. Das ist kein Ausschluss bestimmter methodischer oder therapeutischer Ideen, sondern eine notwendige Reihenfolge: belastbare Evidenz zuerst, Entwicklungsperspektiven im nächsten Schritt.

Im Verlauf der NDPE selbst wird die Forschungsagenda dann rein wissenschaftsbasiert und unabhängig von politischen Interessen weiterentwickelt. Welche Ansätze künftig in den Mittelpunkt rücken, ergibt sich allein aus den Daten, Erkenntnissen und methodischen Fortschritten der Forschungsgemeinschaft. Politik wird dabei weder Therapiepfade priorisieren noch einzelne Entwicklungsprojekte steuern. Die Verantwortung liegt vollständig bei der Wissenschaft.

Ein prägendes Element der NDPE wird die Pluralität der Ansätze sein. Förderverfahren sind üblicherweise so gestaltet, dass sie methodisch offen sind und unterschiedliche Wege zulassen, solange sie wissenschaftlich tragfähig sind und den Zielen der jeweiligen Bekanntmachung entsprechen. Gleichzeitig werden interdisziplinäre Kooperationen, der Aufbau einer nationalen Daten- und Biobank-Infrastruktur sowie gezielte Förderung von Nachwuchsgruppen eine zentrale Rolle spielen. Auch die Expertise der Betroffenen wird systematisch einbezogen, um die Forschungsagenda fortlaufend am tatsächlichen Bedarf auszurichten.

Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, die kommenden Forschungsförderrichtlinien aufmerksam zu verfolgen und Ihre Expertise dort einzubringen, wo sie einen substanziellen Beitrag zur mechanistischen Aufklärung leisten kann. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Baustein in dem wissenschaftlichen Fortschritt, den wir mit dieser NDPE ermöglichen wollen.

Für Rückfragen stehe ich jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Oest

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