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Adis Ahmetovic
SPD
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Frage von Ulrike N. •

Was hat Sie bewogen für das Sondervermögen Bundeswehr und die entsprechende Grundgesetzänderung zu stimmen? Glauben Sie wirklich, dass der Krieg in der Ukraine mit Waffengewalt beendet werden kann?

Sehr geehrter Herr Ahmetovic,

Deutschland hat zwei Weltkriege, unsägliches Leid, Zerstörung und unzählige Tote zu verantworten. Trotzdem leben wir seit 77 Jahren in Frieden! Was für ein Privileg! Heute scheinen die meisten Politiker des Friedens überdrüssig und sehnen den Krieg herbei. Sie stimmen für das Sondervermögen Bundeswehr und die damit verbundene Grundgesetzänderung. Sie befürworten die kriegerischen Handlungen in der Ukraine und verlängern diese mit Waffenlieferungen. Wo bleibt das klare NEIN zu Krieg und militärischer Aufrüstung? Wo bleibt der Aufruf für Friedensverhandlungen mit diplomatischen Mitteln? Wo bleiben die notwendigen Investitionen in Bildung, Soziales, Gesundheit, Klima und zivile Konfliktbearbeitung? Ich schäme mich für die deutsche Politik. Bitte beenden Sie den Krieg in der Ukraine, engagieren Sie sich für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Der Aufruf zu Frieden und Diplomatie muss aus Deutschland kommen! Beweisen Sie Mut und Menschlichkeit!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau N.,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Stellungnahme zum Ukrainekrieg. Wir sind uns vollkommen einig, dass der Ukrainekrieg so schnell wie möglich ein Ende finden muss. Die Bilder, welche uns täglich aus der Ukraine erreichen, erschüttern uns und sie stellen uns vor die Frage, wie wir uns als Bundesrepublik Deutschland verhalten müssen, um die Ukraine in dem brutalen Angriffskrieg Russlands zu unterstützen und dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten. Ich stehe hinter den Entscheidungen des Bundeskanzlers Olaf Scholz und versuche diese im Folgenden zu erklären.

Ich verstehe Ihre grundsätzliche Reaktion, dass Waffenlieferungen in einem ersten Schritt weitere kriegerische Handlungen zur Folge haben. Jedoch ist es für den internationalen zukünftigen Frieden unabdinglich, dass die territoriale Integrität der Ukraine wieder hergestellt wird. Ohne Waffenlieferungen ist die Ukraine den russischen Truppen ausgeliefert, welche nicht vor zivilen Kriegsopfern zurückschrecken: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-butscha-human-rights-watch-101.html

Des Weiteren würde Russland einen Sieg als Bestätigung ihres imperialistischen Handelns sehen und ihre Machtbestrebungen in der Region weiter ausdehnen. Durch eine Niederlage der Ukraine wären weitere Länder von einem Einmarsch russischer Truppen bedroht. Putin ist offensichtlich von einer realitätsfernen Interpretation der Geschichte besessen. Er träumt von einem Russland in den Grenzen des russischen Zarenreichs und der weltpolitischen Bedeutung der ehemaligen Sowjetunion. Seine Reden und sein Handeln sind klarer Beweis dafür, dass er in imperialistischen historischen Kategorien denkt, der Ukraine eine eigene Staatlichkeit abspricht und sie als Teil Russlands betrachtet. Putin lügt, wenn er den militärischen Überfall unter anderem mit der Behauptung begründet, in der Ukraine finde ein Genozid statt und Russland sei bedroht durch die Ukraine. Eine (militärische) Niederlage der Ukraine würde Putin suggerieren, dass sein imperialistisches Streben von Erfolg gekrönt sein könne, was Folgen für sein zukünftiges Handeln hat. Es muss alles dafür getan werden, einen Flächenbrand in (Süd-) Osteuropa zu verhindern. Unsere Bündnispartner müssen sich auf unsere Unterstützung verlassen können.     

Dennoch hat die Bundesregierung klare Leitlinien bei Sanktionen und Waffenlieferungen aller Art. Die Bundesregierung trifft ihre Entscheidungen über die Unterstützung der Ukraine mit Waffen in enger Abstimmung mit den Bündnispartnern in der Europäischen Union und der NATO. Dazu finden ständig Gespräche und Abstimmungen auf allen Ebenen statt. Das betrifft auch die Frage, welche Waffenarten geliefert werden sollen. Wir wollen keine deutschen Alleingänge und wir treffen die nötigen Abwägungsentscheidungen gemeinsam mit den Partnern und handeln mit ihnen abgestimmt.

Alle Bündnispartner sind sich in dem Ziel einig, dass die NATO nicht zur Kriegspartei werden darf. Sie tun alles dafür, eine direkte militärische Konfrontation zwischen der NATO und der hochgerüsteten militärischen Supermacht Russland mit seinen Atomwaffen zu vermeiden. Es soll jede Eskalation verhindert werden, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Aus diesem Grund ist die NATO etwa dem Wunsch der Ukraine nach Einrichtung einer Flugverbotszone nicht nachgekommen. Denn diese hätte einen direkten Eingriff von NATO-Flugabwehr und Kampfflugzeugen in den Krieg bedeutet.

Ab welchem Punkt Russland die NATO oder einzelne NATO-Partner wie Deutschland als Kriegspartei wahrnimmt, lässt sich keinem Lehrbuch entnehmen. Putin steht gewaltig unter Druck, Russland steckt in dramatischen Schwierigkeiten, die Sanktionen richten gewaltige Schäden in Russlands Wirtschaft an und die Kette militärischer Niederlagen kann auch die russische Regierungspropaganda nicht mehr schönreden. Daher werden alle Schritte genau überlegt und eng mit den Partnern abgestimmt.

Das Sondervermögen für die Bundeswehr schafft nun Raum für dringend nötige Investitionen und eine bestmögliche Ausrüstung der deutschen Soldatinnen und Soldaten. Gleichzeitig greift es den Kernhaushalt nicht an, sodass weiter ausreichende Mittel für Bildung, Soziales, Gesundheit, Klima und zivile Konfliktbearbeitung zur Verfügung stehen. Wichtig war uns Abgeordneten zudem, dass die parlamentarische Kontrolle bei der konkreten Ausgestaltung gewährleistet bleibt.

Ich glaube, dass ich für die gesamte SPD-Fraktion spreche, wenn ich sage, dass wir uns die Entscheidung über Waffenlieferungen nicht leicht gemacht haben. Niemand möchte einen Krieg und dennoch ist das Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ nur bedingt auf diesen Konflikt anwendbar, da Putin nicht nach westlichen, demokratischen Denkmustern handelt. Genau aus diesen beschriebenen Gründen ist das rationale, abwägende Handeln des Bundeskanzlers Olaf Scholz zusammen mit unseren Bündnispartnern der richtige Weg. Das Ziel muss dabei eine diplomatische Lösung des Konfliktes sein, welche durch einen militärischen Sieges Russlands unmöglich gemacht würde.

Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass die gesamte SPD-Bundestagsfraktion und die Bundesregierung solidarisch hinter der Ukraine und ihren Bürger:innen stehen. Diesen Kurs unterstütze ich im Rahmen meiner Möglichkeiten uneingeschränkt.

Vielen Dank noch einmal für Ihre Kontaktaufnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Adis Ahmetović, MdB

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