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Christiane Schneider
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Frage von Isabel A. •

Frage an Christiane Schneider von Isabel A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schneider,

gerne würden wir Ihre Haltung zu folgenden Themenkomplexen erfahren. Vielen Dank vorab für Ihre diesbezüglichen Bemühungen.

A) Versammlungsgesetz

Wie angekündigt, wird es in der nächsten Legislaturperiode zu einem eigenen Versammlungsgesetz für Hamburg kommen. Wir wollen von Ihnen wissen, wie dies Ihrer Meinung nach gestaltet werden muss.

1) Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Arbeitskampf nach Art.9 Abs.3 Grundgesetz zu schützen?

2) Wie werden Sie sich für ein Verbot von Neonaziaufmärschen einsetzen?

3) Ziviler Ungehorsam ist Mittel dessen wir uns oft bedienen. Wie stehen Sie dazu?

4) Wir (Die DGB-Jugend Hamburg) fordern eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten um gegen Übergriffe der Polizei auf Demonstrationen vorgehen zu können. Wie stehen Sie dazu?

B) AFD

Erst kürzlich gab das Hamburger Bündnis Gegen Rechts eine Broschüre zur Kritik der Afd heraus. Dort heisst es "Mit der Alternative für Deutschland
(AfD) konstituiert sich seit Februar 2013 eine rechtspopulistische Partei in Deutschland, bei der „Nationalismus nicht der Anstrich
[...] sondern Kern“ der Politik ist."

1) Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit der AfD auf dem Polit-Parkett bereits sammeln können?
2) Unter welchen Umständen kam/käme eine Zusammenarbeit mit der AfD für Sie in Frage?
3) Welchen politischen Umgang streben Sie mit der AfD an?
4) Die AfD hat kürzlich eine Strafanzeige gegen die Kampnagelintendantin Amelie Deuflhard und gegen das auf dem Gelände betriebene Projekt "Eco-Favela" gestellt. Welche Position vertreten Sie in dieser Auseinandersetzung?

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Sehr geehrte Frau Artus,

vielen Dank für Ihre Fragen.

A) Versammlungsgesetz
Schon seit einiger Zeit deutet sich in Hamburg ein neues Versammlungsgesetz an. Durch die Föderalismusreform können die Länder eigene Versammlungsgesetze erlassen – bislang so geschehen in Bayern, Baden-Württemberg, stellenweise im Berliner Versammlungsgesetz, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Das niedersächsische Gesetz soll nun Vorbild für das Hamburger Gesetz werden. Das ist schlecht, denn auch wenn in Niedersachsen ein erster, äußerst demonstrationsfeindlicher Gesetzentwurf nach zahlreicher Kritik still und leise in den Schubladen verschwand, ist das letztlich erlassene Gesetz gekennzeichnet von einem grundlegendem Verdacht gegen Demonstrierende, weitreichenden Erweiterungen der polizeilichen Befugnisse und einem abschreckenden Bußgeldkatalog. Darum wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt und das Gesetz ist gerichtsanhängig. In Hamburg wird der Ausgang dieses Verfahrens abgewartet, bevor ein neues Versammlungsgesetz erlassen werden soll. Wir wollen ein modernes, nicht obrigkeitsstaatliches Versammlungsgesetz, das die Versammlungsfreiheit schützt. Bereits im letzten Jahr luden wir daher ein zu einem Fachgespräch Versammlungsrecht mit AnwältInnen sowie politischen und bürgerrechtlichen Gruppen im Rathaus. Das Fazit: Bereits heute werden Demonstrationen in der (nicht nur) hamburgischen Praxis mit Auflagen drangsaliert, oft rechtswidrig von Polizeispalieren begleitet, es wird ohne Unterlass gefilmt und – wie ein Teilnehmer des Gesprächs treffend formulierte – es herrscht ein Klima „jederzeit entziehbarem polizeilichen Wohlwollens“. Die zu erwartenden Gesetzesänderungen lassen befürchten, dass diese Praxis in Rechtsform gegossen und durch weitere Erschwernisse insbesondere für AnmelderInnen von Versammlungen versehen wird. Grund genug, den Entstehungsprozess eines zu erwartenden neuen Gesetzes von Beginn an wachsam zu begleiten. Natürlich müssen dabei auch die Bestimmungen des Art. 9 GG geschützt werden. Relevant im Rahmen des Versammlungsgesetzes ist dabei beispielsweise die Anzahl der Personen, die nach dem Gesetz für eine Versammlung erforderlich sind. Wenn diese Anzahl herabgesetzt würden, könnte die Polizei bspw. von zwei Menschen, die vor einem Unternehmen Streikwache halten, verlangen, dies als Versammlung anzumelden (bzw. bei fehlender Anmeldung handelt es sich ggf. um eine Straftat, § 26 II VersammlungsG). Solche Aspekte gilt es bei einer Neufassung des Gesetzes aus unserer Sicht zu beachten.

