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Bärbel Kofler
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Frage von Karl H. •

Frage an Bärbel Kofler von Karl H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Kofler!

Mich beeindruckt seit den Wahlen und der dadurch entstandenen rot-schwarzen Koalition, wie es denn sein kann, daß die SPD im Wahlkampf eine Mehrwertsteuererhöhung kategorisch ablehnt und damit sogar Wahlkampf gegen die Union gemacht hat, nach den Wahlen dann aber als Regierungspartei einer 18,75% Erhöhung derselben zustimmt!
Bei der Union ist es zwar schon schwer zu verstehen, wenn damit argumentiert wird, daß aus den veranschlagten 2 Prozentpunkten nun 3 Prozentpunkte wurden, weil man als Oppositionspartei nicht alle Daten und somit die reelle Verschuldung kennen konnte.

Welches schlüssige Argument allerdings bietet die SPD denn nun für die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 18,75% (3 Prozentpunkte). Das Argument, man wußte die Zahlen nicht genau, kann hierbei allem Anschein nach ja nicht Verwendung finden!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Halbritter,

ich muss Ihnen als Kreisvorsitzender der Jungen Union im Berchtesgadener Land ja sicher nicht erklären, was Koalitionsverhandlungen sind und dass dabei ein Kompromiss für unterschiedliche Positionen gesucht wird.

In den Koalitionsverhandlungen der SPD mit CDU und CSU musste aus zwei sehr unterschiedlichen politischen Programmen ein gemeinsames Regierungsprogramm entwickelt werden. Dabei haben wir viele SPD-Forderungen durchgesetzt. Aber bei gleich starken Partnern mussten wir auch einige "schwarze Kröten" schlucken: Die Mehrwertsteuer-Erhöhung ist eine davon.

Um es klar zu sagen: Die Mehrwertsteuer war der Preis für viele Erfolge der SPD in den Koalitionsverhandlungen. Gerade in der Steuerpolitik haben wir dabei einiges erreicht: Wir haben das unsoziale Kirchhof-Modell ebenso verhindert wie die Bierdeckel-Pläne von Merz.

Im Wahlkampf hat sich die SPD klar gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen. Die Union hat sich an diesem Punkt durchgesetzt, aber immerhin haben wir eine Verschiebung auf 2007 erreicht, um 2006 zunächst Wachstumsimpulse zu schaffen. Das ist mehr als nur Kosmetik: 2006 wurde viel Geld in die Belebung der Wirtschaft gesteckt. Zur Stärkung von Innovation, Investition, Wachstum und Beschäftigung geben wir bis 2009 rund 25 Milliarden Euro aus:

1. Für den Bereich der Innovation rund 6 Mrd. Euro: Dazu gehören die
Anhebung des Anteils für Forschung und Entwicklung am
Bruttoinlandsprodukt auf 3% bis 2010 (ein Drittel trägt der Staat und
zwei Drittel trägt die Wirtschaft), die Excellenzinitiative zur Stärkung
der Hochschulforschung sowie der Pakt für Forschung und Innovation.

2. Für die Belebung der Wirtschaft rund 6,5 Mrd. Euro: Dazu gehören die
Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Unternehmen durch Anhebung
des Ansatzes für Abschreibungen von 20% auf 30%, die Aufstockung des
CO2-Gebäudesanierungsprogramms und Fortführung der Investitionszulage in
den neuen Ländern.

3. Für die Verbesserung der Infrastruktur rund 4,3 Mrd. Euro: Dazu
gehört die Anhebung der Verkehrsinvestitionen

4. Für die Förderung von Handwerk und Dienstleistungen rund 5 Mrd. Euro
(steuerliche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen, die stärkere
Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten und die Ausweitung der
steuerlichen Abzugsfähigkeit auf private Handwerkerrechnungen.

Natürlich bedeutet eine höhere Mehrwertsteuer auch eine höhere Belastung für Verbraucher, vor allem für bei geringem Einkommen. Für die Arbeitnehmer gilt deshalb jetzt erst recht, was die SPD im Wahlkampf schon deutlich gesagt hat: Wir brauchen eine bessere Lohnentwicklung, einen gerechten Anteil der Arbeitnehmer an dem Erfolg der deutschen Unternehmen. In vielen Branchen gibt es ausreichend Verteilungsspielraum. Den gilt es jetzt zu nutzen, um die Kaufkraft zu erhalten.

Sagen muss man außerdem, dass die Mehrwertsteuer Arbeit billiger macht. Ein Prozentpunkt der Mehrwertsteueranhebung wird für die Verringerung der Lohnzusatzkosten eingesetzt. Die insgesamt höher als erwartet ausfallenden Steuereinnahmen machen es sogar möglich, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker als geplant zu senken: Von 6,5 Prozent auf 4,2 Prozent. Der ursprüngliche Regierungsentwurf für den Haushalt 2007 sah noch 4,5 Prozent vor.

Fest steht auch: An dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent auf Nahrungsmittel, Bücher oder Zeitungen wird sich nichts ändern. Für die meisten Nahrungsmittel fällt nach wie vor nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent an. Auf Mieten und ärztliche Leistungen wird weiterhin keine Mehrwertsteuer aufgeschlagen. Damit wird auch die soziale Balance gewahrt.

Manche behaupten: Auch die SPD hat die Mehrwertsteuererhöhung gewollt. Das ist falsch! Rot-grün war die einzige Regierung, die die Mehrwertsteuer nie erhöht hat. Die SPD wollte die Schulden vorrangig durch die Stärkung der Wachstumskräfte und die Streichung von Steuersubventionen abbauen. Dieser Weg war und ist möglich, wir haben einiges davon im Koalitionsvertrag verankern können, was die Union bisher im Bundesrat blockiert hat.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bärbel Kofler, MdB

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