Warum wurde die schwerwiegende Erkrankung ME/CFS bisher nicht in die GdB-Tabelle der VersMedV zur angemessenen Anerkennung einer Behinderung aufgenommen und werden Sie sich nun aktiv dafür einsetzen?
Die schwerwiegende Multisystemerkrankung ME/CFS ist weiterhin eine stille humanitäre Katastrophe in Deutschland. Es fehlt leider weiterhin völlig an Versorgung, weitgehend an Forschung, völlig an Anerkennung und es kommt weiterhin keine Hilfe bei den vielen Erkrankten an. Im Bereich Anerkennung der Behinderung hätte längst eine sehr relevante Verbesserung umgesetzt werden können, indem ME/CFS in die VersMedV als eigenständige Krankheit angemessen aufgenommen worden wäre und die anerkannte Bell-Skala zur Einordnung der Krankheitsschwere benutzt würde. Dies hätte mit geringem Aufwand für deutlich mehr Gerechtigkeit und weniger Streit mit Behörden und Sozialgerichten bei der Anerkennung geführt. ME/CFS als eigenständige Krankheit wird von unkundigen Gutachtern oft ignoriert und stattdessen lediglich das unspezifische Fatigue-Syndrom völlig unangemessen berücksichtigt. Die SPD könnte einen Beitrag zur Verbesserung der dramatisch schlechten Situation leisten. Wird die SPD nun handeln?

Sehr geehrter Herr A.,
haben Sie vielen Dank für Ihre erneute Frage zur Berücksichtigung des ME/CFS beim Grad der Behinderung (GdB).
Zunächst möchte ich auf meine Antwort auf Ihre Frage vom 07. Januar 2024 verweisen. Hier hatte ich bereits dargelegt, dass eine Berücksichtigung des Krankheitsbildes bei der Vergabe eines GdB deshalb so schwierig ist, da die Ausprägung von ME/CFS hochgradig individuell ist. Erschwerend kommen fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse hinzu, die eine Einstufung des Krankheitsbildes als Schwerbehinderung derzeit nicht möglich machen.
Bereits in der vergangenen Wahlperiode hatten sich SPD, Grüne und FDP auf eine Vervielfachung der Forschungsgelder geeinigt. Zusätzlich hat der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen Runden Tisch aus Betroffenenverbänden, Forschung und anderen relevanten Akteuren ins Leben gerufen, um dem Thema die Bedeutung zu geben, die es verdient. Auch in dieser Wahlperiode wird im Koalitionsvertrag zwischen SPD und den Unionsparteien die weitere Forschung am Krankheitsbild explizit festgeschrieben.
Aus meiner vorhergehenden Antwort wissen Sie jedoch auch, dass die GdB-Feststellung für Menschen, die an ME/CFS erkrankt sind, bereits heute möglich ist, auch wenn das Krankheitsbild selbst nicht in der GdB-Tabelle aufgeführt wird. Auch die Sozialgerichte haben mehrfach in Urteilen einen solchen Anspruch festgestellt, mindestens jedoch bei Bürgerinnen und Bürgern, die unter dem Chronischen-Fatigue-Syndrom (CFS) leiden. In diesen Urteilen wurde auch festgestellt, dass die daneben auftretenden Begleiterscheinung ebenfalls in die Bewertung einbezogen werden müssen (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11.6.2014, L 3 SB 182/10).
Wir werden auch in dieser Wahlperiode weiter für Verbesserungen bei der Rehabilitation, Forschung und Wiedereingliederung in das Berufsleben arbeiten. Immerhin haben die gesteigerte Forschung und die Gesprächsrunden im Bundesgesundheitsministerium bereits Wirkung zeigen können und auch bei vielen Jobcentern ist das Bewusstsein für das Krankheitsbild und seine möglichen Folgen bei der Wiedereingliederung ein deutlich größeres Verständnis und Bewusstsein vorhanden, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war.
Mich stimmen diese Entwicklungen in jedem Falle positiv – auch wenn noch ein langer Weg zu gehen ist. Mit den Betroffenenverbänden bin ich auch weiterhin im aktiven Austausch und verfolge die Forschungsbemühungen und den Erkenntnisgewinn.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Dagmar Schmidt, MdB