Wie wollen Sie als Vorsitzender des Sozialausschusses verhindern, dass der Sozialstaat zum Disziplinierungsapparat für Arbeitslose wird?
Sehr geehrter Herr Rützel,
Sie haben den Weg vom Maschinenschlosser zum Bundestagsabgeordneten gemacht – ein Lebensweg, der den Wert sozialer Sicherheit und betrieblicher Solidarität verkörpert. Umso irritierender wirkt der Entwurf zur neuen Grundsicherung: Wer eine „zumutbare“ Arbeit – auch prekär oder fachfremd – ablehnt, soll alles verlieren, was er sich erarbeitet hat. Damit wird das Sozialstaatsgebot (Art. 20 GG) zur Drohkulisse und § 10 SGB II gegen seinen Sinn verwendet.
In einer Wirtschaft, in der Nachfrage und Investitionen stocken, erscheint Sanktionierung als Ersatz für aktive Konjunkturpolitik. Oskar Negt warnte: Wenn Sozialpolitik die Arbeitslosen vergisst, verliert Solidarität ihre demokratische Substanz.
Wie will die SPD sicherstellen, dass Zumutbarkeit rechtlich und menschlich begrenzt bleibt – und nicht zur Unterwerfung führt?
Wann wird Ihre Fraktion die politischen Ursachen von Erwerbslosigkeit offensiv angehen?
Und woran können wir Sie persönlich messen?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Noch liegt mir zur Reform der Grundsicherung kein Gesetzentwurf vor. Es gibt bisher die Vereinbarung des Koalitionsausschusses. Um diese Vereinbarung umzusetzen, arbeitet das Bundesarbeitsministerium aktuell einen Gesetzentwurf aus. Wenn dieser Entwurf vom Bundeskabinett beschlossen ist, beginnt das parlamentarische Verfahren im Bundestag.
Ich setze mich für einen starken Sozialstaat ein, der allen unter die Arme greift, die Hilfe benötigt. Wer arbeitslos geworden ist, ein Schicksal, das uns alle treffen kann, muss Hilfe bekommen: Bei der Finanzierung seines Lebens genauso wie bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle.
Es geht nur um sehr wenige, sehr genau umrissene Fälle, in denen es künftig grundsätzlich möglich sein soll, alle Unterstützungsleistungen zu streichen: Das soll nach dem aktuell vorliegenden Plan Menschen betreffen, die keinerlei Mitwirkungswillen zeigen. Aber – und das ist für mich eine wichtige Einschränkung – auch bei diesen Menschen wird es eine Härtefallregelung geben. Das werden wir genau im Blick haben, wenn das Gesetz in das parlamentarische Verfahren kommt.
Dass die Beschäftigten in Jobcentern nicht tatenlos zuschauen müssen, wenn jemand dauerhaft jegliche Mitwirkung verweigert, ist auch ein Zeichen an die vielen Bürgergeldbeziehenden, die aktiv mitwirken und selbst ein großes Interesse daran zeigen, wieder auf die Beine zu kommen. Sie sind in der öffentlichen Debatte oftmals Verhetzungen ausgesetzt, die sie nicht verdient haben.
Um Arbeitsplätze in Deutschland zu schützen und zu schaffen, sorgen wir für niedrigere Energiepreise und lösen vor allem den Investitionsstau vergangener Jahrzehnte auf. Mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen werden wir über zwölf Jahre in die Modernisierung der Infrastruktur und den Klimaschutz investieren. Das Geld soll unter anderem für Straßen, Schienen, Schulen, Krankenhäuser und die digitale Infrastruktur verwendet werden. So werden wir die Wirtschaft unterstützen in einem schwierigen internationalen Marktumfeld.
Freundliche Grüße
Bernd Rützel

