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Falko Droßmann
SPD
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Frage von Jarkko O. •

Wie ist Ihre persönliche Ansicht dazu, dass Deutschland eine führende Rolle bei einem länderübergreifenden Zusammenschluss für eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern in die Ukraine einnehmen sollte?

Sehr geehrter Herr Droßmann,

Bundeskanzler Olaf Scholz und führende Bundespolitiker der SPD lehnen bisher eine Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart mit dem Argument ab, dass bisher noch kein anderes Land solche Panzer in die Ukraine geliefert hätte und Deutschland keinen Alleingang unternehmen wird. Gleichzeitig hat Herr Scholz immer wieder geäußert, wer Führung bei ihm bestellt, erhält diese auch.

Vor diesem Hintergrund meine Frage, weshalb Deutschland hier nicht initiativ und in Kooperation mit anderen Ländern, die den Kampfpanzer Leopard ebenfalls besitzen, tätig wird, da dies keinen Widerspruch dazu darstellen würde, dass Deutschland keine Alleingänge unternehmen solle.

Als Hamburger Vertreter der SPD im Verteidigungsausschuss des Bundestags interessiert mich Ihre persönliche Einstellung hierzu im besonderen Maße.

Herzlichen Dank bereits für Ihre Antwort.

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Sehr geehrter Herr Jarkko O.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich beschäftige mich als Mitglied des Verteidigungsausschusses intensiv mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, dessen sicherheitspolitische Bedeutung für Europa, den Fähigkeiten der Bundeswehr und den Produktionskapazitäten der deutschen Rüstungsindustrie.

Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen halte ich die Position von Olaf Scholz, keine Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine zu liefern, für richtig. Zusätzlich zu dem zutreffenden Argument, dass derzeit auch kein anderer westlicher Partner Kampfpanzer an die Ukraine liefert, möchte ich noch ein weiteres Argument nennen:

Es betrifft die Fähigkeiten der europäischen Streitkräfte. Nach 30 Jahren Friedendividende und für das internationale Krisenmanagement umstrukturierte Armeen, sind die europäischen Fähigkeiten mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung in Europa mangelhaft. Die Lücken, die bestehen, müssen nun sehr zügig wieder aufgefüllt werden. Gleichzeitig haben sich die NATO-Bündnispartner darauf verständigt, die bestehenden Lücken nicht nur aufzufüllen, sondern darüber hinaus auch neue Kapazitäten aufzubauen. Besonders unsere osteuropäischen Nachbarstaaten haben ein sehr großes Interesse daran, die Ostflanke der NATO militärisch weiter zu stärken, um Russland abzuschrecken. Alleine können sie dieses Vorhaben nicht umsetzen.

Die Lieferung moderner Kampf- oder Schützenpanzer und allem, was z.B. an Munition und Ersatzteilen dazugehört, steht diesem Vorhaben der NATO entgegen. Die Bundeswehr besitzt nicht mehr über ausreichend viele Panzer, um sie nicht ohne größeren Fähigkeitsverlust abzugeben. Deutschland könnte seine NATO-Partner dementsprechend in Zukunft nicht mehr so unterstützen, wie das vereinbart wurde.

Zu alledem kommt, dass die derzeitigen Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie begrenzt sind. Auch wenn gerade Bemühungen zu beobachten sind, diese langfristig auszubauen: Ich gehe davon aus, dass wir Jahrzehnte benötigen werden, um die bestehenden Lücken zu schließen, neue Kapazitäten aufzubauen und das derzeit bereits an die Ukraine abgegebene Material zu ersetzen. Dabei geht es wie gesagt nicht nur um militärisches Großgerät, sondern eben z.B. auch um Munition, Ersatzteile und Infrastruktur. Hier besteht in Europa generell großer Nachholbedarf und bei der Munition beispielsweise nur wenige Anbieter, die den vorherrschenden Mangel über einen längeren Zeitraum hinweg abmildern können. Ich kann deswegen zurzeit nicht erkennen, wie die Industrie den Bedarf der NATO-Staaten und der Ukraine gleichzeitig decken soll.

Um nicht missverstanden zu werden: Der Abwehrkampf der Ukraine kann gerechter nicht sein und Deutschland liefert deswegen bereits, was möglich und militärisch sinnvoll ist. Gleichzeitig müssen wir der Realität aber ins Gesicht schauen: Unsere militärischen und industriellen Möglichkeiten sind nach Jahren der Einsparungen bei der Bundeswehr stark begrenzt.

Unter diesen Rahmenbedingungen kann Führung nicht bedeuten, die Fähigkeiten der Bündnisverteidigung noch weiter zu schwächen, indem Europa moderne westliche Kampf- oder Schützenpanzer abgibt. Olaf Scholz wird dagegen in enger Abstimmung mit unseren Bündnispartnern dafür Sorge tragen, dass die Fähigkeiten zur Bündnisverteidigung und die Kapazitäten der Rüstungsindustrie in Europa in den nächsten Jahren ausgebaut werden. Hier sind Initiative und Kooperation dringend erforderlich und das Sondervermögen der Bundeswehr ist in diesem Sinne ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Für weitere Fragen wenden Sie sich gerne an mein Büro.

Mit freundlichen Grüßen

Falko Droßmann

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