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Adis Ahmetovic
SPD
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Frage von Markus M. •

Sehr geehrter Herr Ahmetovic durch Zahlungsstop Deutschlands an die UNRWA droht eine Humanitäre Katastrophe. Will Deutschland kollektiv Millionen Menschen für angebliche Taten einiger wenig bestrafen?

Legte Israel Belege für die Beschuldigungen geg die Personen! vor?
UNRWA gibt Israel schon lange Einsicht in die Personallisten. Die Beschuldigten wurden ohne ordentliches Verfahren entlassen. UNRWA ist Transparent und handelt schnell!
Die Vorwürfe kamen seltsamer Weise genau dann auf, als Südafrika die Stimme vor Gericht für die Palästinenser erhob.
Netranjahu fordert „dass die Mission des UNRWA beendet werden muss“. Diese kümmert sich u.a. um die Versorgung und Rechte der Flüchtlinge. Sollen diese nun entrechtet werden? Will Deutschland hier Israel ein "rechtliches Cherrypicking" ermöglichen?
https://en.wikipedia.org/wiki/UNRWA
https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-unrwa-ueberpruefung-nach-vorwuerfen-israels-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-240214-99-983121
Andere Hilfsorganisationen können derzeit so gut wie nicht mehr aktiv sein.
https://www.spiegel.de/ausland/who-befuerchtet-durch-zahlungsstopp-an-unrwa-eine-katastrophe-im-gazastreifen-a-5efda9af-86d7-4741-bd30-232103ab27c2

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr M,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur aktuellen humanitären Situation in Gaza.

Ja, es ist eine humanitäre Katastrophe, die sich dort abspielt, eine Katastrophe, die schnellstmöglich beendet werden muss und die ihre Ursache im grausamen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 hat, der zu einer verheerenden Eskalation einer der komplexesten geopolitischen Konflikte unserer Zeit geführt und großes Leid für Tausende unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten nach sich gezogen hat. Die Bilder, die uns seitdem aus der Region erreichen, sind erschütternd und bewegen viele Menschen bei uns in Deutschland und weltweit.

Nur wenn wir beides benennen - den Hamas-Terror mit der Geiselnahme und das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza - können wir dieser Tragödie gerecht werden.

Alle Beteiligten, die in diesem Krieg involviert sind, müssen sich an das Völkerrecht in seiner Gesamtheit und die Genfer Konventionen im Besonderen halten. Vor allem in den letzten Wochen bereitet uns die katastrophale humanitäre Lage in Gaza große Sorgen. Es droht keine humanitäre Katastrophe, sondern diese liegt bereits jetzt vor. Wir bestrafen oder entrechten Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza nicht, und haben dies auch nicht vor, sondern sind, ganz im Gegenteil, eines der Länder, welches sich am stärksten für den Schutz und die Unterstützung der Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza einsetzt.

Deutschland gehört zu den größten Gebern humanitärer Hilfe für die Menschen in Gaza und im Westjordanland. Die regulären Hilfszahlungen von 72 Mio. €, die Deutschland ohnehin 2023 für Gaza und das Westjordanland geleistet hätte, wurden seit Oktober 2023 schrittweise auf nunmehr rund 211 Mio. € erhöht. Mit diesem Geld werden die Hilfsprogramme der Vereinten Nationen, die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung sowie bilaterale Projekte finanziert. Das Geld fließt unter anderem in die Beschaffung, den Import und die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten, aber auch in medizinische Ausrüstung, die unter anderem in Ägypten und Jordanien zum Einsatz kommt. Dabei prüfen wir fortlaufend, dass diese Hilfe die notleidenden Menschen auch tatsächlich erreicht.

Zudem laufen in enger Absprache mit unseren internationalen Partnern diplomatische Initiativen auf mehreren Ebenen. Nach einem Treffen mit dem palästinensischen Außenminister, Riad al-Malki, in Berlin und einer erneuten Reise nach Israel Mitte Februar, hat Bundesaußenministerin Baerbock am 29.02.2024 eine erneute Aufstockung der Hilfsgelder um 20 Mio. Euro angekündigt und hinsichtlich der humanitären Lage der Menschen in Gaza sehr deutliche Worte gefunden: https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2646936#:~:text=Au%C3%9Fenministerin%20Annalena%20Baerbock%20erkl%C3%A4rte%20heute,entflieht%2C%20dem%20droht%20der%20Hungertod.

Sie haben recht damit, dass die Arbeit von Hilfsorganisationen derzeit stark eingeschränkt ist, aber sie besteht weiter fort. Es ist furchtbar, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UNRWA enge Verbindungen zum Terroranschlag am 7. Oktober 2023 aufweisen, und diese Verbindungen müssen aufgeklärt und aufgearbeitet werden. Zugleich hat UNRWA, wie Sie richtigerweise schreiben, schnell und transparent gehandelt und die internen weiterhin laufenden Aufarbeitungsprozesse erleichtert. Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung in Gaza ist die Arbeit von UNRWA mittelfristig unverzichtbar und unersetzbar. Momentan hat UNRWA weiterhin Geld zur Verfügung. Neue Leistungen von Deutschland waren ohnehin nicht geplant. Auch die zusätzlichen 20 Mio. Euro gehen an andere Organisationen, die den Menschen vor Ort helfen. Wann weitere Zahlungen folgen werden und ob diese dann auch wieder an UNRWA gehen werden, steht derzeit noch nicht fest. Wichtig ist aber, dass wir die Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza nicht im Stich lassen und weiter unterstützen.

Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag teile ich ausdrücklich die Haltung der Bundesaußenministerin und verurteile das militärische Vorgehen Israels im Süden von Gaza scharf. Bereits im Januar 2024 habe ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion, aus dem Europäischen, aus dem kanadischen und aus dem US-amerikanischen Parlament die transnationale Erklärung „Waffenstillstand jetzt: Humanitäre Katastrophe abwenden, Zwei-Staaten-Lösung vorantreiben“ unterzeichnet, die sie hier finden können: https://cademartori.de/offener-brief-waffenstillstand-jetzt-humanitaere-katastrophe-abwenden-zwei-staaten-loesung-vorantreiben/   

Für Ihre Anfrage bin ich dankbar und finde es sehr wichtig, dass wir uns in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft offen, aber zugleich respektvoll auch zu solch schwierigen, sehr emotionalen Themen austauschen. Dies sollte aber immer auf Grundlage von gesicherten Fakten und nicht auf Basis von gefährlichen Verschwörungsmythen passieren. 

Bitte seien Sie versichert, dass ich als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses auch zukünftig für einen nachhaltigen, echten Frieden in Nahost einsetzen werde.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Adis Ahmetović, MdB

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