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Bernd Westphal
SPD
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Frage von Andreas B. •

Frage an Bernd Westphal von Andreas B.

Herr Westphal,

ich moechte gern von Ihnen wissen, wie Sie Ihre Entscheidung begruenden?

Bitte gehen Sie dabei auf folgende Anmerkungen/Fragen von meiner Seite ein:

1. generell fehlendes UN Mandat fuer einen militaerischen Einsatz in Syrien (d. h. moegliche Voelkerrechtwidrigkeit des Mandats)
2. fehlende Anfrage hinsichtlich Unterstuetzung aus Syrien (d. h. moegliche Voelkerrechtswidrigkeit des Mandats)
3. Herkunft der Attentaeter von Paris aus Frankreich und Belgien (d. h. nicht aus Syrien)
4. erwartete zivile Opferzahlen (in Syrien sowie auf Seiten des Deutschen Militaers) und erwartete Fluechtlinge
5. erwarteter Zeitraum der Mission
6. erwartete Kosten der Mission an sich
7. erwartete Folgekosten durch Beseitigung der Hinterlassenschaften und des Wiederaufbaus

Weitere Hinweise, die Sie bitte ebenfalls entkraeften moechten:
- http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP22115_061215.pdf
- http://www.friedensratschlag.de/userfiles/html/2015-12_Paech_Syrien_Tornadoeinsatz.html

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Borde,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordentenwatch.de.

Entscheidungen über die Auslandseinsätze unserer Bundeswehr gehören für mich zu den schwersten Entscheidungen, die ich als Bundestagsabgeordneter zu treffen habe. Trotz großer Skepsis gegenüber einem militärischen Engagement habe ich mich persönlich schlussendlich nach vielen intensiven Gesprächen und Diskussionen entschieden, dem Mandat der Bundeswehr zuzustimmen. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Wichtig für mich ist, dass der Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen die Terrororganisation IS eingeordnet ist in eine politische Gesamtstrategie zur Lösung des Syrienkonfliktes. Dieser Prozess begann mit den Genfer Verhandlungen und wurde dieses Jahr mit den Wiener Konferenzen weitergeführt. Die angestrebte Waffenruhe und der politische Prozess sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich alle Kräfte gemeinsam gegen den IS wenden können.

Genau dieses Vorgehen unterscheidet sich von der Vorgehensweise im Irak und in Afghanistan. Hier wird über den Tag hinaus nach einer Zukunft für Syrien gesucht, die mehrheitlich von den Kräften im Land getragen werden kann. Jetzt nicht einzugreifen, hieße, Syrien komplett dem IS zu überlassen. Somit würde den Menschen im Land jede Möglichkeit genommen werden, in ihrer Heimat zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren - sie werden dauerhaft zu Flüchtlingen. An dieser Stelle möchte ich eindringlich daran erinnern, was der IS seit geraumer Zeit in Syrien treibt: Versklavung von Frauen für die Krieger des IS; Verfolgung und Ermordung von Männern, die sich dem IS verweigern; Entführung von Kindern, um sie zu Kriegern auszubilden; systematische Landnahme; Abschlachtung ganzer Dörfer - selbst in der UN-Versammlung ist das Wort Genozid gefallen.

Eine Verfestigung des IS im Irak und Syrien würde eine Ausbreitung des IS in Nachbarstaaten zur Folge haben. Dies ist eine erklärte Strategie des IS. Insofern geht es nicht allein um die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, sondern gleichzeitig auch um den Schutz anderer Staaten im Nahen Osten.

Eine militärische Lösung allein kann ebenso wenig richten, wie nur auf humanitäre Maßnahmen zu setzen. Auch für mich ist ein militärischer Einsatz immer der letzte Schritt. Im Gegensatz zu dir sehe ich aber eine "umfassende Strategie". An erster Stelle gehört natürlich ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Aber es ist ja nicht so, dass wir diesbezüglich nichts unternehmen. Meiner Meinung nach kann ein militärischer Einsatz in Syrien und auch die immensen humanitären Anstrengungen zur Stabilisierung der Region nur dauerhaft wirken, wenn auch die Zivilgesellschaften durch eine intensivere wirtschaftliche Verflechtung an dieser großen Aufgabe mitwirken. Damit dies gelingt, gilt es, beispielsweise auch Handelshemmnisse weitestgehend abzubauen, Bildung und Forschung zu stärken, Tourismus zu fördern und aktiv unternehmerisches Engagement in den arabischen sowie afrikanischen Ländern zu unterstützen.
Fast 300.000 Tote und zwölf Millionen Flüchtlinge: Das ist die traurige Bilanz des seit fast fünf Jahren andauernden Bürgerkriegs in Syrien.

