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Christiane Schneider
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Frage von Anna M. •

Frage an Christiane Schneider von Anna M. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Schneider,
Seit zwei Jahren nun, werden im Rahmen des NSU-Prozesses die Tathergänge von rassistisch motivierten Morden des "Nationalsozialistischen Untergrunds" beleuchtet. In allen Fällen scheiterte die Aufklärung an der frühzeitigen Annahme der Ermittelnden Behörden, die taten seien "intern Motiviert" bzw. im umfeld der Organisierten Kriminalität zu verorten.
Auch die Hamburger Mordermittler hielten alle Jahre hartnäckig an der These der Organisierten Kriminalität fest, ermittelten im türkisch-kurdischen Milieu, im Bereich „Ausländerextremismus“, Rauschgiftdelikte und intensiv im unmittelbaren Umfeld des Opfers. Auch in dem im April 2014 vom Senat vorgelegten 87 Seitigen Bericht "Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) Ermittlungen, Aufarbeitung, Konsequenzen in Hamburg und in der Zusammenarbeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder" gibt es keine Belege einer Ergebnisoffenen Ermittlung.

1) Welche Schritte haben Sie und Ihre Partei bislang unternommen, um die vielfältigen Ermittlungsungereimtheiten rund um die NSU-Morde aufzudecken insbesondere die Ermordung Süleyman Tasköprüs?
2) Welche politischen Konsequenzen ziehen Sie aus den Ermittlungserfahrungen der beteiligten Behörden und Institutionen in der Aufdeckung der NSU-Morde?
3) Wie werden Sie und Ihre Partei darauf hinwirken, zukünftige Ermittlungsungereimtheiten frühzeitig aufzudecken?

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DIE LINKE

Sehr geehrte A. M.,
vielen Dank für Ihre Frage, die einen sehr wunden Punkt trifft.

Erstens. Wir bemühen uns seit Jahren, in Zusammenarbeit mit anderen, die Verstrickung Hamburger Nazis in das NSU-Netzwerk aufzudecken. Tatsächlich hat der Senat von Beginn an jede mögliche Verbindung bestritten. Die heute bekannten Tatsachen, wie etwa die Beziehungen der Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl ("Deutsches Rechtsbüro") zum harten Kern des Thüringer Heimatschutzes und zu mindestens einem Angeklagten im Münchener NSU-Prozess, die vielen Verbindungen militanter Nazis aus Hamburg zum engsten Umfeld der sogenannten "Zwickauer Zelle", gehen nicht etwa auf Ermittlungen der Hamburger Behörden, sondern auf antifaschistische Recherchearbeit zurück, die wir mit Anfragen und Anträgen und in von uns initiierten Debatten in der Bürgerschaft aufgegriffen haben. Obwohl der Senat diese Tatsachen nicht länger bestreiten konnte und kann, hält er nach wie vor Verbindungen zwischen Hamburger Nazis und dem engsten Umfeld der Zwickauer Zelle für nicht gegeben oder nicht relevant. Auch die Ermittlungsarbeit der Hamburger Sicherheitsbehörden stellt er nicht infrage. Zwar gibt er allgemein zu, dass „Fehler“ gemacht worden seien, aber konkret weist er jede Kritik zurück. Seine Behauptung, es habe nach dem Mord an Süleyman Tasköprü keine Hinweise auf einen rechten, rassistischen Hintergrund gegeben, ist angesichts der Aktenlage ebenso unhaltbar wie die Zurückweisung jeglicher Kritik an institutionellem Rassismus, der den Ermittlungsbehörden den Blick auf eben diesen rassistischen Hintergrund der Mordserie verstellt hat. So waren es z.B. gerade die Hamburger Ermittler, die sich den Hinweisen des Münchner Profilers auf einen rechten Tathintergrund energisch widersetzt hatten. Deshalb fragt sich, welche Konsequenzen der Senat eigentlich aus dem Desaster gezogen hat. Der von Ihnen erwähnte Senatsbericht ist wortreich, aber inhaltlich dünn und in den Konsequenzen, die er zieht, äußerst mager, zumal nicht mal klar ist, was von den Konsequenzen bisher eigentlich umgesetzt wurde.

Zweitens. Wir halten einen NSU-Untersuchungsausschuss auch in Hamburg für notwendig und werden deshalb in der nächsten Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag einbringen. Im Zentrum sollten dabei die Verstrickungen Hamburger Neonazis in das NSU-Netzwerk und das totale Versagen der Hamburger Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung stehen.

Drittens. Zukünftige Ermittlungsungereimtheiten aufzudecken, und auch noch frühzeitig, ist aus dem Parlament heraus wirklich schwierig. Was wir allerdings tun können und tun: Wir fragen bei Straftaten, in denen ein rassistischer Hintergrund nicht auszuschließen ist – z.B. weil rassistische Graffitis am Tatort zu finden sind – regelmäßig nach. Wir fragen nach, welche Ergebnisse die nachträgliche Untersuchung unaufgeklärter schwerer Straftaten auf einen möglichen rassistischen Hintergrund haben u.ä.m. Mit anderen Worten: Wir schauen hin und wir zeigen damit den Behörden auch, dass wir hinschauen. Außerdem thematisieren wir auch in Zukunft institutionellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden. Das heißt, dass wir auch weiterhin konkrete Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung, zur Eliminierung von Vorurteilen durch Weiterbindung und zur Erhöhung der demokratischen Transparenz und Rechenschaftspflicht der Polizei vorschlagen und fordern werden.

Mit freundlichen Grüßen

Christiane Schneider