Zur Frage des zivilen Ungehorsams: DIE LINKE hat sich hinsichtlich zivilen Ungehorsams immer klar positioniert und ich teile diese Position. Ziviler Ungehorsam etwa gegen Naziaufmärsche ist richtig und notwendig. Immer wieder hat DIE LINKE Aktionen des friedlichen zivilen Ungehorsams unterstützt und sich auch daran beteiligt. Ich finde es auch richtig, dass Aufmärsche militanter Neonazis nach Möglichkeit verboten werden. Klar ist aber auch: Damit würde die jeweils entsprechende rechte Versammlung ins Wasser fallen, das zugehörige Gedankengut wird aber durch Verbote allein ganz sicher nicht aus der Welt geschafft.

DIE LINKE fordert seit Jahren vehement die individuelle Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen, in der Bürgerschaft zuletzt durch einen Antrag im Sommer letzten Jahres (vgl. http://www.grundrechte-kampagne.de/aktuelles/antrag-rechtsstaat-sichern-%E2%80%93-kennzeichnungspflicht-und-polizeibeschwerdestelle-f%C3%BCr-hamburg). Gerade weil die Polizei Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols ist, sind möglichst weitreichende Transparenz, Überprüfbarkeit und Kontrolle polizeilichen Handelns unverzichtbare rechtsstaatliche Prinzipien und für die weitere Stärkung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Polizei unabdingbar. In Fällen, in denen Polizistinnen und Polizisten rechtswidrige Gewalt anwenden, muss Überprüfbarkeit und Kontrolle gewährleistet sein. Gerade bei konfliktträchtigen Situationen, in denen die BeamtInnen Helme tragen oder in der Anonymität geschlossener Einheiten agieren (z.B. bei Demonstrationen oder Fußballspielen), scheitert dies jedoch häufig daran, dass sie nicht identifiziert werden können (vgl. beispielhaft Antwort des Senats in Drs. 20/5644). Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete durch Namensschilder oder eine einprägsame individuelle Identifikationsnummern erhöht die Transparenz polizeilicher Arbeit und verhindert so Straflosigkeit. Sie trägt dem Grundsatz persönlicher Verantwortung Rechnung, garantiert die individuelle Zurechenbarkeit staatlichen Handelns und stärkt so das Prinzip der Rechtstaatlichkeit. In den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist eine Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen längst umgesetzt, sei es durch ein Namensschild und/oder eine Identifikationsnummer. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurden in einigen Bundesländern wie Berlin oder Brandenburg entsprechende Regelungen getroffen, in anderen Bundesländern stehen sie auf der Tagesordnung. Wir werden uns auch in Zukunft für die Kennzeichnungspflicht stark machen und ich bin überzeugt, dass es auch in Hamburg früher oder später die Kennzeichnungspflicht geben wird.

B) AfD
Ich teile die Einschätzung des Hamburger Bündnis gegen Rechts. Die AfD hat sich ideologisch und politisch zu einer Partei der Rechten entwickelt, die mit den typischen Mitteln des Populismus arbeitet. Ihr politischer Kern ist längst nicht mehr die Kritik der europäischen Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Sie propagiert zunehmend den gesamten Kernbereich der Ideologien der Ungleichheit. Nicht alle Mitglieder der Partei sind Rechte, die Partei als Gesamtheit jedoch schon. Eine Zusammenarbeit gleich welcher Art mit der AfD kommt für mich nicht in Frage. Solange sich die AfD jedenfalls nicht von dezidiert rechten Positionen distanziert, werde ich mich in meiner Fraktion und gegenüber allen anderen Fraktionen dafür einsetzen, AfD-Anträge grundsätzlich abzulehnen, auch wenn sie die Ablehnung durch Übernahme anderer (etwa auch linker) Anträge aufzuweichen versucht.

Die Anzeige gegen Amelie Deuflhard ist bösartig, sie ist gegen die Freiheit der Kunst und vor allem gegen die Menschenrechte der Flüchtlinge gerichtet. Sie macht deutlich, was die in Hamburg Zuflucht suchenden Menschen erwartet, wenn die AfD an politischem Einfluss gewinnen sollte. Eine hohe Wahlbeteiligung mindert die Aussicht der AfD, in die Bürgerschaft einzuziehen. Deshalb rufen wir auf: Gehen Sie wählen! Keine Stimme der AfD oder der NPD!

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Schneider