Die Anschläge vom 13. November 2015 in Paris galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen. Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art zu leben. Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert. Frankreichs Präsident Hollande hat Deutschland gebeten, sich auch mit militärischen Mitteln der internationalen Allianz von insgesamt 64 Staaten in ihrem Kampf gegen den IS anzuschließen. Am 24./25. November habe ich im Rahmen von Gesprächen mit Abgeordneten der Assemblée Nationale in Paris die Be- und Getroffenheit gespürt - aus Solidarität zu unseren französischen Freunden gilt es jetzt, jegliche Unterstützung gegenüber Frankreich zu gewähren - dazu gehört auch die Militärische.

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Dezember 2015 nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS bereitzustellen. Dazu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Das Ziel dieses Mandates ist klar umrissen: Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu verhindern, dass er weiterhin in vielen Ländern Angst und Schrecken verbreitet.

Dieser Einsatz ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich, den Irak und andere Länder im Kampf gegen den IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird.

In mittlerweile drei Resolutionen hat der VN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der IS weltweit eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit ist - zuletzt in der Resolution 2249 vom 20. November 2015. Darin hat der Sicherheitsrat nach den Anschlägen von Paris die Staatengemeinschaft aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen gegen diese Bedrohung zu ergreifen. Ebenfalls nach den Anschlägen von Paris hat sich Frankreich als erster Mitgliedstaat der EU auf die Beistandsklausel in Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages berufen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich nach intensiven Diskussionen entschieden, dem Mandat der Bundesregierung zuzustimmen. Niemand hat sich diese Entscheidung leicht gemacht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es für den Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Lösung geben kann. Der politische Prozess steht für uns weiterhin im Vordergrund. Das militärische Handeln wird in diesen politischen Prozess eingebettet sein und bleiben. Hierfür setzt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein. Mit Hilfe der Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten Staffan de Mistura soll eine politische Lösung erarbeitet werden.

Am 30. Oktober und 14. November 2015 kam es in Wien erstmals zu einer Zusammenkunft aller regionalen Akteure unter Einschluss des Iran, Saudi-Arabiens, aber auch Russlands und der USA. Dass es gelungen ist, die genannten Länder an einen Tisch zu holen, ist auch ein Erfolg der deutschen und europäischen Diplomatie. Hier wurden die Weichen für einen Fahrplan gestellt, den Syrienkonflikt politisch zu lösen und dem Morden endlich Einhalt zu gebieten. Noch in diesem Monat soll eine dritte Folgekonferenz in New York stattfinden mit dem Ziel, ab Januar einen Waffenstillstand in Syrien zu erwirken.

Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus und gegen den IS zu verstärken. Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15. August 2014 unter Kapitel VII der VN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen den IS, Al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen. Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden.

Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS - oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert - muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem "Kampf der Kulturen" entwickelt. Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS Muslime. Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen. Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildung zu verhindern. Ebenso müssen ausländische Kämpfer daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen.

Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzudämmen und damit künftig Terroranschläge zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflüchtlinge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müssen wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten. Seit 2012 hat Deutschland über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Durch die Initiative von Bundesminister Frank-Walter-Steinmeier ist es gelungen, dass auch weitere Staaten ihre Ausgaben für die Flüchtlingshilfe in der Region erhöht haben. Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro aufgestockt.

Wir werden unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und - wo möglich und nötig - verstärken.

Ich habe zur Entscheidung im Bundestag eine persönliche Erklärung nach § 31 GO BT abgegeben.
Die von Ihnen gestellten Fragen würde ich ebenso bezüglich des mörderischen Einsatzes des IS stellen z. B. erwartete zivile Opferzahlen, Kosten, Folgekosten und Länge des Einsatzes.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Westphal

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