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Elisabeth Winkelmeier-Becker
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Frage von Peter D. •

Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Peter D. bezüglich Finanzen

hallo frau winkelmeier,

zum stichwort nichtanwendungserlaß:

sollten zivilprozeßkosten steuerlich absetzbar sein?
ein änderndes gesetz steht schon lange aus. der bfh hat die absetzbarkeit schon bejaht. der nichtanwendungserlaß stellt mein juristisches empfinden auf den kopf.

gruß
peter dicty

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dicty,

vielen Dank für Ihre Frage vom 20.09.2013 zur steuerlichen Absetzbarkeit von Zivilprozesskosten. Im Ergebnis halte ich es für richtig, dass Zivilprozesskosten nur im Ausnahmefall absetzbar sind.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte im Juli 2011 überraschend geurteilt, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar sind. Voraussetzung sei lediglich, dass die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dies war für die Finanzverwaltung eine vollkommen neue Sachlage. Denn bisher war man allgemein davon ausgegangen, dass eine Abziehbarkeit solcher Kosten nur dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige ohne die Prozessführung seine Existenzgrundlage zu verlieren droht. Die Finanzverwaltung (sowohl das Bundesministerium der Finanzen als auch die Finanzministerien der Länder) reagierten zunächst in der Weise, dass sie einen Nichtanwendungserlass erließen.
Vor einem solchen findet stets eine Prüfung statt, ob eine Entscheidung des BFH über den Einzelfall hinaus allgemein angewendet werden kann oder ob, im Interesse der Rechtssicherheit und einer gleichmäßigen Besteuerung aller, die Finanzämter angewiesen werden, die Entscheidung des BFH nur auf den konkreten Fall zu beziehen. Hier hat das Bundesministeriums der Finanzen Recht, dass in einem finanzgerichtlichen Verfahren ergangene und rechtskräftig gewordene Urteile nur die am Rechtsstreit Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden. Dies gilt auch für Entscheidungen des BFH. Denn allgemein verbindliche Wirkung haben lediglich Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Legislative, Exekutive und Judikative kommt grundsätzlich der gleiche Rang zu. Das hat zu Folge, dass die Finanzverwaltung und auch der Gesetzgeber ihrerseits die Möglichkeit haben, auf eine Rechtsprechung, die dem gesetzgeberischen Willen entgegenläuft, zu reagieren, wenn die konkrete Auslegung eines Gesetzes dem ursprünglichen gesetzgeberischen Willen zuwider läuft.
Hintergrund des - von Ihnen angesprochenen – Nichtanwendungserlasses ist u. a., dass der Finanzbeamte vor Ort gar nicht beurteilen kann, ob ein Verfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (und demzufolge die Kosten steuerlich abgesetzt werden können).
Um die negativen Folgen des BFH-Urteils abzuwenden, drängten die Länder - m.E. zu Recht - darüber hinaus auch auf eine gesetzliche Regelung. Der Bund hat dem letztlich entsprochen, zwar nicht im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013, aber in dem späteren Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. Danach kommt eine Absetzbarkeit nur bei drohendem Verlust der Existenzgrundlage in Betracht.

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker

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